Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wer hat das denn gesagt?)

Ich könnte hier schwadronieren und von Herrn Trittin und Herrn Gabriel erzählen, wer wann und wo wie und wieso was nicht gemacht oder gemacht hat. Das will ich aber gar nicht, weil ich glaube, dass wir gemeinsam schauen sollten – darum gibt es den Energiegipfel; jedenfalls habe ich den Ministerpräsidenten immer so verstanden. Das Ziel ist klar. Sie können hier tausendmal sagen, das Ziel sei nicht klar. Aber das Ziel ist klar. Den Weg dahin müssen wir gemeinsam erarbeiten, und da müssen wir überlegen, wie er zu erreichen ist. Denn wir können nicht aus dem Bauch heraus sagen, wir machen alles aus und schauen, was passiert. Vielmehr müssen wir verantwortungsvoll handeln.

Wir wollen gemeinsam ein Ziel erreichen, und wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen über das Tempo und den Weg verständigen, weil über zehn Jahre hinweg genau das immer noch Konsens sein muss. Denn wenn Investitionen getroffen werden, wenn Leitungen gebaut werden, wenn

im Energiebereich Systeme eingeführt werden, dann ist das keine Frage von drei Jahren, sondern eine Frage von zehn Jahren. Wenn ich ein Kraftwerk erbaue, ist es eine Frage von 40 Jahren.

Von daher muss ich sagen: Wenn es uns nicht gelingt, im Energiegipfel vernünftig und dauerhaft zusammenzufinden und dort eine Linie zu definieren, wobei jeder wohl einen Kompromiss eingehen muss, dann wird der Energiegipfel scheitern. Er wird nicht an dem scheitern, was Sie hier erzählen. Denn ich glaube schon, dass beim Energiegipfel genug Leute auch von der SPD und den GRÜNEN dabei sind, die verantwortungsvoll sind und wissen, was dort geleistet werden muss für das Land Hessen. Im Endeffekt muss es für Deutschland ein gleiches Modell geben.

Wir brauchen einen Konsens in der Energiepolitik, der länger als eine Legislaturperiode hält. Da muss jeder Kompromisse machen. Wir müssen einen gemeinsamen Weg festlegen. Nur so kommen wir zu einer vernünftigen Energiewende. Genau das ist unser Ziel. Damit habe ich gesagt, was wir wollen. Wenn Sie genau wissen wollen, was die FDP auf Bundesebene will, dann lesen Sie unseren Parteitagsantrag. Der ist sehr ausführlich.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Aber völlig nichtsagend!)

Er ist sehr intensiv beraten worden. Von daher war die Debatte heute Morgen aus meiner Sicht völlig überflüssig und auch kontraproduktiv für alle diejenigen, die verantwortungsvoll in den Arbeitsgruppen mitarbeiten. Ich muss an der unmotivierten Rede von Herrn Al-Wazir feststellen, dass er es wahrscheinlich genauso sieht. Er konnte es hier natürlich nicht sagen.

Von daher werden wir weiterhin konstruktiv mitarbeiten. Ich glaube auch, dass die Ministerien gute Vorschläge in den Arbeitsgruppen gemacht haben. Gerade das Wirtschaftsministerium hat in unserer Arbeitsgruppe sehr deutlich gemacht, welche Perspektiven es für die Windkraft gibt und dass man bereit ist, entsprechende Festschreibungen im Landesentwicklungsplan zu machen.

Daher glaube ich, dass der Energiegipfel auf einem guten Weg ist. Ich wünsche mir, dass wir uns das nächste Mal solche Aufgeregtheiten ersparen. Schreiben Sie eine Pressemitteilung, aber belästigen Sie nicht den Landtag damit. – Danke.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Rock. – Ich darf Frau Staatsministerin Puttrich das Wort erteilen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Teilweise hatte ich den Eindruck, dass hier Reden gehalten werden, die schon vor langer Zeit gehalten worden sind, und dass der eine oder andere befürchtet, ihm werde ein Feindbild entgleiten,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Reine Kritik an den eigenen Leuten!)

und er deshalb noch einmal das eine oder andere wiederholen muss, was er schon seit Langem sagt.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann Ihnen deutlich sagen: Die Landesregierung hat ganz klare Vorstellungen. Wir haben ganz klare Vorstellungen,

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommts!)

indem wir uns auf die Zeit nach Biblis und auf die Zeit nach der Atomkraft in Hessen vorbereiten.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Und wann ist das?)

Deshalb hat der Ministerpräsident auch in der Konsequenz während des Moratoriums zu einem Energiegipfel eingeladen. Er hat Sie eingeladen, um das zu diskutieren, worüber es teilweise unterschiedliche Vorstellungen gibt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind uns alle darüber einig – zumindest hatte ich bislang auch während der Treffen des Energiegipfels diesen Eindruck –, dass wir eine Energiewende haben wollen und einen neuen Energiemix brauchen. Es gibt durchaus unterschiedliche Vorstellungen, wie das aussehen kann; das ist nicht neu.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber ich habe den Eindruck, Herr Schäfer-Gümbel, dass Sie mit aller Gewalt einen Dissens herbeireden wollen, weil Sie keinen Konsens ertragen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind im Moment dabei, in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen das zu behandeln, was auch unsere Zielrichtung ist. Wir haben eine Arbeitsgruppe „Ausbau eines zukunftsfähigen Energiemix aus erneuerbaren und fossilen Energien in Hessen“ – Herr Schäfer-Gümbel, Sie sind doch derjenige, der das ernsthaft diskutieren möchte. Und wenn wir Sie von unserer Seite aus nicht ernst nehmen würden, würden Sie sagen: „Ich steige aus dem Energiegipfel aus“.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Also sage ich Ihnen ganz klar: Wir geben Ihnen die Möglichkeit, Ihre Ideen mit einzubringen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir geben Ihnen die Möglichkeit, mitzudiskutieren, und wir geben Ihnen die Möglichkeit, einen gesamtgesellschaftlichen und einen politischen Konsens zu erzielen und auch zu bekommen.

Wir haben eine weitere Arbeitsgruppe, nämlich die Arbeitsgruppe „Identifizierung von Energieeffizienz- und Energieeinsparpotenzialen in Hessen“. Wir haben eine weitere Arbeitsgruppe „Anforderungen an eine verlässliche und versorgungssichere Energieinfrastruktur in Hessen“, das ist richtig. Und wir haben die Arbeitsgruppe „Gesellschaftliche Akzeptanz einer veränderten Energiepolitik in Hessen“, die ausgesprochen wichtig ist; das kennen Sie alle miteinander.

Frau Wissler, wenn Sie von Ihrer Seite sagen, es gebe nur eine vermeintlich fehlende Akzeptanz bei erneuerbaren Energien: Nein, wir erleben, dass die Menschen von Atomkraft weg und im Prinzip erneuerbare Energien haben wollen, dass aber bei der Umsetzung vor Ort in der Tat teilweise die Akzeptanz fehlt. Deshalb haben wir eine gemeinsame Aufgabe: Wenn wir einen Weg beschreiten wollen, sollten wir auch versuchen, diesen Weg gemein

sam zu gehen – und da sind Sie selbstverständlich alle miteinander aufgerufen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Landesregierung aber auch!)

Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie von Ihrer Seite aus immer wieder behaupten, die Arbeitsgruppen würden nicht gut arbeiten, kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie die Realität nicht kennen.

Ich leite selbst eine Arbeitsgruppe, in der viele Experten sitzen, die sehr konstruktiv und teilweise auch kontrovers diskutieren – das ist doch Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit. Ich wiederhole es: Wir brauchen kein dauerhaftes Streitthema, sondern um die Menschen mitzunehmen, brauchen wir einen größtmöglichen Konsens. Deshalb ist das, was Sie von Ihrer Seite zu konstruieren versuchen, an dieser Stelle schlicht und einfach fehl am Platz.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Ich habe noch einen anderen Eindruck – ich habe eher den Eindruck, dass Sie mit einer neuen Situation schlicht und einfach nicht umgehen können. Ich bin schon sehr verwundert, wenn Sie sich darüber beschweren, dass das Ergebnis der Reaktor-Sicherheitskommission nicht Ihren Erwartungen entspreche. Also, Herr Schäfer-Gümbel, ich will es jetzt einmal auf Hessen herunterbrechen: Der Bericht der Reaktor-Sicherheitskommission hat in der Tat das aufgezeigt, was uns bekannt ist; das ist kein neues Ergebnis, das ist richtig, darüber sind wir uns auch einig.

Wir wissen, dass Biblis in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich bewertet wird; wir wissen, dass Biblis beim Hochwasserschutz mit dem Level 3 bewertet wird; wir wissen aber auch, wie Herr Al-Wazir es eben sagte, dass beim Thema „Flugzeugabsturz“ nicht einmal der Level 1 erreicht wird, das ist richtig. Deshalb hat die Reaktor-Sicherheitskommission die Ergebnisse zusammengetragen, die jetzt an die Ethikkommission gehen, die eine entsprechende Bewertung aussprechen wird. Das heißt, wir sind im Moment in der Tat in der politischen Neubewertung eines Restrisikos. Ich habe jetzt den Eindruck, dass Sie von Ihrer Seite befürchten, dass das herauskommt, was Sie eigentlich wollen, da Ihnen dann ein Streitthema verloren geht. Wir haben die Situation, dass die Reaktor-Sicherheitskommission gearbeitet und Ergebnisse festgestellt hat; bewertet und empfohlen wird es von der Ethikkommission. Und dann sind diejenigen dran, die Entscheidungen zu treffen, auch das ist vollkommen richtig: Es wird das Bundeskabinett entscheiden, es wird der Bundestag entscheiden,

(Zuruf von der SPD: Das ist doch Ihr Plan!)

es wird der Bundesrat entscheiden. Am Ende werden wir ein geändertes Atomgesetz haben, wir werden es auch brauchen – das ist auch unsere rechtliche Grundlage –, um uns auf die neue Situation einstellen zu können. Ich habe es auch gestern gesagt: Unter den gegebenen Voraussetzungen sehe ich die Wahrscheinlichkeit, dass Biblis wieder ans Netz geht, als eher gering an, das ist in der Tat so. Aber wir brauchen doch eine gesetzliche Grundlage, wir sind doch nicht im luftleeren Raum. Das heißt, wir brauchen ein geändertes Atomgesetz, das wir meines Erachtens auch bekommen werden. Und wir werden ein ganzes Bündel anderer gesetzlicher Maßnahmen bekommen. Wir werden ein ganzes Bündel von Gesetzesänderungen bekommen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Deshalb möchte ich Sie an der Stelle auch

mit in die Zukunft nehmen – diskutieren Sie doch nicht rückwärtsgewandt, gehen Sie doch den Weg mit nach vorne, wie der zukünftige Energiemix und die Rahmenbedingungen aussehen können – in Hessen, im Bund und in der EU.

Deshalb sind wir in der Tat in einer neuen Zeit. Wir gehen den Weg in diese neue Zeit. Wir gehen nicht mit rückwärtsgewandten Argumenten in die Vergangenheit, und ich möchte Sie ausdrücklich dazu aufrufen: Gehen Sie schlicht und einfach mit. Dann nehmen wir auch die Menschen mit; denn wir brauchen beides – politischen und gesellschaftlichen Konsens.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Puttrich. – Es geht in die zweite Runde. Als Erster hat sich Herr Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion gemeldet. Fünf Minuten Redezeit, Herr Schäfer-Gümbel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Puttrich, das war beeindruckend unkonkret.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es war wirklich beeindruckend unkonkret, was Sie zum wiederholten Male hier im Hessischen Landtag abgeliefert haben. Ich will noch einmal ein paar Klarstellungen machen:

Erstens. Ihrer Aufforderung, wir sollen unsere Vorstellungen einbringen, bedarf es nun wirklich nicht.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))