Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

ist eben kein Spitzenplatz. Das müssten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, man braucht doch hoffentlich nicht darüber zu streiten, dass sich alle in diesem Hause freuen, dass die Zahl der Straftaten in Hessen sinkt und die Aufklärungsquote steigt. Aber eines ist doch auch klar, Herr Innenminister: Sie sollten die Kirche im Dorf lassen – um es mit den Worten eines Altkanzlers zu sagen – und die hessischen Zahlen in die Zahlen der anderen Bundesländer einordnen. Hessen ist nicht auf einem Spitzenplatz, was die Aufklärungsquote angeht. Hessen ist bestenfalls Mittelmaß. Hessen steht – ich habe es eben schon gesagt – auf Platz 7 im Vergleich der Bundesländer für das Jahr 2009.

Herr Innenminister, wenn Sie die Kriminalitätsstatistik 2010 und die Kriminalitätsstatistik 2009 des Bundes vergleichen, sehen Sie, dass das Bundesland Hessen immer noch auf Platz 7 steht. Das heißt, auch die anderen Bundesländer haben offensichtlich in diesem Bereich zugelegt – nicht nur CDU-regierte Länder. Ich will Ihnen die Zahlen im Einzelnen nennen; vielleicht nehmen Sie sie dann zur Kenntnis. Thüringen steht mit einer Aufklärungsquote von 65,1 % auf Platz 1. Bayern steht mit einer Aufklärungsquote von 63,9 % auf Platz 2, RheinlandPfalz mit einer Aufklärungsquote von 62,3 % auf Platz 3. Auf Platz 4 folgt Niedersachsen mit einer Aufklärungsquote von 60 %. Mecklenburg-Vorpommern hat eine Aufklärungsquote von 59,6 %. Auf Platz 6 finden wir Baden-Württemberg mit einer Aufklärungsquote von 59,4 %. Erst auf Platz 7 steht das Bundesland Hessen mit einer Aufklärungsquote von 58,7 %. Herr Innenminister, das sind die Fakten, wenn Sie die Aufklärungsquoten bundesweit vergleichen. Reden Sie bitte nicht davon, dass Hessen bei der Aufklärungsquote einen Spitzenplatz einnehme. Wir sind Mittelmaß, und das sollten Sie der Öffentlichkeit auch so sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, bei der Häufigkeitszahl greifen Sie einfach eine Zahl und behaupten: Wenn man unter 7.000 ist, dann ist man gut. – Das sagen auch Kriminalisten. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. An dem Punkt brauchen wir uns nicht zu streiten. Es gibt andere Punkte, da können wir uns trefflich streiten. Aber auch hinsichtlich der Häufigkeitszahl nimmt Hessen keinen Spitzenplatz ein. Bayern steht mit einer Häufigkeitszahl von 5.073 auf Platz 1. Es folgen Baden-Württemberg mit 5.387 und Thüringen mit 6.116. Erst dann kommt das Bundesland Hessen mit 6.629 Fällen, bezogen auf 100.000 Einwohner.

(Horst Klee (CDU): Das ist bei 16 Ländern ein Spitzenplatz!)

Das ist Platz 4. Auch das ist kein Spitzenplatz. Noch einmal der Hinweis an Sie als Sportminister. Im Wintersport sagt man: Wenn man auf dem „Stockerl“ ist, also wenigs ten Platz 3 hat, dann ist man in der Spitzengruppe. Der Platz 4 gehört nicht mehr zur Spitzengruppe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Fast alle Bundesländer – um auch das noch einmal einzuordnen – hatten im Vergleich zu 2008/2009 höhere Aufklärungsquoten. Herr Kollege Klee, verehrter Herr Vorsitzender des Innenausschusses, das ist erfreulich. Ich bin im Übrigen gespannt, wie die PKS 2010 auf Bundesebene aussehen wird. Noch einmal: Lassen Sie die Kirche im

Dorf, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. Ich bin sehr dafür, dass wir an diesem Punkt die unterschiedlichen inhaltlichen Herangehensweisen diskutieren; aber Sie sollten hier nicht den Versuch unternehmen, die Statistiken so auszulegen, wie Sie es gerade brauchen. Frau Kollegin Faeser hat vorhin angesprochen, dass Sie die eindeutige Zunahme der Zahl der Straftaten in gewissen Bereichen ganz einfach verschwiegen haben. So sollten Sie mit Statistiken nicht umgehen, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Noch eines, weil Sie mit Verve auf die ehemalige rot-grüne Regierung geschimpft und einen Vergleich zu den Aufklärungsquoten unter der alten Regierung gezogen haben: Wir reden hier immerhin über ein anderes Jahrhundert. Sie haben 1999 die Regierung übernommen. Dass Sie sich immer noch an diesen Regierungen abarbeiten müssen, spricht für sich. Herr Innenminister, auch da sollten Sie von Ihrem hohen Ross herunterkommen.

Als Frankfurter kennen Sie den ehemaligen Oberbürgermeister Frankfurts und späteren Hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann: 1991, am Ende der Regierung Wallmann/Gerhardt – das war bekanntlich eine CDU/FDP-Regierung –, hatten wir eine Aufklärungsquote von 38,8 %. Diese Zahl lassen Sie sich jetzt bitte auf der Zunge zergehen; das war nämlich nicht unter RotGrün.

Wenn Sie sich also auf die Neunzigerjahre berufen und sozusagen einen Vergleich mit alten Zeiten anstellen, bitte ich Sie, doch auf die Verantwortung zu verweisen, die Sie seinerzeit hatten. Herr Innenminister, mit einer Aufklärungsquote von 38,8 % sehen Sie da nämlich relativ schlecht aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Fakt ist auch, dass wir in den zehn Jahren von 1990 bis 2000 eine Steigerung der Aufklärungsquote um 10 Prozentpunkte hatten: von 38,4 % auf 48,6 %. Zwischen 2000 und 2010 gab es wiederum eine Steigerung der Aufklärungsquote um fast 10 Prozentpunkte. Bleiben Sie also auf dem Teppich, und nehmen Sie die Zahlen so, wie sie sind. Es sind keine Zahlen, die Ihnen zu Jubelorgien Anlass geben sollten.

Herr Innenminister, ein eher jämmerliches Bild geben Sie ab – ich weiß, dass Sie in der Auseinandersetzung auch anders können –, wenn Sie davon reden, die Opposition habe kübelweise Dreck über die hessische Polizei ausgegossen. Es zeugt von einer ziemlichen Chuzpe, wenn man das hier so vorträgt. – Das ist der erste Punkt.

Ich sage ganz deutlich – vielleicht auch zum Mitschreiben –: Wir haben die Landesregierung kritisiert. Wenn es darum geht, die Führungskultur innerhalb der Polizei und den Umgang mit dem Personal zu kritisieren, ist das nicht gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet, sondern wir meinen die Landesregierung. Herr Innenminister, das ist Ihre ureigene Verantwortung. Tun Sie nicht so, als ob wir hier die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschimpfen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Ja, wir haben Probleme mit der Führung und im Umgang mit Konflikten in der Polizei. Das ist hinlänglich bekannt. Herr Innenminister, es ist unsere Aufgabe, diese

Schwierigkeiten anzusprechen. Ihr Problem ist es, dass Sie wieder Ursache und Wirkung verwechseln.

Herr Innenminister, Sie haben doch, noch als Staatssekretär – auch im Innenministerium –, auf dem Gewerkschaftstag der GdP von Problemen in der Führungskultur der hessischen Polizei gesprochen. Das waren Sie. Sie wurden nicht genötigt, darüber zu reden. Vielmehr haben Sie sich entschlossen, über die mangelnde Führungsqualität zu sprechen. Herr Innenminister, das haben Sie aus freien Stücken getan, eben weil es Probleme in der Führungskultur der hessischen Polizei gab. Es war also nicht die böse Opposition, sondern Sie waren derjenige, der das auf dem Gewerkschaftstag vorgetragen hat.

Sie haben den Landespolizeipräsidenten Nedela hinausgeschmissen. Warum denn? Haben Sie ihn hinausgeschmissen, weil alles gut war, weil alles in Ordnung war, weil es keine Probleme gab und weil Sie Herrn Nedela mehr Freizeit verschaffen wollten? Warum haben Sie den Landespolizeipräsidenten entlassen? Sie haben ihn entlassen, weil es offensichtlich Probleme gegeben hat. Das ist doch nichts, was die Opposition für sich reklamieren muss. Sie sagen, dass wir kübelweise Dreck über die Polizei ausschütten. Dabei haben Sie den Landespolizeipräsidenten entlassen. Es ist doch geradezu grotesk, deswegen die Opposition zu beschimpfen.

Sie persönlich haben die LKA-Präsidentin von ihren Aufgaben entbunden und ins Innenministerium befördert

(Allgemeine Heiterkeit)

nein, beordert. Auch das war nicht die böse Opposition. Sie haben sie doch nicht zurückbeordert, weil die Mitglieder der Opposition so schöne Augen haben, sondern Sie haben das getan, weil es in diesem Zusammenhang offensichtlich Probleme gab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen; denn es wird so getan, als redeten wir über Lappalien: Wir reden über ernsthafte Vorwürfe gegen eine Frau auf der obersten Führungsebene der hessischen Polizei. Es stand der Vorwurf im Raum, dass gezielt gemobbt wird, dass vor Gericht uneidliche Falschaussagen gemacht wurden und dass von der ehemaligen Vizepräsidentin des Polizeipräsidiums Frankfurt und späteren LKA-Präsidentin Unschuldige verfolgt wurden. Herr Innenminister, das sind doch keine Lappalien, und es sind auch keine Kübel voll Dreck, die die Opposition über die Polizei ausschüttet, sondern das sind ernsthafte Probleme. Sie wären gut beraten, wenn Sie endlich die Probleme angingen, statt laufend die Opposition zu beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das ist ein Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen: Das wurde zuerst lange Zeit geleugnet. Das haben nicht Sie gemacht – da muss ich Sie ausnahmsweise in Schutz nehmen –, sondern dafür war der jetzige Ministerpräsident verantwortlich. Dann wurde es kleingeredet, später wurde es vertuscht, und erst, als es nicht mehr zu halten war, waren es wiederum Sie als Innenminister, verehrter Herr Rhein, der sich das zu Herzen genommen und einen Beauftragten für die hessische Polizei berufen hat. Das hat auch nichts damit zu tun, dass die Opposition kübelweise Dreck ausschüttet, sondern es sind Sie, die auf diese Art und Weise gehandelt haben.

Wenn man sich diese Probleme einmal nacheinander anschaut, erkennt man, dass sie nicht von der Opposition herbeigeredet worden sind, sondern dass es um eklatante Probleme auf der Führungsebene der hessischen Polizei ging. Sie haben gehandelt, weil es diese Probleme gab, und nicht etwa, weil die Opposition kübelweise Dreck über die Polizei ausgeschüttet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt die Opposition zu beschimpfen, sollten Sie sich lieber einmal fragen, was für ein Haus Ihnen Ihr Vorgänger hinterlassen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wer war eigentlich Staatssekretär in diesem Haus?)

Verehrter Herr Innenminister, ich stimme dem, was Sie zur Kriminalstatistik gesagt haben, ausdrücklich zu, nämlich dass die Polizistinnen und Polizisten in Hessen hervorragende Arbeit leisten. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie sagen, die Bilanz sei zugleich die Bilanz jedes einzelnen Polizeibeamten in Hessen. Es stimmt nämlich in der Tat: Die Polizei leistet gute Arbeit – aber nicht wegen, sondern trotz dieser Landesregierung, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schwelgen in Erinnerungen und verweisen auf die alten Zeiten unter Rot-Grün: alte Autos, alte Schreibmaschinen. Ich wundere mich, dass Sie behaupten, die Computertechnologie hätte eingeführt werden müssen, als sie eigentlich noch gar nicht für den Einsatz bereit war. Ich kann mich noch an Atari-Computer und an all das, was es sonst noch gegeben hat, erinnern.

Aber das ist etwas, was Sie machen sollten. Herr Innenminister, wie toll Sie beim Einsetzen moderner Elemente sind, erkennt man an der Einführung des Polizeifunks. Sie können doch froh sein, dass die alten Gurken von Funkgeräten noch funktionieren; denn eigentlich sollten wir schon seit 2006 in Hessen einen Digitalfunk haben. Aber Sie schaffen es wegen Ihres dilettantischen Vorgehens im Innenministerium nicht, diesen Polizeifunk endlich in Hessen zu implementieren. Das sind die Probleme, um die Sie sich einmal kümmern sollten, statt die Opposition im Hessischen Landtag zu beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Technikfeindlich!)

Eines muss auch klar sein, wenn Sie auf die Vergangenheit rekurrieren – ich hatte Sie eigentlich als jemanden gesehen, der nach vorne schaut; aber vielleicht muss man nach hinten schauen, um dann den Blick nach vorne richten zu können –: Einer der größten Reformschritte bei der hessischen Polizei war die Einführung der zweigeteilten Laufbahn. Herr Innenminister, Rot-Grün hat die zweigeteilte Laufbahn in Hessen gegen den erbitterten Widerstand des damaligen CDU-Landesvorsitzenden und Innenministers Manfred Kanther eingeführt. Das war ein Reformprojekt von Rot-Grün. Das sollten Sie nicht immer verschweigen, wenn Sie über alte Autos und alte Schreibmaschinen reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Florian Rentsch (FDP): Jetzt wieder etwas von heute!)

Herr Kollege Rentsch, ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Aber dieser Innenminister hat über die Vergangen

heit geredet: über das Jahr 1990 und über die Verantwortung von Rot-Grün. Dann müssen Sie es sich auch gefallen lassen, dass wir sagen, wie es seinerzeit war und wer mit den großen Reformen in der hessischen Polizei angefangen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Peter Beuth (CDU): Der Computer war lange erfunden, als Sie die Schreibmaschinen übergeben haben!)

Der Herr Innenminister hat stichwortartig das Thema Videoüberwachung angesprochen.

(Peter Beuth (CDU): Der Computer war lange erfunden, als Sie die Schreibmaschinen übergeben haben! Schutzwesten gab es auch schon!)

Ja, der Herr General ist auch wieder da; man hört es. Der Generalsekretär der hessischen CDU funktioniert so, weil der ehemalige Generalsekretär der CDU sozusagen als Souffleuse neben ihm sitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte etwas zu dem Stichwort Videoüberwachung sagen. Wir wollen keine Videoüberwachung des gesamten öffentlichen Raums. Es gibt Stellen, an denen es durchaus sinnvoll sein kann, Videoüberwachung zu haben. Das gilt beispielsweise für Bahnhöfe, Flughäfen und U- und SBahnstationen. Auch an dem einen oder anderen öffentlichen Platz mag das sinnvoll sein. Dann sollte das aber zeitlich befristet und deutlich gekennzeichnet sein. Das ist im Übrigen auch eine Forderung des Hessischen Datenschutzbeauftragten.

Wir wollen nicht, dass an jeder Hausecke eine Videokamera hängt. Der allergrößte Teil der Menschen sind nämlich unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, die wir nicht der Maßnahme der staatlichen Videoüberwachung aussetzen wollen. Herr Innenminister, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Denn Sie stellen die Nutzung dieses Instruments permanent in den Raum.