Wir sind jedenfalls jederzeit bereit, über eine Verbesserung der Regelungen zu sprechen – aber auf der Basis einer gesicherten Evaluation, nicht auf der Basis von Gerüchten und Behauptungen. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Verantwortliche ganz genau weiß, wie eine freihändige Vergabe zu erfolgen hat und wie Transparenz und Wettbewerb auszusehen haben. Ich wiederhole es noch einmal: Wir sind die Partner der Kommunen, wir sind die Partner des Mittelstandes und damit der Menschen in diesem Land.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bereits 2007 hat der Hessische Landtag darüber debattiert, auf welch fragwürdige Art und Weise die Landesregierung die Organisation und Vermarktung ihrer Events an die Agentur „Zoffel Hoff Partner“ vergeben hat. Wir erinnern uns: Der damalige CDU-Abgeordnetenkollege Volker Hoff war bei „Zoffel Hoff Partner“ Geschäftsführer. Mittlerweile ist Herr Zoffel rechtskräftig verurteilt, und Volker Hoff ist weder Abgeordneter noch Minister.
Im November 2010 wurden Unregelmäßigkeiten im Vergabeverfahren zu IT-Aufträgen und Beschaffungen im Polizeibereich bekannt. Minister Dr. Schäfer musste eine rechtswidrige Vergabepraxis der Landesregierung eingestehen.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Reden wir noch vom gleichen Thema? – Holger Bellino (CDU): Zu was reden Sie denn? – Weitere Zurufe von der CDU)
Hören Sie doch zu, dann können Sie Ihre Frage selbst beantworten. – Zurück zu den Vergaben. Bei dem Fall, den ich gerade beschrieben habe, wurden Aufträge an den CDU-Freund Georgi vergeben – und zwar ohne Ausschreibung.
Das sind Tatsachenberichte, Herr Bellino. Es tut mir leid. – Kurz danach wurden Beschaffungen für den Aufbau des BOS-Digitalfunks, wiederum ohne Ausschreibung, an die Firma Goetzfried vergeben. Zufälligerweise
sitzt der Kollege Christean Wagner, CDU-Fraktionsvorsitzender, im Aufsichtsrat just dieses Unternehmens.
Interessant wird es allerdings, wenn man weiß, dass die Landesregierung die Regelung, die für die Abwicklung der Konjunkturprogramme befristet gegolten hat, beibehalten will. Das bedeutet, weiterhin dürfen Aufträge bis 100.000 € ohne Ausschreibung vergeben werden. Frau Kollegin Lannert, wenn Sie so viel Ahnung haben, wie Sie hier immer gerne darstellen,
dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass 85 % der Aufträge der öffentlichen Hand für unter 10.000 € vergeben werden. Das ist keine Zahl, die wir uns aus den Rippen geschnitten haben, sondern ein Wert, den die Arbeitgeberverbände veröffentlicht haben. Sie können es wahrscheinlich noch irgendwo nachlesen.
Kommunen und Landesbehörden dürfen in Zukunft selbst entscheiden, ob sie Transparenzvorschriften des Vergaberechts anwenden wollen oder nicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der damalige Finanzminister Weimar hatte angekündigt, die Auswirkung der gelockerten Regelung zum Vergaberecht zu überprüfen und dem Landtag darüber zu berichten. Herr Weimar ist nun kein Minister mehr, und seine Versprechungen sind wohl vergessen. Die Lockerung des Vergaberechts soll beibehalten werden, denn Ministerpräsident Bouffier sind – Zitat – „keine Verstöße bekannt geworden“. Das konnten wir der Presse entnehmen. Meine Damen und Herren, so weit sind wir in Hessen schon: Es wird nicht mehr evaluiert, sondern man folgt den Einschätzungen des Ministerpräsidenten.
Die SPD-Fraktion hingegen hat einen Korruptionsbekämpfungsgesetzentwurf vorgelegt, der umfassende und verbindliche Transparenzregelungen vorsieht. Wir haben außerdem einen Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetzentwurf eingebracht, der einen fairen Wettbewerb regeln würde. Dieses Gesetz würde kleine und mittlere Unternehmen und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Dumpingkonkurrenz schützen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Unpraktikable Vorschläge! Frau Lannert, wir reden über eine Mittelstandspolitik, die solidarisch und gerecht ist. Wir wollen das Vergabeverfahren umfassend regeln. Wir schlagen vor, schwarze Schafe im Internet zu veröffentlichen. Das hätte übrigens, nebenbei bemerkt, auch eine abschreckende Wirkung – ich hoffe, auch für die Hessische Landesregierung. (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU)
Wir wollen soziale und ökologische Vergabekriterien vorschreiben. Wir stellen nun fest – ich muss zugeben, das freut uns sehr –, dass das Finanzministerium angekündigt hat, künftig strengere Vorschriften für die Vergabe von öf
fentlichen Aufträgen anzuwenden. Ökologische und soziale Anforderungen der ILO-Kernarbeitsnormen sollen künftig in der Vergabe umgesetzt werden. Hierzu die Fußnote – ich habe sie nicht vergessen –: Stellungnahme zum Hessischen Korruptionsgesetz, 10. Februar 2011.
Der damalige Minister Banzer hat 2008 angekündigt, das Hessische Vergabegesetz, das mit der europäischen Rechtslage nicht vereinbar ist, überarbeiten zu wollen. Herr Banzer ist ebenfalls kein Minister mehr, und so warten wir immer noch auf ein Vergabegesetz, das rechtskonform ist.
Wir Sozialdemokraten haben bereits im vergangenen Jahr ein umfassendes Korruptionsbekämpfungsgesetz sowie ein Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz vorgelegt. Auf die entsprechenden Entwürfe der Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP warten wir immer noch. Meine Damen und Herren, ich bin sehr gespannt, wann das Warten endlich ein Ende hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber in Deutschland. Deshalb werden bei der öffentlichen Vergabe Standards für das gesamte Wirtschaftsleben gesetzt. Hierin liegt eine besondere Verantwortung. Die öffentliche Vergabepraxis muss berücksichtigen, ob Umweltstandards eingehalten und vernünftige Löhne gezahlt werden. Vor allem aber muss das Verfahren transparent und nachvollziehbar sein.
Wir haben bereits vor über einem Jahr ein Vergabegesetz in den Hessischen Landtag eingebracht, das die Landesregierung dazu verpflichten soll, diese Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen. Ein solches Gesetz fordern Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen schon lange.
Deutschland nimmt auf dem aktuellen Korruptionsindex von Transparency Tnternational den 15. Platz ein. Im letzten Jahr war es noch der 14. Platz. Das zeigt, dass Korruption in Deutschland und auch in Hessen ein Thema ist und deshalb die Sorge vor Korruption und Vetternwirtschaft im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge berechtigt ist.
Der Gesamtschaden, der durch verschiedene Arten der Wirtschaftskriminalität jährlich entsteht, wird auf bis zu 200 Milliarden € geschätzt. Leider hat der Herr Innenminister in seiner Regierungserklärung am Dienstag diese Form der Kriminalität mit keinem Wort erwähnt. Das ist wohl Ihr Verständnis von Law and Order.
Je unüberschaubarer die Auftragsvergabe und je größer die Nähe der Auftraggeber und der politischen Entscheidungsträger zu den Unternehmen, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Aufträge nicht an die verge
ben werden, die das günstigste Angebot machen, die die beste Qualität liefern oder soziale und ökologische Standards einhalten. Je mehr öffentliches Geld unkontrolliert ausgegeben wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es aus den falschen Gründen in den falschen Taschen landet.
Die Landesregierung hat in den letzten Monaten in einigen Fällen bei der Vergabe gegen existierende Regelungen verstoßen. Wir haben uns damit befassen müssen, z. B. bei Beschaffungen im IT-Bereich. Umso unverständlicher finden wir es, dass der Ministerpräsident hier verkündet, den im Zuge des Konjunkturprogramms erhöhten Grenzwert von 100.000 € beibehalten zu wollen. Damit das Konjunkturprogramm zügig umgesetzt werden konnte, wurde damals die Grenze, bis zu der Kommunen Aufträge freihändig, also ohne öffentliche Ausschreibung, vergeben durften, auf 100.000 € erhöht. Wir haben das schon damals kritisiert, und wir halten das auch heute noch für falsch.
Jetzt erklärt der Ministerpräsident, man habe mit den gelockerten Vergabegrenzen gute Erfahrungen gemacht und ihm seien Verdachtsfälle von Korruption nicht zu Ohren gekommen. Wir halten eine genauere Prüfung an der Stelle schon für notwendig und sinnvoll. Wir sollten nicht auf der Grundlage des Hörensagens derartig hohe Grenzwerte beibehalten.
Herr Posch, Sie rufen dazwischen. Sie geben mir somit das Stichwort. Jetzt komme ich zu Ihnen. Noch schlimmer ist, dass die Landesregierung per Erlass die Transparenzvorschrift des Vergaberechts abschwächen und aufweichen will. Gerade nach dem Bekanntwerden rechtswidriger Vergaben sollen Veröffentlichungs- und Berichtspflichten im Internet ausgehebelt werden,
obwohl der Herr Finanzminister nach den Vergabepannen einen anderen Umgang damit versprochen hat. Herr Minister, jetzt verstehe ich aber, was der Herr Finanzminister mit dem „anderen Umgang“ meint. Er meint damit nicht, dass er Vergabepannen verhindern will, sondern er will vor allen Dingen verhindern, dass sie an die Öffentlichkeit kommen. Offensichtlich ist das der veränderte Umgang, den der Herr Finanzminister meint.
Herr Posch, jetzt argumentieren Sie, bei einer Veröffentlichung bestehe die Gefahr, dass Kartelle diese Informationen nutzen, um festzustellen, ob sie erfolgreich waren.
Diese Argumentation halte ich wirklich für abenteuerlich. Sie verbergen staatliches Handeln gerade da vor den Augen der Öffentlichkeit, wo es um viel Geld und um einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln geht. Herr Minister, glauben Sie denn im Ernst, dass Unternehmen, die Verbindungen zu Kammern, Verbänden und örtlichen Politikern haben, auf die Online-Veröffentlichungen des Landes angewiesen sind, um zu erfahren, wer einen wie großen Auftrag bekommen hat? Das ist doch abwegig. Damit schieben Sie dem Informationsaustausch von dieser Seite aus überhaupt keinen Riegel vor.
Für Parlament und Öffentlichkeit verriegeln Sie den Informationszugang allerdings. Eine freihändige Vergabe in
dieser Höhe bei gleichzeitiger Aufweichung der Transparenzregeln widerspricht einem verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln.
Frau Lannert, Sie haben die Kommunen angesprochen: Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat eine Broschüre aufgelegt, in der er beschreibt, dass die Korruption ein großes Problem ist, und fordert, ein Korruptionsregister einzuführen. Auch darüber diskutieren wir im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr derzeit.