Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

Herr Minister, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein. – Herr Kollege Schmitt, gehen Sie mit dem Begriff „täuschen“ bitte vorsichtig um. Täuschen heißt, dass ich irgendjemanden hinters Licht führen will. Hat denn diese Landesregierung und haben denn diese Fraktionen verschwiegen, dass wir natürlich auf die kommunale Solidarität setzen und in diesem Fall 50 Millionen € aus dem Kommunalen Finanzausgleich nehmen wollen? Haben wir das verschwiegen? Wo hat hier jemand getäuscht?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, seien Sie bitte vorsichtig. Das ist doch eine Verlotterung des politischen Stils. Das ist doch einer sachlichen Debatte im Hessischen Landtag nicht würdig. Das hat mit Täuschung nichts zu tun.

Wir spielen mit offenen Karten. Wir sagen: 50 Millionen € aus eigenen Mitteln und 50 Millionen € im Vorgriff aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Das haben Herr Kollege Thomas Schäfer und ich mit den Kommunalen Spitzenverbänden besprochen. Darüber sind wir uns doch im Klaren. Fangen Sie doch bitte nicht an, hier einen Täuschungsvorwurf zu konstruieren, der überhaupt nicht relevant und der gegenstandslos ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe das Argument, dass das Hilfe im Kommunalwahlkampf sei, schon vorher gehört. Ich gebe zu, dass ich von diesem Argument zutiefst überrascht war.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir, das ist in der Tat so.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, Herr Posch!)

Die Leute nehmen es als Selbstverständlichkeit hin, dass wir mit unserem Vermögen sorgsam umgehen und solche Schlaglöcher beseitigen. Glauben Sie, einer von uns würde eine Stimme mehr bekommen, weil wir so etwas Selbstverständliches machen?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist geradezu infam, zu behaupten, man könne auf diese Art und Weise eine Wählerstimme in die eine oder andere Richtung lenken.

Wir sorgen dafür, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich realisiert werden. Wir haben die sachliche Notwendigkeit dargestellt. Wir sagen, 20 Millionen € ausschließlich für die Landesstraßen, und das Gros dieses Anteils kommt den kommunalen Straße zugute, gerade weil wir wissen, dass bei den kommunalen Straßen dieser Bedarf besteht.

Deswegen hätte ich eine Bitte: Rüsten Sie in dieser Diskussion ein bisschen ab, und kommen Sie zur sachlichen Auseinandersetzung zurück. Denn die Kommunen haben es verdient, dass wir fair mit ihnen diskutieren, aber auch untereinander fair umgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich kann das schon verstehen, wenngleich mich die Art und Weise, wie Sie die Diskussion hier führen, wirklich ärgert. Ich sage Ihnen nur eines voraus: Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich den ersten sozialdemokratischen Abgeordneten dieses Hauses begrüßen darf, wenn wir gemeinsam ein kommunales Schlagloch beseitigen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schmitt, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das wird ja eine ganz interessante Debatte. Herr Minister Posch hat eben ausgeführt, dass ein starkes Land wie Hessen Schlaglöcher nicht hinnehmen kann. Das teilen wir übrigens. Er hat ausgeführt, es müsste jetzt ausgebessert werden, weil sich die Summe verfünffachen würde, wenn man ein Jahr warten würde. Herr Minister Posch, wenn das so ist, warum haben Sie letztes Jahr, als Forderungen an Sie gerichtet wurden – unter anderem hat der ehrenamtliche Dezernent des Vogelsbergkreises ein Schreiben an Sie verfasst, und der Kollege Görig hat es persönlich übergeben –, diese Forderungen abgelehnt mit dem Hinweis, Sie hätten keine Mittel? Was soll man denn dann vor Ort von Ihnen halten?

(Beifall bei der SPD)

Das ist in der Tat mehr als Täuschung: sich hier hinzustellen und zu sagen, wir könnten kein Jahr warten,

(Horst Klee (CDU): Täuschung? Frechheit ist das!)

aber vor einem Jahr, als die Schäden mindestens in genau demselben Umfang, wenn nicht stärker waren, es abzulehnen. Dann so zu tun, als hätte das nichts mit der Kommunalwahl zu tun, das ist mehr als Täuschung.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Horst Klee und Hartmut Honka (CDU))

Deswegen sage ich Ihnen: Ja, wir teilen das, dass Schlaglöcher schnell repariert werden sollen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben doch in Ihrem Koalitionsvertrag die Mittel gekürzt!)

Aber, meine Damen und Herren, warum haben Sie sich denn letztes Jahr verweigert? Wir haben doch mehrere Anfragen gestellt, auch ich für den Kreis Bergstraße, wo

Sie einmal auflisten sollten, wie teuer es ist, welche Schadenssumme aufgetreten ist. Sie haben nicht einmal die Schadenssumme aufgenommen, weil Sie Angst hatten, es darzustellen und zu veröffentlichen. Dann stellen Sie sich hin, man könne nicht ein Jahr warten, es würde fünfmal so teuer.

Ich stelle fest, mit dieser Haltung hat der Verkehrsminister verursacht, dass Schäden, die letztes Jahr aufgetreten sind, dieses Jahr für fünffache Kosten beseitigt werden müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Wil- ken (DIE LINKE))

Möglicherweise ist das auch der Hintergrund dieses Programms. Anders kann man das nicht mehr verstehen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was haben Sie denn gemacht? – Horst Klee (CDU): Lautsprecher!)

Interessant wird es unter dem Stichwort Verwendungsnachweis; der Kollege Kaufmann hat darauf hingewiesen. Ich frage Sie – das ist in diesem Gesetzentwurf ungeklärt –: Was ist eigentlich mit Altschäden, mit Schäden, die vor einem Jahr aufgetaucht sind? Wer unterschreibt von der kommunalen Familie den Verwendungsnachweis, dass die Mittel zweckgemäß eingesetzt worden sind? Der Gesetzentwurf bezieht sich auf Winterschäden aus diesem Jahr. Ich bin einmal gespannt, wer das, was Sie da vorhaben, guten Gewissens unterschreiben kann. Das wird eine weitere Debatte mit der kommunalen Familie werden.

(Horst Klee (CDU): Schlagloch!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich erhalte ich den Täuschungsvorwurf aufrecht. Tatsache ist, dass die Kommunen einen Großteil der Mittel dieses Programms selbst finanzieren. Es gibt dazu famose Pressemitteilungen von CDU-Abgeordneten. Die Anlage zu diesem Gesetzentwurf ist nur deswegen produziert worden, um vor Ort sagen zu können, diese Kommune bekommt diese Summe, und jene Kommune bekommt jene Summe. Die Begründung, die dafür genannt worden ist, wegen der Rechtsicherheit, ist so lächerlich, dass es für eine Landesregierung wirklich peinlich ist. Diese Anlage und dieser Gesetzentwurf wurden nur produziert, damit Sie entsprechende Pressemeldungen machen können.

Sehr interessant ist auch: In diesen Pressemitteilungen taucht an keiner Stelle auf, dass die Kommunen in erheblichem Umfang mitfinanzieren müssen. Es wird so getan, als sei das eine großzügige Geste des Landes. Deswegen sage ich: Jawohl, Herr Minister, es ist ein Rosstäuscherprogramm, es bleibt ein Rosstäuscherprogramm. Sie haben eben noch einmal deutlich gemacht, dass Ihnen die Winterschäden eigentlich egal sind. Als sie im letzten Jahr in erheblichem Ausmaß aufgetreten sind, haben Sie nichts getan. Der einzige Grund für diesen Gesetzentwurf ist die Kommunalwahl und die Beseitigung Ihrer politischen Schlaglöcher, die Sie in diesem Land hergestellt haben. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Horst Klee (CDU): Grober Unfug! Was ein Glück, dass niemand mehr auf der Tribüne sitzt, der den Schwachsinn hört!)

Das Wort hat nun Herr Abg. Kaufmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, wenn man schnell, man könnte auch sagen, hektisch etwas machen will, dass man dann das eine oder andere Häkchen, das darinstecken könnte, übersieht. Aber Sie sollten doch wenigstens dann, wenn Sie darauf hingewiesen werden, noch einmal in sich gehen und prüfen, ob das, was Sie vorschlagen, tatsächlich gut ist.

Sie vergessen bei Ihren neueren Manipulationen – erneuten Manipulationen, hätte ich sagen müssen – am Kommunalen Finanzausgleich, dass das natürlich Folgewirkungen hat. Wenn man die Summe von 50 Millionen € aus der Schlüsselmasse in eine besondere Finanzzuweisung transferiert und diese auch noch nach wieder neuen Kriterien, nämlich je zur Hälfte nach Fläche und Einwohnerzahl, an die Kommunen verteilt, dann vergisst man an dieser Stelle völlig die Finanzkraftbewertung, die ansonsten auf der Verteilung der Schlüsselmasse liegt. Damit schädigt man die Armen und hilft relativ den Reichen. Das sollte sich auch schon bis zur Landesregierung herumgesprochen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wenn mir vorgeworfen wird, ich würde nur nach dem Rhein-Main-Gebiet schauen, verehrter Kollege Rentsch, dann ist das nicht richtig. Nehmen Sie die Landkreise, die im Rhein-Main-Gebiet überwiegend nicht die großen Zahlungsempfänger und nicht die Flächenkreise mit den großen Straßenlängen sind. Die werden allesamt durch Ihr Programm erheblich geschädigt. Ihnen geht ein Betrag von mehr als 8 Millionen € insgesamt verloren.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das sind die Folgen. Dass man sich das vorher überlegen sollte, wenn man in den Finanzausgleich eingreift, finde ich nicht zu viel verlangt von einer Opposition, die Ihren mit so viel Getöse vorgetragenen Gesetzentwurf an dieser Stelle völlig zu Recht kritisiert.

Sie haben jetzt noch bis morgen Mittag Zeit, dann hören Sie die Kommunalen Spitzenverbände. Danach soll der Ausschuss sein Votum abgeben. Aber wir können das notfalls auch direkt ins Plenum verlagern. Ich kann Sie nur dringlich darum bitten, noch einmal nachzurechnen. Unsere Rechnungen sind leider richtig, und wir haben nicht das Interesse, den Kommunen tatsächlich Schaden zuzufügen.

Jetzt will ich noch zu dem zweiten Punkt kommen, da sich der verehrte Herr Staatsminister so aufgeregt hat, dass wir von Mogelpackung und ähnlichen Dingen gesprochen haben. Verehrter Herr Staatsminister, ich habe vor mir die gemeinsame Presseinformation von Finanzminister Dr. Schäfer und Wirtschaftsminister Posch vom 21. Februar 2011, Überschrift: „Gesetzentwurf zur Behebung von Winterschäden an Straßen auf den Weg gebracht“. Dort ist vieles Schöne ausgeführt, unter anderem auch, wie viele Mittel zur Verfügung gestellt werden: „... wollen wir das... Sonderprogramm mit einem Volumen von 100 Millionen € auflegen“, steht da. Dann wird alles Mögliche dargestellt.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

An keiner Stelle – sonst zeigen Sie sie mir bitte – in dieser Presseerklärung von eineinhalb Seiten ist die Rede davon, dass die Hälfte dieses 100-Millionen-€-Programms zulasten kommunaler Mittel finanziert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wenn man dies eine Täuschung nennt, denke ich, dann hat man die Wahrheit auf seiner Seite, und Sie haben es nicht. – Danke schön.