Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

ebenso wie alle Bundesregierungen die kommunalen Kassen nachhaltig entreichert. Sie alle haben doch dafür gesorgt, dass fast alle Gemeinden die Kassenkredite nicht nur als Überbrückung, sondern als überlebenswichtige Einnahmequelle nutzen müssen.

(Zuruf von der FDP: Einnahme?)

Wenn sie sonst keine Einnahmen haben, müssen sie es über Kassenkredite machen. Das ist das Dilemma.

(Lachen bei der CDU und der FDP – Leif Blum (FDP): Ach du lieber Gott!)

Ihre neue Regelung wird nicht verhindern, dass die Kommunen weiterhin ihre Ausgaben über Kassenkredite finanzieren müssen, solange Sie deren Finanzsituation nicht erheblich verbessern. Das ist die Ausgangslage der Diskussion in diesem Zusammenhang.

(Minister Boris Rhein: Eieiei!)

Aber es geht Ihnen auch überhaupt nicht um die Entschuldung der Gemeinden. Die Kassenkredite werden weiterlaufen.

Herr Kollege Schaus, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ihnen geht es einzig und allein darum, den Gemeinden weitere Kürzungen, Zusammenschlüsse sowie Steuer- und Abgabenerhöhungen aufzubürden.

Meine Damen und Herren, Sie haben angefangen, in unsere Gesetzentwürfe hineinzuschauen. Wir sind der Meinung: Schauen Sie noch konsequenter hinein. Unser Vorschlag: Am besten übernehmen Sie noch weitere Regelungen aus unseren Gesetzentwürfen.

(Beifall bei der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben noch viel mehr!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Nun hat Herr Kollege Blechschmidt für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Schaus, im Leben nicht. Wir haben zu Ihrem Gesetzentwurf hier im März die Diskussion geführt, ebenso die Diskussion zu dem Teilbereich zur Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene, der hier betroffen ist. Unisono haben wir hier im Hause festgestellt, dass Ihr Gesetzentwurf – über den der Innenausschuss noch berät – so schlimm ist, dass er eigentlich nicht diskussionswürdig ist. Ich verweise auf die Beratungen und will im Grunde genommen Bezug nehmen auf das, was uns noch alle beschäftigen wird.

Heute habe ich ein Lob von der SPD gehört, das sich auf die Diskussion bezieht, die wir damals zum Gesetzentwurf der LINKEN zur Änderung von HGO und HKO geführt haben, und ein verschämtes Lob von Frau Enslin – die eigentlich nicht loben wollte,

(Leif Blum (FDP): Durfte!)

weil der Gesetzentwurf von CDU und FDP kommt –, aber dieses Lob kann ich noch erkennen. Dann gab es ein halbes Lob, das auf der Strecke geblieben ist, in dem Herr Schaus wirklich die Auffassung vertritt, Elemente aus dem Gesetzentwurf der LINKEN seien übernommen worden – sodass ich zwischendurch fast die Befürchtung hatte, Sie würden Ihren Gesetzentwurf zurückziehen, weil Sie sehen, dass unserer besser ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Keine Angst!)

Dann kam der zweite Teil, in dem deutlich wurde, dass Sie den Vergleich nicht gezogen haben. Als gestandener Kommunalpolitiker sage ich: Wer so mit Kassenkrediten argumentiert und umgeht, der zeigt, welche Notwendigkeit für diesen Gesetzentwurf besteht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Insoweit muss den jünger agierenden Kommunalpolitikern aufgezeigt werden, welche Wenn und Aber da bestehen. In diesem Gesetzentwurf sehen wir nämlich die weitere konsequente und effektive Entschuldung der hessischen Kommunen vor. Wir wissen doch alle, was mit dem

Instrumentarium Kassenkredit in den letzten Jahrzehnten getrieben wurde. Deshalb ist der Gesetzentwurf der FDP hier richtig und bietet einen geeigneten Ansatz.

Im Grunde genommen möchte ich mich ein bisschen an dem orientieren, was der Kollege Siebel sehr konstruktiv gesagt hat. Denn genau diese Punkte haben wir bereits im März diskutiert. Diese Diskussion müssen wir im Innenausschuss führen. Ich will Ihnen in Erinnerung rufen, auf Wiedervorlage haben wir den Gesetzentwurf der LINKEN, der natürlich auch in die Anhörung gehen wird. Wir haben den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der hessischen Kommunen und der Bürgerbeteiligung. Von dort haben wir in der Tat das Quorum übernommen und das, was wir als effizient ansehen, auch analog zu den GRÜNEN. Wir haben aber auch sehr wohl entschieden, was wir nicht wollen.

Ich sage zusammenfassend zu dem, was alles vorliegt und wozu in Teilen von der Koalition auch schon im ersten Redebeitrag Stellung bezogen wurde: Ich freue mich diesmal wirklich auf eine sehr gute Diskussion im Innenausschuss. Ich weiß, im Innenausschuss haben wir viele gestandene Kommunalpolitiker. Die heutige Diskussion wie auch die Diskussion im März zu den Vorschlägen von SPD und LINKEN stimmen mich zuversichtlich, dass dies eine sachorientierte Diskussion wird. Ihre Vorstellung zu § 121 teile ich, das habe ich schon damals gesagt. Hierzu gibt es nun einen konkreten Vorschlag zum Instrumentarium.

Ich persönlich und meine Fraktion, wir freuen uns auf eine sehr konstruktive Diskussion. Der heutige Tag war dazu der Auftakt. Das wird der HGO und der HKO gerecht. Viele Parlamentarier in diesem Landtag verfügen über eine kommunale Erfahrung und wissen um die Bedeutung des Ehrenamtes vor Ort, in der Kommune, im Kreis und praktizieren das seit vielen Jahren. Sie können ihr Fachwissen einbringen. Für meine Fraktion und für die Koalition vertrete ich die Auffassung, dass wir hier einen praxistauglichen, einen sehr an der Praxis orientierten guten Gesetzentwurf haben. Ich freue mich auf die Diskussion im Innenausschuss und auf die weiteren Debatten in diesem Hause dazu. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Blechschmidt. – Das Wort hat nun für die Landesregierung Herr Innenminister Rhein.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die Uhr will ich versuchen, es ganz kurz zu machen. Wir werden noch genügend Zeit haben, das in den Beratungen im Ausschuss und in einer Anhörung miteinander zu diskutieren.

Aber ich will das sehr deutlich sagen: Die Hessische Landesregierung begrüßt – das wird Sie nicht überraschen – den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und weiterer wichtiger Gesetze im kommunalen Bereich ausdrücklich. Das will ich sehr deutlich sagen.

(Clemens Reif (CDU): Und ist begeistert! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ehrlich? Das hätte ich jetzt nicht gedacht! – Wortmeldung des Abg. Michael Siebel (SPD))

Ich glaube, Kollege Siebel hat eine Frage. – Ich weiß schon genau, was er fragen will, deswegen freue ich mich ein bisschen auf diese Frage.

Herr Staatsminister, ich versuche immer, genau zu wissen, was ich fragen soll. Ich frage Sie: Inwieweit ist die von Ihnen angekündigte Evaluation der Hessischen Gemeindeordnung durch das Innenministerium in den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP eingeflossen?

Herr Kollege Siebel, diese Frage stellt mir auch Herr Rudolph immer – der immer behauptet, wir würden den Fraktionen Gesetze schreiben.

(Michael Siebel (SPD): Nein!)

Das ist doch völliger Unsinn. Das können die schon selbst.

(Zurufe)

Entschuldigen Sie, wir stehen jedem mit Rat und Tat zur Verfügung. Wir stehen auch der SPD-Fraktion mit Rat und Tat zur Verfügung – das würde für die Qualität der Gesetzentwürfe Enormes bewirken.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Michael Siebel und Nancy Faeser (SPD))

Lassen Sie mich ganz zu Beginn eines sagen. Das ist eine Neuerung, über die sich insbesondere die Kommunalen Spitzenverbände freuen werden: dass zukünftig die Kommunalverfassungsgesetze nicht mehr befristet gelten. Auch da hat der Kollege Siebel recht – wie er mit seiner Frage recht gehabt hat –: Das ist das Grundgesetz der Kommunen und der kommunalen Familie. Deswegen finde ich es durchaus richtig und vertretbar, dass man hier von der Befristung weggeht.

Dieser Gesetzentwurf hat elf wesentliche Aspekte. Ich verspreche Ihnen, ich werde hier und jetzt nicht auf all diese elf wesentlichen Aspekte eingehen. Aber es gibt schon ein paar Punkte, die man hervorheben muss.

Das ist insbesondere die Veränderung bei der Möglichkeit der freiwilligen Zusammenschlüsse von Gemeinden und Landkreisen. Das ist genau der richtige Weg – aus den Erfahrungen, die wir schon einmal bei der gescheiterten Fusion der Städte Erbach und Michelstadt im Odenwald gemacht haben. Eine solche Schicksalsentscheidung – und das ist eine Schicksalsentscheidung, da beißt die Maus keinen Faden ab – kann man nicht ohne einen Bürgerentscheid über die Bühne bringen. Deswegen finde ich es richtig, zu sagen: Fusionsbereite Gemeindevertretungen sollen ab sofort von sich aus die Möglichkeit erhalten, einen solchen Bürgerentscheid anzustoßen. Damit wird die Schicksalsfrage, ob eine Gemeinde weiterhin als selbstständige Körperschaft bestehen soll, zurück an den Souverän gegeben. Genau das ist der richtige Weg.

Das Gleiche gilt auch für die Bürgerbegehren. Die sollen erleichtert werden. Ich finde es auch richtig, wenn CDU und FDP sagen, sie wollen das Einleitungsquorum senken.

Was wir nicht wollen – auch hier stimme ich mit diesem Entwurf überein –, ist eine Senkung des Abstimmungsquorums von 25 %. Diese Hürde ist im Ländervergleich durchaus nicht unüblich. Ich halte sie auch für notwendig,

damit verhindert wird, dass Partikularinteressen zu einfach durchgesetzt werden. Insoweit halte ich es mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nicht anders als mit Volksbegehren und Volksentscheid. Bekanntlich haben wir dafür im letzten Jahr eine ähnliche Erleichterung durchgesetzt.

Ein weiterer wirklicher Schwerpunkt der Kommunalverfassungsnovelle ist von der Notwendigkeit gekennzeichnet – da bin ich mit dem Finanzminister wirklich einig –, Schulden auch auf der kommunalen Ebene abzubauen und dafür zu sorgen, dass die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten so weit wie möglich vermieden wird. Dazu war es notwendig, den Höchstbetrag der Kassenkredite wieder der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu unterwerfen. Früher dienten diese Kredite einer kurzfristigen Sicherung der Liquidität. Sie haben sich aber zunehmend – und das darf nicht sein, das ist der falsche Weg – als Dauerfinanzierungsmittel fehlentwickelt. Herr Schaus, Ihre Argumentation war typisch Linkspartei, so ein bisschen nach dem Motto: Kein Geld ist immer da.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich glaube, es ist richtig, dem einen Riegel vorzuschieben.

Zum Fall Sauerland in Duisburg hat der Kollege Bauer das Notwendige gesagt. Auch das ist ein richtiger Weg, um für klare Verhältnisse zu sorgen. Auch darüber werden wir in der Anhörung diskutieren können.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das Gleiche gilt für die Stärkung der Parlamentsvorsteher. Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss feststellen, dass bei allen Initiativen der vergangenen Jahre die direkten Volksvertreter ein bisschen ins Hintertreffen geraten sind. Deswegen ist es richtig, jetzt die Parlamentsvorsteher zu stärken. Was hier dazu gesagt wurde, ist Unsinn, das kann man so nicht sagen. Die Prüfungskompetenz, die sie jetzt erhalten, ist genau der richtige Weg. Auch hier kann man einen dicken Haken dahinter machen.

Das Gleiche gilt für das Thema Auslagerung von kommunalen Aufgaben auf juristische Personen des Privatrechts. Derzeit sind die doch geradezu zu einer Flucht ins Privatrecht gezwungen. Deswegen gibt es ab sofort die kommunale Anstalt, Stichwort: öffentlich-rechtliche GmbH. Ich finde, das ist genau der richtige Weg.