Protokoll der Sitzung vom 12.04.2011

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Der Redlichkeit halber muss man jedoch hinzufügen, dass die Platzierungen dort etwas mit der Systematik des Vergleichs zu tun haben.

(Günter Rudolph (SPD): Ach so! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist immer so, das ist nicht neu!)

Das ist immer so, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. Aber ich denke, Sie werden mir zustimmen: Wenn man ein paar Umstände völlig außer Acht lässt – die Studie macht dies –, dann kommt man zu einem bestimmten Ergebnis.

Was machen die? – Die nehmen den Primärenergieverbrauch bzw. den Endenergieverbrauch, ohne dass sie gleichzeitig die Infrastruktur, die Bevölkerungszahl, die Industriedichte, die vorhandenen Kraftwerksparks in eine Relation setzen. Wenn Sie nur an das dichte Industrienetz des Rhein-Main-Gebiets denken oder so etwas wie den Flughafen Frankfurt nehmen, dann braucht man kein großer Künstler oder Wissenschaftler zu sein, um festzustellen, dass das, was solche Umstände nicht berücksichtigt, zwar zu Platzziffern führt, aber aus meiner Sicht nicht sachgerecht abgebildet ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Auch hier wollen und müssen wir besser werden. Wir haben einiges aufzuweisen. An vielen Kriterien zeigt es sich, dass unsere eingeleiteten Maßnahmen Wirkungen entfalten werden. Bei der Bewertung der Landespolitik zur Bioenergie liegen wir in einer Verbändeumfrage auf Platz 1. Das kann uns doch erfreuen. Das war nicht immer so. Wir wollen hier noch besser werden.

Ich glaube, es besteht Übereinstimmung, dass wir uns von der reinen Stromerzeugung gerade bei der Bioenergie auch zur Wärmenutzung weiterentwickeln müssen. Bei den Informationen über die Nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer Energien liegt Hessen auf Platz 3. Besonders spannend: Bei der Vorbildfunktion des Landes in der Nutzung erneuerbarer Energien liegen wir immerhin auf Platz 4.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hats erfunden? – Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie mögen es bedauern. Aber CDU und FDP regieren hier schon länger.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war unser Antrag!)

Ach, so.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Phase, wo ihr alle zugestimmt habt im Bundestag!)

Herr Al-Wazir, singen können wir gemeinsam, reden sollten wir hintereinander. – Da ich mich um Konsens bemühe, will ich festhalten, es ist offenkundig das Ergebnis allgemeiner Bemühungen, dass die Landesliegenschaften seit dem Jahre 2010 zu 100 % mit Ökostrom versorgt werden.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich den Kollegen Dietzel im Plenum ansprechen darf – er ist ein wesentlicher Treiber dieser Geschichte gewesen –: Die Bioregio Holz, mit der wir die Wärmever

sorgung in öffentlichen Gebäuden systematisch von fossilen Energieträgern auf Holz umgestellt haben, war eine seiner großen Leistungen. Wenn die GRÜNEN das auch mit befördert haben, schadet es nichts. Aber ich will mich ausdrücklich einmal bedanken, denn es ist erfolgreich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, wir erreichen auch vordere Plätze bei der Erzeugung von Wärme mit Pelletheizungen und der Installation von Fotovoltaikanlagen. Wir haben dort eine hohe Dynamik. Wir werden in Kürze ein Solarkataster haben, ein Instrument, mit dem wir noch besser im Vorfeld prüfen können, wo Fotovoltaikanlagen Sinn machen und sich die Bürgerinnen und Bürger entsprechend informieren können.

Und schließlich sollten wir nicht unterschlagen, wie dynamisch wir uns auch und gerade im Bereich der Bioenergie entwickelt haben. Das ist derzeit unser wichtigster Träger der erneuerbaren Energien in Hessen. Wärme und Strom aus Holz oder Biogas sorgen in Hessen für 80 % der regenerativen Energieerzeugung. Das ist ein Wert, der ungeheuer hoch ist. Er liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben hier Erfolge vorzuweisen. Die sollten wir gemeinsam nicht kleinreden.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, weil er für die weitere Entwicklung von großer Bedeutung ist. In dieser Studie wird – wie immer die das gemessen haben – festgestellt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für erneuerbare Energien in Hessen bei 16 Bundesländern auf dem dritten Platz liegt. Das kann uns im Hinblick auf die anstehenden Diskussionen und Entscheidungen ermutigen.

(Zuruf von der SPD: Windkraftanlagen!)

Es war ein Stichwort, wenn ich zum Thema Windkraftanlagen einmal Stellung nehme.

(Petra Fuhrmann (SPD): Genau!)

In Hessen sind derzeit 820 Anlagen entweder in Betrieb oder in Planung. Wenn wir schneller aus der Kernenergie aussteigen wollen – das wollen wir ja –, dann müssen wir das Thema Windkraft verstärkt in den Blick nehmen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nur warne ich vor allgemeiner Begeisterung. Es dürfte kaum eine Kollegin, einen Kollegen im Hessischen Landtag geben, der nicht wüsste, dass gerade der Ausbau der Windkraft, und zwar unabhängig von der jeweiligen parteipolitischen Grundüberzeugung, an den erheblichen Widerständen jeweils vor Ort scheitert. Keine der erneuerbaren Energien stößt auf so erbitterten Widerstand wie gerade die Windenergie bzw. die Anlagen, die sie erzeugen sollen. Im Kleinen ist es mit der großen Akzeptanz der erneuerbaren Energie nicht weit her.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Ich hatte an anderer Stelle Gelegenheit, auf ein Wahlergebnis in Bad Arolsen hinzuweisen. Es sollte uns zumindest Menetekel sein. Alle Parteien des Stadtparlaments von Bad Arolsen haben beschlossen, einen Windkraftpark zu bauen. Es haben sich kurz vor der Kommunalwahl Bürger unter einem einzigen Rubrum zusammengefunden: „Bürger gegen Windkraft“. Sie haben bei der Wahl 18 % der Stimmen erzielt und sind damit drittstärkste Kraft.

Das muss man, wenn wir uns um Konsens und Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern bemühen, jedenfalls einmal zur Kenntnis nehmen.

Wenn wir Akzeptanz fördern wollen – und das wollen wir –, dann müssen wir uns überlegen, was uns dazu einfallen kann, um vor Ort Akzeptanz zu erweitern. Als Beispiel nenne ich die Beteiligungsmodelle wie Bürgerwindanlagen, interkommunale Zusammenarbeit. Wir müssen auch schauen, wie es gelingen kann, den Kommunen besseren finanziellen Nutzen zur Verfügung zu stellen.

(Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das sind viele Fragen, die nach dem hessischen Kommunalrecht schon längst unter den Beteiligten hätten geklärt werden können, wenn sie denn wollten. Sowohl das Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit wie das Zweckverbandsrecht gibt eine Fülle von Möglichkeiten. Trotzdem bleibt die Aufgabe.

Ich will ausdrücklich hinzufügen, dass die Rolle der Kommunen aus meiner Sicht nicht nur auf die Akzeptanzgewinnung beschränkt ist. Sie sollen bei der Energiewende eine besondere Rolle einnehmen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Sie sind schon heute Eigentümer entweder ihrer Stadtwerke oder großer Energieverbundunternehmen. Herr Kollege, es wird zu prüfen sein, wie diese Rolle ausgebaut werden kann – ich füge ausdrücklich hinzu: ohne dass sich die Kommunen übernehmen oder finanzielle Abenteuer begehen. Dazu gibt es auch in Hessen Beispiele.

Deshalb halte ich fest – das steht nicht im Gegensatz zu einer bedeutenden Rolle der Kommunen –, ich werbe bei diesen immensen Kosten, die diese Energiewende ausmacht, ausdrücklich dafür, dass wir privates Kapital brauchen werden und es auch nutzen sollten. Hier sehe ich eine besondere Möglichkeit für die bisherigen Kraftwerksbetreiber. Das sind diejenigen, die besonders finanzkräftig sind. Sie investieren, durch welche Unterfirmen auch immer, heute schon in viele regenerative Energien. Ich möchte nicht, dass die mit ihren Anteilseignern ihr Geld nur in den USA, China oder Brasilien anlegen. Ich möchte, dass sie in zukunftsfähige Investitionen in unserem Land anlegen. Dazu sollten wir sie einladen, und dafür werbe ich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein wichtiger Punkt – viele können ein Lied davon singen, der Regierungspräsident von Nordhessen ist anwesend – ist unser höchst kompliziertes Planungsrecht, beginnend mit der Regionalplanung. Der Landesentwicklungsplan ist derzeit in Überarbeitung. Wir werden uns nicht scheuen, ausreichend Windvorrangflächen auszuweisen. Ich begrüße in diesem Zusammenhang den gestrigen Beschluss, der beim RP gefasst wurde.

Wir werden in absehbarer Zeit eine Windkarte zur Verfügung haben, wo wir für die Vorrangflächen eine KostenNutzen-Analyse besser darstellen können, als das heute der Fall ist. Das wird uns im Vorfeld von notwendigen Entscheidungen mehr Fakten und bessere Argumentationsmöglichkeiten geben. Aber damit ist der breit verankerte emotionale Widerstand gegen den Neubau von Windkraftanlagen noch lange nicht aufgelöst.

Vor welchen Fragen wir stehen, mag Ihnen ein Aperçu am Rande verdeutlichen. Heute können Sie in der „FAZ“

nachlesen, dass uns der Naturschutzbund Deutschland auffordert, für die Zugvögel die Trassen freizuhalten und sie nicht mit Rotoren zuzustellen. Das soll auch Gegenstand der Regionalplanung sein, also rechtliche Vorgaben. Ich will das nicht bewerten. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir noch lange nicht da sind, wo die allgemeine Debatte glaubt zu sein, nach dem Motto, wir hätten die Probleme gelöst. Wir fangen erst an, Wege zu gehen.

Deshalb werden die regionalen Energiekonzepte für die Regionalplanung in absehbarer Zeit zu den technischen und den raumordnungspolitischen Potenzialen Stellung nehmen. Meine Damen und Herren, wir werden sowohl bei den Regierungspräsidien als auch bei dem Planungsverband Frankfurt Rhein-Main nach einheitlichen Kriterienkatalogen vorgehen und die Auswahl energetisch geeigneter Flächen darstellen.

Wahr ist allerdings auch – da kommt insbesondere den kommunalen Repräsentanten eine große Verantwortung zu –: Bindungswirkung wird das Ganze erst nach der Beschlussfassung durch die Regionalversammlung oder die Verbandskammer entfalten. Deshalb sind die dortigen Gremien in besonderer Weise gefordert.

Wenn uns das alles gelingen sollte – da sind alle Parteien gefragt, insbesondere die GRÜNEN, die jetzt auf kommunaler Ebene ganz stark an Bedeutung gewonnen haben –, werden wir bei Weitem noch nicht die Kapazitäten haben, die wir brauchen. Deshalb kommen wir nicht darum herum, die in der dena-Netzstudie, der Netzstudie der Deutschen Netzagentur, aufgeführten Punkte für eine verlässliche, jederzeit verfügbare Energieversorgung zu diskutieren. Mir ist wichtig: Was wollen sie, und was halten sie für unverzichtbar? Welche Probleme müssen wir lösen? Ich zitiere:

Bereitstellung eines sicheren und kostengünstigen Kraftwerksparks auf der Basis eines effizienten Zusammenspiels zentraler und dezentraler Erzeugungstechnologien,

Zubau hocheffizienter, fossil befeuerter Kraftwerke, Intensivierung des KWK-Ausbaus und Sicherstellung des Ausbaus der erneuerbaren Energien,

Ausbau der Kapazität im Verbundnetz für den Stromtransport vom Norden in die Lastzentren im Süden,...

Den Ausbau der Hochspannungsnetze in die Ballungsräume im Süden Deutschlands aufzuschieben bedeutet – Zitat –, „den Ausbau erneuerbarer Energien zu verhindern“.

Meine Damen und Herren, genauso sehe ich das auch.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)