Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist nun wirklich hinreichend von meinem Kollegen Al-Wazir und mir formuliert worden. Die einzigen beiden Fraktionen hier im Haus, die umfassend und seit Jahren die Alternativen zur Energiepolitik auf den Tisch gelegt haben, sind die Sozialdemokratische Partei und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Einzigen, die in diesem Haus bisher jede Lieferung verweigert haben, sind Union, FDP und diese Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Herr Rock, ich will das auch in Ihrem persönlichen Interesse als Abgeordneter sagen: Wenn Sie hier im Haus am Ende Ihrer Ausführungen davon sprechen, dass wir „Belästigungen“ unterlassen sollten in dem Sinne, hier keine energiepolitische Debatte zu führen, dann haben Sie Ihren Auftrag als Abgeordneter ganz offensichtlich nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Hessische Energiegipfel ist kein Ersatzparlament.

(Beifall bei der SPD)

Der Ort, der demokratisch legitimiert ist, in der parlamentarischen Demokratie diese Fragen zu diskutieren und vor allem sie endlich zu entscheiden, ist der Hessische

Landtag – das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Dritter Punkt. Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Herr Stephan, ich werde hier keine Konsensrede halten, solange ich nicht erkennen kann,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Weil Sie keinen Konsens wollen! Sie wollen ihn nicht!)

was denn die Grundlage für einen Konsens sein könnte. Das setzt nämlich voraus, Herr Wagner, dass Landesregierung und Regierungsfraktionen endlich etwas liefern, mit dem wir uns auseinandersetzen können.

(Beifall bei der SPD)

Sie liefern doch nicht. Was soll denn die Grundlage für einen Konsens sein? Die Erklärung von Herrn Beuth? Damit komme ich zu dem Papier, und ich will es noch einmal sagen: Herr Beuth ist kein frei schwebendes Atom, das in Berlin irgendwo herumstrahlt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ein Molekül!)

Okay, jetzt wollen Sie ihn kleiner machen, als er ist, Herr Wagner. Wenn Sie von einem Molekül sprechen, kann ich es jetzt nicht ändern.

Herr Beuth ist an der Stelle der Vollstrecker – in politisch bestem Sinne – der Interessen und Positionierungen des hessischen Landesvorsitzenden der Union. Wenn Herr Beuth in Berlin ein Papier einbringt, in dem er schreibt: „Wir wollen ausdrücklich keine zeitliche Festlegung zum Atomausstieg“, dann hintertreiben Sie die Konsensgespräche von Anfang an – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch zwei Bemerkungen zu den Themen RSK und Arbeitsweise des Energiegipfels machen. Frau Puttrich, ich habe überhaupt nicht gesagt, dass die Arbeitsgruppen nichts liefern. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich die Verbände und Organisationen in diese Kommissionen und Arbeitsgruppen einbringen. Die Oppositionsfraktionen bringen sich ein. Im Übrigen: Wir haben der Landesregierung unmittelbar mit dem Eintritt in die Gespräche alle unsere parlamentarischen Initiativen erneut vorgelegt. Wir haben also geliefert. Der entscheidende Punkt ist, dass die Regierungsfraktionen – Herr Rock, nach meinen Informationen haben sie sich bisher konzeptionell nicht sonderlich intensiv eingebracht – und die Regierung in den Arbeitsgruppen

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

ich sagte: „nach meinen Informationen“, Herr Arnold, Sie sollten mir wenigstens zuhören, bevor Sie Zwischenrufe machen – bisher nichts geliefert haben. Deswegen hat Kollege Al-Wazir völlig recht: Der Energiegipfel darf nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag beraten. Im September muss die Arbeit abgeschlossen sein. Ich habe mit Blick auf den 24. Mai darauf hingewiesen, dass wir dann erste Schritte sehen wollen. Wir wollen sehen, ob da wirklich etwas geliefert wird, auf dem man anschließend aufbauen kann. Ansonsten werden wir auch weiterhin eigene parlamentarische Initiativen einbringen, denn hier ist der Ort der Entscheidung, Herr Rock.

Damit bin ich bei meiner letzten Bemerkung, die sich auf die RSK bezieht.

Herr Schäfer-Gümbel, Sie müssen zum Schluss kommen.

Nur noch zwei Sätze. – Der Vorsitzende der RSK hat gestern auf Nachfrage ausdrücklich festgestellt, dass eine umfassende Überprüfung im Sinne einer Grundauslastung der Kraftwerke nicht möglich war. 12 bis 18 Monate pro Standort wären notwendig gewesen. Deswegen gibt es hier nur eine Zwischenbemerkung, die aber ausdrücklich in unserem Sinne ausgefallen ist, Herr Stephan. Der Vorsitzende der RSK hat festgestellt: Kein Kraftwerk erfüllt die Robustheitsstufe 3. Kein Kraftwerk erfüllt die Robustheitsstufe 2 bei allen Kriterien durchgängig. Das sollte uns bei all dem, was jetzt zu entscheiden ist, zu denken geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Frau Wissler, Sie haben jetzt Gelegenheit, innerhalb von fünf Minuten Ihre Position darzulegen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich finde, dass Sie in Ihrer heutige Rede so viele Sprechblasen vorgetragen haben, dass dagegen sogar das Papier von Herrn Beuth geradezu konkretistisch ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie kommen immer wieder zum Thema Akzeptanz. Frau Ministerin, ich will gar nicht sagen, dass es hier keine Probleme gibt; aber das Hauptproblem ist, dass sich die Landesregierung hinter einem herbeigeredeten Akzeptanzproblem versteckt. Frau Ministerin, das ist das Problem. Gerade an dieser Stelle fände ich ein wenig Selbstkritik vonseiten der CDU und der FDP durchaus angebracht. Es ist doch logisch: Wer im Wahlkampf gegen Windräder plakatiert, der darf sich doch nicht wundern, wenn die Menschen Ängste und Befürchtungen haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie waren es doch, die die Menschen immer wieder gegen Windräder mobilisiert haben. Es gibt Umfragen, die belegen, dass eine Mehrheit der Menschen Windräder auch in ihrer engeren Umgebung befürworten.

(Judith Lannert (CDU): Das ist gar nicht wahr!)

Frau Lannert, wenn Sie sich nur Umfragen von RWE und E.ON anschauen, mag das so sein. Vielleicht sollten Sie Ihren Horizont ein bisschen weiten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das sagt die Richtige!)

Es gibt Umfragen, die belegen, dass gerade dann, wenn die Menschen von Windrädern betroffen sind, auch die Akzeptanz steigt. Natürlich geht es hier auch um die Frage der Rahmenbedingungen. Das habe ich schon an

gesprochen. Wer bei der Energiegewinnung vor Ort Einschränkungen hinnehmen muss, der muss natürlich letzten Endes auch den Nutzen haben. Ich verstehe, dass die Menschen die Einschränkungen nicht hinnehmen wollen, wenn die Gewinne nach Essen, an eine ferne Konzernzentrale, fließen. Das ist doch vollkommen logisch.

Deswegen müssen wir darüber reden, wie wir die dezentrale Energieversorgung vor Ort ausbauen können. Gerade an der Stelle behindert die Landesregierung die Kommunen – z. B. mittels der Hessischen Gemeindeordnung durch die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen –, anstatt es ihnen zu ermöglichen, selbst Energie zu gewinnen, in die Energieproduktion einzusteigen – auch und gerade, um die Akzeptanz vor Ort zu stärken. Aber statt den Kommunen dies zu ermöglichen, blockieren Sie und verhindern das.

Frau Ministerin, ich frage mich: Wo sind Ihre Initiativen? Wir haben immer wieder die Zahl gehört, die Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen – wie es auch Ihre Vorgängerin getan hat –: Sie wollen bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien in Hessen auf 20 % erhöhen. Davon sind wir heute noch weit entfernt. Ich sehe überhaupt nicht, wo diese Landesregierung Anstrengungen unternimmt, um das zu ändern. Was wir durchaus bräuchten, wäre ein Aktionsplan für Hessen. Wir bräuchten einen Aktionsplan, wie wir die erneuerbaren Energien jetzt ausbauen,

(Beifall bei der LINKEN)

wie wir den Ausbau beschleunigen können, wie wir auch die Zustimmung dafür organisieren können. Dazu haben Sie aber nichts gesagt – genauso wie Sie wieder einmal keine klare Aussage zu Biblis getroffen haben. Nach der Vorlage des Berichts der Reaktor-Sicherheitskommission finde ich eine klare Aussage von Ihnen bzw. des Herrn Ministerpräsidenten hier und heute an die hessische Bevölkerung nötig. Sie könnten z. B. sagen: „Biblis A und Biblis B werden stillgelegt, wir werden nicht zulassen, dass Biblis A und Biblis B jemals wieder ans Netz gehen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen verstecken Sie sich hinter der angeblichen Ablehnung durch die Bevölkerung. Ich habe hier schon ausgeführt, dass Sie die Ablehnung durch die Bevölkerung bei der Atomenergie und der Kohlekraftnutzung nicht gestört hat. Ich würde gerne einmal hören, wie Sie, Frau Puttrich, über die Akzeptanzprobleme beim Ausbau des Kohlekraftwerks Staudinger reden. Wenn es da um die Frage der Akzeptanz ginge, könnten Sie das Projekt sofort beerdigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie schüren Angst, Sie erzeugen Schreckgespenster. Das ist das Problem. Sie schüren immer wieder Angst, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Das macht auch Herr Beuth in seinem Papier, indem dort die Frage der Versorgungssicherheit angesprochen und der Eindruck erweckt wird, dass die Lichter ausgehen, wenn man die Atomkraftwerke stilllegt. Wir haben ja gesehen, was faktisch passiert ist, als acht Atomkraftwerke sofort stillgelegt wurden.

Frau Wissler, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Seyffardt?

Herr Seyffardt, ich bitte Sie, eine Kurzintervention zu machen, weil ich gerne noch zu einem Punkt ausführen möchte.

Zur Frage der steigenden Preise. Auch da suggerieren Sie immer wieder, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mit steigenden Preisen zusammenhänge. Das Gegenteil ist der Fall. Erstens ist Energie aus Atomkraft die teuerste Erzeugungsform überhaupt, und zweitens frage ich Sie: Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien bei den großen Vier so gering ist, warum steigen denn dann die Preise immer weiter? Aber Sie versuchen, da einen Zusammenhang herzustellen, den es so nicht gibt. Jetzt bauen Sie hier auch noch den Trassenausbau als Drohszenario auf.

Ich finde, Sie sollten aufhören, diese Schreckgespenster aufzubauen, und sollten anfangen, um die Zustimmung der Menschen für erneuerbare Energien zu werben. Herr Rentsch, das Problem ist, dass die Zustimmung in der Bevölkerung für erneuerbare Energien größer ist als auf den schwarz-gelben Parlamentsbänken. Das ist das eigentliche Problem. Vielleicht sollten Sie anfangen, für mehr Akzeptanz in Ihren eigenen Reihen zu kämpfen, statt immer die Bevölkerung nach vorne zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, wir haben einen Energiegipfel, und wir haben entschieden, daran mitzuarbeiten und uns einzubringen. Frau Ministerin, wir brauchen aber keinen Gesprächskreis, sondern ein Gremium, bei dem etwas herauskommt, ein Gremium, wo konkrete Schritte und konkrete Handlungsansätze entwickelt werden. Ich vermisse im Moment die Bereitschaft dieser Landesregierung und der schwarzgelben Mehrheit, etwas dafür zu tun, dass dieser Energiegipfel wirklich zu konkreten Ergebnissen kommt.