Der Grundsatz, dass die Eltern, wenn sie dazu finanziell in der Lage sind, ihren Kindern den Lebensunterhalt während der Zeit der Ausbildung finanzieren, ist richtig, und er gilt im Übrigen seit dem Bestehen dieses Landes. Sind die Eltern dazu finanziell nicht in der Lage, darf dies kein Hindernis für die Aufnahme eines Studiums sein. Hier gibt es seit vielen Jahrzehnten in Deutschland das BAföG, und das ist auch richtig so.
Die Tatsache, dass die Zahl der BAföG-Empfänger in Hessen und damit auch die erforderlichen Mittel ansteigen, zuletzt auf rund 6 Millionen €, ist deshalb ein gutes Signal. Darüber hinaus hat sich die Landesregierung nach Verhandlungen im Bundesrat im Rahmen eines Gesamtpakets bereit erklärt, weitere 6 Millionen €, insgesamt also 12 Millionen €, anteilig für die Erhöhung des BAföG auszugeben.
Wir wissen, dies alles ist nicht einfach in Zeiten der Haushaltskonsolidierung. Aber Sparen heißt auch, für die wirklich wichtigen Aufgaben dieses Landes – dazu gehört ganz vorne für uns die Bildung – genug Geld zu haben, und das haben wir.
Meine Damen und Herren, bislang war die Finanzierung von Studierenden in Deutschland weitgehend eindimensional. Wessen Eltern nicht bedürftig waren, der bekam kein BAföG, unabhängig von eigenen Studienleistungen.
Selbst wer es unter die weniger als 3 % der Studenten schaffte, die von den bestehenden Begabtenförderungswerken, beispielsweise der Studienstiftung des deutschen Volkes, aufgenommen wurden, der erhielt, wenn die Eltern nicht im Sinne des BAföG bedürftig waren, nur ein Büchergeld von zuletzt gerade einmal 80 € im Monat. Dabei richtet sich die Bedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch, angelehnt an Hartz IV. Immerhin erhält rund ein Viertel der Studenten eine Förderung nach dem BAföG, und das ist auch richtig so. Das sage ich ausdrücklich.
Aber auch diese Frage muss hier gestellt werden: Was ist mit den restlichen drei Vierteln? Es wäre wahrlich falsch, zu denken, wer zu diesen drei Vierteln gehört, der sei ohnehin auf Rosen gebettet und brauche keinerlei zusätzliche Förderung. Die Realität ist, dass zwei Drittel aller Studenten während ihres Studiums jobben, sich also zusätzlich etwas zum Lebensunterhalt verdienen. Dabei – auch das will ich sagen – ist das nicht grundsätzlich schlecht. Man denke nur an Beschäftigung an den Hochschulen.
Es lässt sich auch nicht in jedem Falle vermeiden; denn eine volle Förderung aller Studierenden, seien es BAföG oder Stipendien, mag vielleicht wünschenswert sein, ist aber schlicht und ergreifend nicht finanzierbar.
Das bedeutet jedoch, dass viele der besten Studenten aus Mittelstandsfamilien, Kinder von Facharbeitern und kleinen Angestellten, die nicht unter die Hartz-IV-Regelung fallen, mit fachfremder Tätigkeit einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen müssen. Ich frage Sie: Welches Potenzial ließe sich für diese Gesellschaft heben, wenn wir den klügsten Köpfen unseres Landes etwas mehr Freiraum für eigene wissenschaftliche Betätigung geben würden?
Meine Damen und Herren, in fast allen Ländern dieser Erde gibt es Programme, die besonders Begabte unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern mit Stipendien unter die Arme greifen. Allen voran kann ich hier die angelsächsischen Länder, USA, Großbritannien, nennen, aber im Übrigen auch aufstrebende Nationen aus Osteuropa oder aus Asien.
Man mag deshalb mit Recht fragen, warum sich Deutschland als eine der führenden Industrie- und Wissensnationen erst so spät zur Einführung eines nationalen Stipendienprogramms für unsere Besten durchringt. Es mag damit zusammenhängen, dass die Förderung von Leistung gerade von der politischen Linken über Jahrzehnte hinweg bis in unsere Zeit hinein aus ideologischen Gründen als Eliteförderung verunglimpft und abgelehnt worden ist. Im Übrigen zeigen die vorliegenden Anträge von SPD und GRÜNEN und auch der LINKEN, dass dieses alte, überkommene Denken immer noch nicht überwunden ist.
Im Übrigen laufen alle Vorwürfe, die finanziellen Ressourcen würden falsch eingesetzt und die Förderung der Besten, die wir wollen, gehe zulasten der Förderung der Bedürftigen, die wir auch wollen, völlig ins Leere.
Erstens erhalten 25 % der Studenten BAföG – ich hatte es erwähnt –, und das Stipendienprogramm hat nach einem schrittweisen Aufbau als Zielgröße nur 10 %.
Zweitens liegt das Stipendium mit 300 € im Monat nur halb so hoch wie der BAföG-Höchstsatz. Davon ist im Übrigen auch nur die Hälfte des Betrags aus Steuergeldern zu bezahlen. Die zweite Hälfte kommt von privater Seite.
Drittens wird das Stipendium nicht auf das BAföG angerechnet. Für die Bedürftigen, für diejenigen Stipendiaten, die aus diesen 25 % kommen, kommt es also on top, obendrauf.
Wir als Liberale haben immer dafür gestanden, dass Eigentum verpflichtet. Nur wollen wir deshalb nicht gleich enteignen.
Wer hat denn ein größeres Interesse an Fachkräften, an klugen Köpfen, an kreativen jungen Menschen als die Unternehmen in unserem Land? Außerdem gibt es auch Privatleute, ehemalige Absolventen, die erfolgreich sind und die etwas von diesem Erfolg zurückgeben wollen. Warum sollten wir sie nicht an der Finanzierung der Förderung der Besten beteiligen?
Als Staat unterstützen wir diese private Förderung und legen so zu jedem eingeworbenen Euro einen weiteren Euro obendrauf. Dabei ist auch klar, und das will ich betonen, dass die Auswahl der Besten alleine unter Leistungsaspekten durch die Hochschule selbst erfolgt. Das ist ein wichtiger Punkt.
Außerdem stellt das Programm sicher, dass kein Fach bei den Stipendien leer ausgeht. Auch dies begrüßen wir ausdrücklich. Wenn aber in manchen Fächern, in denen wir z. B. auf einen Fachkräftemangel zusteuern, relativ gesehen mehr Stipendien vergeben würden und das Studium in diesen Fächern so attraktiver würde, dann kann ich nicht erkennen, warum das verwerflich sein soll. Volkswirtschaftlich wäre das hoch sinnvoll.
Wer im Übrigen meint, Hochschulen und Arbeitsmarkt sollten völlig voneinander getrennt werden, der muss hier auch die Frage beantworten, wo die Studenten nach einem erfolgreichen Studium am Ende arbeiten sollen.
Meine Damen und Herren, es sind doch gerade solche positiven Netzwerke zwischen Alumni, den Ehemaligen, Stipendiengebern und den Aktiven, zwischen der Wirtschaft und der Wissenschaft, bei denen uns andere erfolgreiche Nationen voraus sind. Diesen Rückstand wollen wir wettmachen.
Ich bin deshalb zuversichtlich, dass sich genügend private Geldgeber finden werden, wenn man auf sie zugeht, wenn man ihnen das Gefühl gibt – auch das ist wichtig –, erwünscht zu sein, und wenn man mit kreativen Ideen kommt. Hier werden die autonomen Hochschulen ihre eigenen Wege gehen. Sie werden sie auch gehen müssen. Aber was wir von Landesseite tun sollten, ist, den Hoch
Natürlich wird der Umgang mit den Stipendien einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Hochschulen nach sich ziehen. Deshalb ist es gut und richtig, und wir begrüßen es ausdrücklich, dass 7 % der Stipendiensumme, am Anfang sogar ein weit höherer Sockelbetrag, den Hochschulen zusätzlich als Entschädigung für den Aufwand zur Verfügung gestellt werden. Keine Hochschule sollte sich die Teilnahme am Stipendienprogramm nicht leisten können. Bei meinen Gesprächen mit den Hochschulen habe ich eine große Bereitschaft erfahren, mit dabei zu sein.
Meine Damen und Herren, dass es die Landesregierung erreicht hat, beide Programme, die Erhöhung der BAföGSätze, über die ich gesprochen habe, und die Einführung des nationalen Stipendienprogramms,
gleichzeitig zu vertretbarem finanziellen Aufwand für dieses Land umzusetzen, das begrüße ich ausdrücklich. Die Aufteilung der Finanzierung – BAföG hälftig Bund und Land, Stipendien alleinig Bund – und im Rahmen dessen die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist schlicht als ein Teil der Verhandlungsstrategie zwischen Bund und Ländern zu betrachten.
Wichtig ist, dass am Ende ein Verhandlungskorb steht und dass in diesem Verhandlungskorb beide Entscheidungen enthalten sind – sowohl zum BAföG als auch zu den Stipendien. Beide Formen der Förderung sind am Ende zwei Seiten derselben Münze – einer Münze, mit der wir am Ende unsere eigene Zukunft bezahlen.
Meine Damen und Herren, Thomas Jefferson hat einst gesagt: Eine Investition in Bildung bringt immer noch die besten Zinsen. – Recht hat er. Deshalb investieren wir in Bildung und sorgen dafür, dass Hessen weiterhin vorne bleibt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Herren von der FDP, mein Glückwunsch zu Ihrem Mut, diesen Setzpunkt zu wählen. Das muss man sich erst einmal trauen.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Sie feiern ein Stipendienprogramm des Bundes, das die soziale Öffnung der Hochschulen keinen Schritt weiterbringt. Sie feiern ein Stipendienprogramm, das einmal als Mammutprojekt angedacht war und nun in winzigem
Umfang endete. Sie feiern ein Stipendienprogramm, an dem finanziell zu beteiligen Sie sich geweigert haben – zusammen mit fast allen anderen Bundesländern, außer Baden-Württemberg. Sie müssen schon in großer Not sein, wenn Sie hier keine eigenen Konzepte vorlegen können, die setzpunktfähig wären, und nach „Erfolgen“ der Bundesregierung greifen. Dann würde ich Ihnen aber empfehlen, sich wirkliche Erfolge der Bundesregierung zu suchen. Nehmen Sie hierfür nicht das Stipendienprogramm.
Das nationale Stipendienprogramm war einmal als starke Förderung angedacht, getragen in Kooperation vom Bund, den Länder und der Wirtschaft. 160.000 zusätzliche Stipendien waren angekündigt. Übrig blieben im Jahr 2011 – nachdem die meisten Länder, auch Hessen, sich weigerten, sich zu beteiligen – 10.000 Stipendien für ganz Deutschland. Das heißt, maximal 0,45 % der Studierenden einer Hochschule werden öffentlich gefördert – welch eine Gewinnchance. Vier bis fünf von 1.000 Studierenden an einer Hochschule haben 2011 die Chance, ein solches Stipendium zu ergattern.
Natürlich stellt sich die Frage: Werden es wirklich vier bis fünf von 1.000 Studierenden sein? Das ist nämlich Glückssache. Das Problem ist ja: Die Hochschulen müssen selbst Stifter finden. Sie müssen sie motivieren, zu spenden. Da wird es regional zu großen Unterschieden kommen. Es kommt natürlich darauf an, ob eine Universität in einer strukturschwachen oder in einer strukturstarken Region beheimatet ist. Für Hessen heißt das konkret: Die Universität in Fulda wird viel größere Probleme haben als z. B. die in Frankfurt.