Meine Erwartung war, dass Sie heute eine klare Perspektive zu Ihren eigenen Vorstellungen einer Energiepolitik formulieren. Leider Fehlanzeige.
Meine Erwartung war, dass Sie heute ein klares Signal dafür geben, zentrale Partner der Energiewende wie Naturund Umweltschutzverbände oder die kommunalen Stadtwerke am Energiegipfel zu beteiligen. Leider Fehlanzeige.
Meine Erwartung war, dass sie heute einfach einmal in Demut vor das Parlament treten und sagen: Wir haben in unserer Energiepolitik einiges falsch gemacht – das tut uns leid; wir orientieren uns neu. Aber auch dazu: leider Fehlanzeige.
Meine Erwartung war, dass Sie heute als Vertreter der real existierenden Dagegen-Partei CDU – Sie konnten keinem einzigen Vorschlag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder Linkspartei zur Energiepolitik folgen, mit einer Ausnahme, wie wir eben gerade gelernt haben –
Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Das muss nicht Ihr Problem sein. Herr Ministerpräsident, diese Erwartung hatte aber nicht nur ich, sondern die hatten die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land – nach der energiepolitischen Irrfahrt oder Odyssee der letzten vier Wochen.
Es reicht nicht aus, einen Sozialdemokraten zu zitieren, um eine staatsmännische Regierungserklärung abzugeben. Matthias Kurth wird niemand in diesem Hause widersprechen. Er sagt das, was wir seit Jahren sagen. Es ist aber so, dass seit zwölf Jahren Union und FDP in diesem Land regieren, und die müssten sich endlich eingestehen: Wir von CDU und FDP haben fast alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte.
Wir von CDU und FDP haben zwölf Jahre verloren. Wir von CDU und FDP sind zwölf Jahre lang in die falsche Richtung marschiert. Wir von CDU und FDP haben Hessen beim Einsatz von erneuerbaren Energien ans Tabellenende der Länder geführt und damit die ökonomische, ökologische und soziale Erneuerung verschlafen.
Diese Sätze zu sagen – das wäre der notwendige Einstieg in eine ernst zu nehmende Debatte über die Energiewende, auch im Rahmen Ihres Energiegipfels. Es geht nämlich nicht um Sonnenblumenromantik, sondern um Hightech in einem Industrieland, um Arbeit, Wertschöpfung und Zukunftsfähigkeit. Die Innovationsbremser unseres Landes sind doch die, die die energiepolitischen Alternativen blockiert haben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Tarek Al-Wazir und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Sie haben noch in den letzten Wochen die Städte und Gemeinden – wie Marburg mit seiner Solarsatzung – schikaniert und mögliche Entwicklungen verhindert. Ich sage Ihnen: Die Menschen sind doch ganz offensichtlich viel weiter – wenn Sie sich die Kommunalwahlergebnisse von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Marburg genau anschauen, die sich genau dafür eingesetzt haben. Die Menschen wollen die Energiewende – wenn sie beteiligt werden. Dahinter dürfen wir auch nicht zurückfallen.
Ja, die Sorge vieler Menschen ist berechtigt, dass Energiepreise steigen. Das ist aber auch kein Wunder – wenn man die Grundlagen des langfristigen Transformationsprozesses, den rot-grünen Atomausstieg, aufhebt.
Wir haben dadurch viel zu viel Zeit verloren. Das kostet Geld, denn Sie verändern alle sechs Monate die energiepolitischen Grundlagen. Ich sage Ihnen: Wir werden es als Sozialdemokratie nicht zulassen, dass die soziale Frage von interessierter Seite gegen die Energiewende ausgespielt wird.
Genau dieses Ausspielen, das jetzt schon wieder versucht wird, ist nicht akzeptabel. Es geht darum, dass Menschen mit ihrem Einkommen in der Lage sind, sich auch höhere Strompreise zu erlauben. Das kann man nur anders machen wollen, wenn man es weiterhin akzeptiert, dass der Niedriglohnsektor wächst. Deswegen ist das Thema der Energiewende auch keines, das auf den Energiesektor allein beschränkt ist, sondern es geht um ein grundsätzlich anderes Entwicklungsmodell für unser Bundesland.
Aber so war sie nun, Ihre Rede: ambitionslos, uninspiriert und ohne echte Perspektive. Das Kalkül ist einmal mehr, allein durch das Wort „Regierungserklärung“ die Überschriften am morgigen Tag zu dominieren und Aktivität zu suggerieren, sei es auch noch so seicht, was Sie sagen.
Diese Landesregierung ist in energiepolitischen Fragen nicht auf der Höhe der Zeit. Sie schaffen es offensichtlich nicht, in Windeseile das aufzuholen, was über Jahre versäumt wurde. Es ist richtig, dass Sie sich mit den Vertretern der Oppositionsfraktionen die notwendige politische Kompetenz an Ihre Seite geholt haben, um den von Ihnen einberufenen Energiegipfel, zu dem dankenswerterweise die Initiative von Stefan Körzell von Ihnen aufgenommen wurde, zum Erfolg zu führen.
Herr Bouffier, was hier wehgetan hat, da habe ich seit 52 Minuten ziemlich viele Argumente gesammelt. Jetzt müssen Sie einen Moment hier zuhören.
Es ist richtig, dass Sie mit den Vertretern der Oppositionsfraktionen die notwendige politische Kompetenz an Ihre Seite geholt haben, um den von Ihnen einberufenen Energiegipfel – ich wiederhole mich –, von Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund initiiert, zum Erfolg zu führen. Sie haben in der Fortschrittsdebatte der vergangenen Jahre nahezu keine Rolle gespielt und immer nur eine Rückschrittspolitik verfolgt. Deswegen ist es erforderlich, dass die vorliegenden Konzepte der Opposition zur Basis der hessischen Energiepolitik gemacht werden.
Die SPD hat hier Tempo gemacht, die Richtung und die Inhalte bestimmt. Wir waren die erste Fraktion im Hessischen Landtag, die bereits 2006 ein vollständiges Konzept zur Energiewende vorgelegt hat. 2007 folgten dann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir waren die Fraktion, die die umfassendsten und gründlichsten Gesetzentwürfe vorgelegt hat.
Herr Ministerpräsident, heute wäre für Sie ein guter Tag gewesen, sich bei dem viel zu früh verstorbenen Hermann Scheer für die Häme, für die Denunzierung und für die Ignoranz zu entschuldigen, mit der Sie und Ihre Koalition ihm begegnet sind.
Hermann Scheer hat wie kein Zweiter in Deutschland und international den Diskurs zur Energiewende bestimmt. Seine Arbeit war ein Gewinn für Hessen.
Sie müssen nicht jedes Argument teilen, nicht jeden Punkt. Aber statt sich auch nur einmal ansatzweise mit seinem Konzept für die Energiewende in Hessen sachlich auseinanderzusetzen, haben Sie seine Ideen schäumend vor Eifer bekämpft. Wir erinnern uns an die „Windkraftmonster“. Dabei hat Hermann Scheer als Vater des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des 100.000-DächerProgramms gezeigt, wie das Ziel der Energiewende durch konkretes Handeln erreicht wird.
Damit will ich zweitens zu Ihrem Energiegipfel kommen. Ja, es ist gut, dass wir endlich versuchen, eine Plattform zu finden, auf der wir gemeinsam die Grundlagen für die Energiewende schaffen.
Ich wiederhole es: Die Landesregierung ist energiepolitisch nicht auf der Höhe der Zeit. Es kann gerade bei der Energiewende nicht sein, dass der Langsamste das Tempo bestimmt; sonst wird Hessen nie die Position als Schlusslicht bei den erneuerbaren Energien los.
Unsere Teilnahme am Energiegipfel erfolgt aber nicht bedingungslos. Der von Ihnen eingeladene Energiegipfel hat gleich mehrere Geburtsfehler. Sie haben die Stadtwerke als kommunale Unternehmen nicht eingeladen, und ich will daran erinnern, dass die kommunalen Stadtwerke genauso viel Energie produzieren wie Biblis A oder wie das Kraftwerk Staudinger.
Deswegen ist es nicht richtig, auch wenn Sie es so begründen, dass E.ON und RWE vertreten sein sollen, weil sie die beiden größten Kraftwerke vertreten. Das ist keine notwendige und hinreichende Erklärung.
Ohne die kommunalen Stadtwerke wird es nicht gehen, und deswegen müssen sie am runden Tisch beteiligt werden.
Die Einladung an RWE kann man auch nur als Affront verstehen. Das ist der zweite Geburtsfehler. Nachdem RWE erklärt hat, gegen die Stilllegungsverfügung von Biblis zu klagen, haben Sie sie eingeladen. Herr Großmann erklärt dann, er möchte den energiepolitischen Diskurs. Ich habe seine Ausführungen im „Handelsblatt“ von heute Morgen ausführlich gelesen. Er hat kein Interesse am Ausstieg. Er hat kein Interesse, und deswegen klagt er auch dagegen. Deswegen weiß ich nicht, was die Konsensplattform mit Herrn Großmann sein soll, und deswegen ist dies eine falsche Weichenstellung, die Sie beim Energiegipfel vorgenommen haben.
Wenn Sie hier den Konsens und die gesellschaftliche Akzeptanz zum Thema machen – was völlig richtig ist, denn es gibt viel Widerstand vor Ort; ich will mich nicht darü
ber auslassen, warum der Widerstand so hoch ist, wer ihn mit seinen „Windkraftmonstern“ hochgezogen hat in den letzten Jahren –, dann ist es zwingend, dass die Umweltund Naturschutzverbände auf der ersten Verhandlungsebene beim Energiegipfel beteiligt werden. Ohne sie wird es keinen Konsens geben.