Sie liegen gar nicht vorn. Ich würde es Ihnen gönnen, wenn Sie vorne lägen. Aber das tun Sie leider nicht.
Lassen Sie uns die Statistik einmal genauer betrachten. Sie alle kennen die scherzhafte Bemerkung: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Herr Innenminister, dabei geht es nicht darum, die konkreten Zahlen in Abrede zu stellen oder zu hinterfragen, sondern es stellt sich die Frage, wie man mit den erhobenen Daten und Fakten umgeht.
Leider erleben wir wie in den Jahren zuvor eine sehr einseitige Vorstellung der Straftaten in Hessen. Von einer umfassenden Darstellung in der Öffentlichkeit war keine Rede. Der Innenminister hat entschieden, was für ihn positiv wirkt, und das hat er veröffentlicht. Meine Damen und Herren, ein Schelm, der angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl dabei Böses denkt.
Aber wir sind das aus den Jahren vom heutigen Ministerpräsidenten Bouffier als Innenminister gewohnt. Sie erinnern sich daran, dass es pünktlich vor allen Landtagswahlen immer einen kleinen Auszug aus den ach, so erfolgreichen Kriminalitätsstatistiken in Hessen gab. Damals lagen noch nicht einmal die gesamten Zahlen vor. Herr Innenminister, das ist heute zum Glück anders, aber eben auch nur abrufbar im Internet und uns nicht vorgelegt.
Bemerkenswert ist die Darstellung der Kriminalitätsstatistik in der Presselangfassung. Herr Rhein, Sie haben auf Seite 4 eine Übersicht über die Deliktsbereiche gemacht, wo es eine Abnahme von Delikten gab. Das sind neun Stück. Dann haben Sie eine Übersicht gemacht, bei wie vielen Delikten es einen Anstieg gab, also mehr Straftaten. Das sind nur vier. Jetzt sage ich Ihnen einmal: Das ist die Art der Darstellung, die Sie falsch machen und wie Sie den Bürgern etwas vormachen. Sie haben nämlich großzügig darauf verzichtet, die Zunahme der Straftaten in folgenden Bereichen aufzuführen.
Bei der Wirtschaftskriminalität eine Steigerung von 18,9 %, beim Computerbetrug eine Steigerung um 23 %, Zunahme der Straftaten gegen das Leben um 1,5 %, Steigerung der Sexualdelikte um 5 %, bei Raubüberfällen auf Kraftfahrer eine Steigerung von 23,5 %, bei Waffenkriminalität eine Steigerung von 5 % – Herr Innenminister, damit liegen Sie schon nicht mehr in einem Verhältnis von 9 : 4, sondern 11 : 9. So kann man die Kriminalitätsstatistik darstellen. Und das tun Sie hier in völlig falscher Weise.
(Beifall bei der SPD – Abg. Günter Rudolph (SPD), zu Minister Boris Rhein gewandt: Oder zweifeln Sie die Zahlen an?)
Die Aussage des Innenministers von erfolgreicher Sicherheitspolitik ist angesichts dieser Steigerungen nicht richtig. Es ist eben gerade nicht alles in Hessen in Ordnung mit der Sicherheitsarchitektur. Insbesondere ist die Steigerung um 16,3 % beim Wohnungseinbruch alarmierend. Darauf hat der Innenminister heute hingewiesen.
Das kann man nicht einfach so abtun. Wohnungseinbrüche hinterlassen bei den Opfern schwere Schädigungen.
Es wird in ihren intimsten Wohnbereich, in ihre persönliche Sphäre eingedrungen. Angesichts dieser Steigerungszahlen muss man Defizite hinterfragen und klären, ob die politische Spitze des Innenministeriums bei der Entwicklung von Bekämpfungsstrategien die richtigen Maßstäbe angelegt hat bzw. ob es sich auch hier um ein Deliktfeld handelt, bei dem sich der seit Jahren betriebene Personalabbau zusätzlich bemerkbar macht.
16,3 % Steigerung bei den Wohnungseinbrüchen – lassen Sie mich mit den Worten von Boris Rhein sagen: Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger ganz konkret und ganz praktisch spüren und erleben, wenn es um die Sicherheit in Hessen geht. – Meine Damen und Herren, eine Steigerung der Wohnungseinbrüche haben die Bürgerinnen und Bürger von diesem Innenminister.
(Beifall bei der SPD – Wolfgang Greilich (FDP): Eieiei! – Zuruf des Abg. Fritz-Wilhelm Krüger (FDP))
Herr Krüger, ich sage auch, dass man etwas Entscheidendes bewirken kann. Ich nenne unseren Heimatkreis, den Main-Taunus-Kreis. Der hat gestern seine Kriminalitätsstatistik der Presse vorgestellt und konnte im Bereich des Wohnungseinbruchdiebstahls eine Senkung der Straftaten erreichen. Ich sage Ihnen auch, warum.
ja, das ist Hessen –, der auf präventive Arbeit sehr viel Wert gelegt, alle Präventionsräte in allen zwölf Städten wieder aufgebaut und Sicherheitsveranstaltungen gemeinsam mit allen Städten und Gemeinden gemacht hat. Es waren über 1.000 Besucherinnen und Besucher da. Die Polizei geht vor Ort durch Wohngebiete, um den Leuten aufzuzeigen, was sie an präventivem Schutz an ihren Häusern machen können.
Herr Innenminister, das sind Konzepte, die man zur Vermeidung von Wohnungseinbrüchen machen kann. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem CDU/FDP-geführten Landkreis Main-Taunus, und tun Sie etwas.
Stellen Sie sich nicht hierhin, wie Sie es heute getan haben, und machen die Straßen, verschiedene Banden und die Verkehrsanbindung dafür verantwortlich, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche gestiegen ist. Es liegt in Ihrem Verantwortungsbereich.
Das Ergebnis ist leider, dass die Anzahl der Wohnungseinbrüche – Frau Lannert, damit müssen Sie leben – in Hessen mit 9.974 Fällen wieder einen Spitzenwert erreicht hat und noch deutlich über dem Jahreshöchstwert der letzten sechs Jahre von 9.665 aus dem Jahre 2005 liegt. Diese Zahlen wurden uns heute nicht vorgestellt.
Ich bin sicher, dass auch der Personalabbau und noch Folgendes hinzukommen, was Sie hätten beeinflussen können. Sie hatten Sonderermittlungsgruppen – sowohl in Wiesbaden als auch im Frankfurter Polizeipräsidium, AG Domus. Die haben Sie alle wieder aufgelöst und in den Regelbetrieb integriert, in Frankfurt in K 32. Das heißt, es gibt keine Sondereinheiten mehr, die sich nur mit den Wohnungseinbrüchen beschäftigen.
All das liegt in Ihrem Verantwortungsbereich. Tun Sie nicht so, als ob Sie das nicht beeinflussen könnten. So viel zur erfolgreichen Sicherheitspolitik dieser Landesregierung. Hören Sie auf, den Menschen vorzumachen, es sei alles sicherer geworden.
Bei der Bekämpfung der Computerkriminalität hat sich der Innenminister in erster Linie mit der Unterstützung des Bundeszentrums gelobt und darüber hinaus die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung bedauert. Angesichts einer Steigerung der Zahl der Deliktfälle in diesem Bereich um 800 bei gleichzeitigem Rückgang der Aufklärungsquote und der zunehmenden Bedeutung, die das Internet und die PC-Nutzung im Alltag einnehmen, ist ein solcher Umgang mit der Internetkriminalität völlig ungenügend.
Auch hier zeigt sich letztlich die Konzeptionslosigkeit dieses Ministers. Herr Innenminister, statt sich darauf zu beschränken, den leichtfertigen Umgang der Bevölkerung mit den eigenen Internetdaten zu beklagen, wäre es zielführender gewesen, wenn Sie heute hier offensiv erklärt hätten, die hessische Polizei durch weitere IT-Experten vor Ort zu verstärken
und auch Ihre Position zur Vorratsdatenspeicherung klarzumachen. Sie waren im Ausschuss nicht einmal in der Lage, unserem Antrag zuzustimmen. Sie waren nicht in der Lage, eine Formulierung der gemeinsamen Positionen dieser Landesregierung hinzubekommen. Herr Innenminister, Sie haben uns recht gegeben, der Datenschutzbeauftragte auch. Aber dieses Haus ist Ihnen leider nicht gefolgt. Dazu sind Sie heute die Antworten schuldig geblieben.
Der Minister hat bei seiner Präsentation die über 20 % liegende Steigerung bei den Korruptions-, Amts- und Wettbewerbsdelikten völlig ausgeblendet. Angesichts dieser eklatanten Erhöhung der Zahl der Delikte ist es völlig unverständlich, dass die Mehrheitsfraktionen dieses Hauses unserem Korruptionsbekämpfungsgesetz nicht zustimmen. Viel schlimmer noch: Sie haben sich im Wirtschaftsausschuss – ich war bei der Anhörung – nicht einmal inhaltlich beteiligt. Es gab nicht eine einzige Frage. Dabei hat es das hessische Finanzministerium – Herr Dr. Schäfer, ich sage das ausdrücklich – begrüßt, wenn es eine gesetzliche Grundlage in diesem Bereich gäbe. Aber die Mehrheitsfraktionen haben sich leider nicht beteiligt.
Es gibt also auch hier enorme Defizite im Sicherheitsbereich, die gerade große volkswirtschaftliche Schäden verursachen, derer Sie sich nicht annehmen und zu denen Sie heute noch nicht einmal etwas gesagt haben.
Bedenklich ist auch der Versuch des Ministers, durch seine schriftliche Presseerklärung der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass es zu einer Verbesserung der Gesamtsituation bei der Kriminalitätsentwicklung im Jahre 2010 in besonderer Weise durch den Einsatz von Kennzeichenlesegeräten gekommen sei. Und das ist so, obwohl Sie heute wieder gesagt haben, dass die Kennzeichenlesegeräte erst ab dem 01.01.2011 überhaupt wieder in Betrieb sind. Da frage ich mich doch: Wie kann ein Einsatz technischer Mittel, der erst 2011 begonnen hat, auf die Kriminalitätsstatistik von 2010 Auswirkungen haben? Mit Verlaub,
Herr Innenminister, das erinnert doch ein bisschen an die Argumentation Ihres heute zurückgetretenen Verteidigungsministers.
Dass der Minister dabei dann auch noch die verfassungsrechtliche Problematik der Erfassung von Fahrzeuginsassen ausblendet, ist ein weiteres Beispiel für die Ignoranz dieses Innenministers.
Gleiches gilt für seine Ausführungen zum Bereich der politisch motivierten Gewalt. Sie haben das heute wieder wie in der Pressekonferenz gemacht. In der Vergangenheit hat sich Ihr Vorgänger oft mit großen Mühen des Vorwurfs erwehren müssen, anhand seiner Darstellungen zur rechten Szene überhaupt nichts zu sagen. Das machen Sie zum Glück anders, Herr Rhein. Sie erwähnen das zumindest und sagen, dass es im rechten Bereich Probleme gibt und dass es dort auch Präventionsprojekte gibt, die wir ausdrücklich mit unterstützen.
So weit, so gut – könnte man sagen, wenn Sie sich aber darauffolgend polemisierend verfälschende Ausführungen zu Gewalttaten des linken Spektrums gespart hätten. Warum machen Sie das? – Die von Ihren Fachleuten vorbereitete Darstellung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik steht in diametralem Gegensatz zu dem, was Sie dazu gesagt haben, Herr Innenminister.
Der Innenminister hat 684 Fälle der rechten Szene genannt. Demgegenüber stehen 216 Fälle der linken Szene. In der PKS ist auch noch zu verzeichnen, dass dort ein Rückgang von 64,1 % besteht. Was bitte hat denn aus Ihrer Sicht dazu geführt, heute so zu tun, als wäre das linke Spektrum das gefährlichere, wenn das nur ein Drittel der Straftaten sind und ein großer Rückgang der Delikte in diesem Bereich zu verzeichnen ist? Was bitte hat Sie dazu berufen, das heute hier so darzustellen?
Und ich sage Ihnen eines, Herr Innenminister: Ein seriöser Umgang mit politisch motivierter Gewalt sieht anders aus. Sie erwecken damit den Eindruck, dass das Problem rechts keines sei, links aber durchaus. Das ist in diesem Bereich tatsächlich eine gefährliche gesellschaftliche Auseinandersetzung, weil Sie einen Bereich verharmlosen. Herr Innenminister, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Der leichte Rückgang bei der Jugendkriminalität stimmt uns – vielleicht ebenso wie Sie, auch wenn Sie heute nichts dazu gesagt haben – verhalten optimistisch. Sicherlich werden die beiden neu eröffneten Häuser des Jugendrechts hierzu einen positiven Beitrag leisten. Denn es ist entscheidend, Herr Justizminister, dass die Jugendlichen sehr schnell eine Reaktion auf ihr Fehlverhalten erhalten und eine individuelle Lösung für sie gefunden wird. Wir freuen uns, dass eine sozialdemokratische Idee in Hessen endlich umgesetzt wurde.