Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

Herr Minister Rhein, wenn es stimmen würde, dass Sie so ruhig in diese Debatte gegangen sind, dann wundert es mich, dass Sie ungewöhnlicherweise nicht die gesamte Diskussion abgewartet und alle Rednerinnen und Redner angehört haben, sondern sehr schnell an das Pult gegangen sind.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Da muss bei Ihnen schon ganz viel Druck da sein. Die Tatsache, dass sich der Großteil Ihrer Rede auf das Tarifergebnis und nicht auf das Beamtenergebnis bezieht, beweist, dass Sie damit wenig am Hut haben.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und bei Abgeordneten der SPD – Minister Boris Rhein: Ich wusste schon, was Sie sagen!)

Wenn es eines Beweises Ihrer Interessen- und Stimmungslage bedurft hätte, dann haben Sie das hier kundgetan.

Herr Minister, ich will Sie zitieren, weil das zitierenswert ist. In der „Frankfurter Rundschau“ von gestern können wir nachlesen, dass Sie gesagt haben: „Alle Landesbediensteten leisten hervorragende Arbeit“ – da haben wir wieder das Lob – „und dürfen daher nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt werden.“

(Günter Rudolph (SPD): Genau das Gegenteil!)

„Die prozentuale Erhöhung werde ,1 : 1 an die Beamten weitergegeben.‘“ Das ist falsch.

(Alexander Bauer (CDU): Was ist daran falsch?)

Herr Bauer, ich rechne Ihnen das vor. In diesem Jahr beträgt die Preissteigerungsrate 2,4 %. Ich habe mir die Mühe gemacht, das bei einem relativ niedrigen Beamteneinkommen, nämlich A 10, Altersstufe 7, Stufe 2, zu berechnen.

(Minister Stefan Grüttner: Was? – Minister Boris Rhein: Wir wollen schauen, was bei der Rechnung herauskommt!)

Herr Minister, für dieses Jahr beträgt die Erhöhung um 1,5 % dann 44,47 €, und für nächstes Jahr bei der Erhöhung um 2,6 % wären es 78,24 € mehr. Wenn ich berücksichtige, dass Sie – auch das war das Ergebnis Ihrer Nichterklärung – die Einmalzahlung von 360 € aus dem Tarifbereich nicht auf den Beamtenbereich übertragen wollen,

wenn Sie das einsparen wollen, dann heißt das letztendlich, dass die Beamten – 360 € verteilt auf neun Monate, bezogen auf das Jahr 2011 – 45 € und 44,47 € pro Monat weniger erhalten als vergleichbare angestellte Beschäftigte in Hessen.

(Minister Boris Rhein: Können Sie das noch einmal wiederholen?)

Sie können mich nicht verwirren. Ich weiß, dass Sie das gerne tun würden.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Herr Minister Rhein, de facto bedeutet das – ich liefere Ihnen die Beispielrechnung gerne nach –, dass Sie nur die Hälfte der Steigerung um 1,5 %, also 0,75 % für die Beamten vorsehen – und das bei einer Preissteigerungsrate von 2,4 %. Das ist die reale 1:1-Übertragung auf die hessischen Beamten. Sie ist nichts als heiße Luft. Sie ist nichts als Vernebelungstaktik,

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

und sie ist – Herr Minister, an dieser Stelle bin ich Ihnen für die Klarheit dankbar – der Schuldenbremse geschuldet. So haben Sie es dargestellt. Für die Schuldenbremse, die jetzt auf dem Rücken der 106.000 Beamtinnen und Beamten in Hessen ausgetragen wird, werden rechnerisch – das weise ich Ihnen gerne nach – bis 2012 125 Millionen € eingespart. Das ist nämlich rechnerisch die Gesamtsumme, die Sie einsparen, indem Sie die Übertragung auf die Beamten nicht im April dieses Jahres 1 : 1 vornehmen, sondern erst im Oktober, und im nächsten Jahr nicht zum März, sondern auch erst zum Oktober, inklusive der Einmalzahlung. In Summe heißt das bei einem, der in A 10, Stufe 7, beschäftigt ist, eine Vorenthaltung von 1.174,51 €. Rechnen Sie das mal 106.000 Beamtinnen und Beamte. Dann kommen Sie exakt auf diese 125 Millionen €, die Sie bei den Beschäftigten im Landesdienst einsparen, um damit, sozusagen mit Blick auf die Schuldenbremse, Ihre Kasse zu sanieren – wie Sie das gesagt haben.

Nein, meine Damen und Herren, so geht das nicht. Wir fordern nach wie vor, zusammen mit den Gewerkschaften, die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten. Das ist nicht mehr als recht und billig – und besser als diese Lobhudelei, die wir hier jedes Jahr aufs Neue hören.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Boris Rhein: Hat der zehn Minuten, oder wie ist das?)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Herr Minister Rhein, wir haben hier eine klare Buchhaltung der Zeit, und das geht schon alles korrekt zu.

(Günter Rudolph (SPD): Dafür ist das Präsidium zuständig!)

Sie brauchen da keine Sorgen zu haben. Gefühlte Zeiten gibt es in Frankfurt, aber nicht in Wiesbaden.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege Dr. Blechschmidt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Schaus, als ich eben Ihren Beitrag gehört habe, wusste ich gar nicht, warum die Frage aufkam, warum man Sie verwirren solle. Ich glaube, Sie waren durch dieses Zahlenwerk so verwirrt, dass zumindest alle hier Anwesenden froh sind, ein schriftliches Protokoll zu erhalten, damit sie das nochmals nachlesen können.

Ich habe ein bisschen das Gefühl, wir seien schon bei der ersten Lesung eines nicht eingebrachten Gesetzentwurfs. Wenn das so weit ist, können Sie Ihren Beitrag nochmals aktualisieren und die Sache auf den Punkt bringen.

In der Tat ist es – da stimme ich Herrn Staatsminister Rhein vollkommen zu – politische Folklore, die hier stattfindet. Seit zwei oder zweieinhalb Jahren wird hier das Altbekannte mit der TdL zitiert. Es werden einige Sätze aus einem Gesetzentwurf vorweggenommen, der noch nicht eingebracht ist. Ich bin dem Herrn Minister sehr dankbar dafür, dass er es skizziert hat. Die Opposition nimmt das zum Anlass, sich aufzuregen. Ansonsten wäre dieser Punkt eigentlich ad absurdum geführt.

Ungewöhnlicherweise hat Herr Minister Rhein zum zweiten Mal das Wort ergriffen. Das hätte eigentlich dazu führen müssen, dass die Nachfolgenden ihre Beiträge zurückziehen und die SPD erkennt, dass diese Aktuelle Stunde versemmelt ist, weil sich die Vorzeichen geändert haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei der LINKEN)

Insofern war ich für den Versuch dankbar. Aber als relativ frisch gebackener, aber nicht mehr so frischer Landtagsabgeordneter stelle ich fest, dass dieser Versuch keine Chance hat; denn hier finden Rituale statt, und es wird Folklore aufgeführt, egal, wie sich die Vorzeichen in den letzten Tagen verändert haben.

(Beifall bei der FDP)

Dann mag man – bei aller persönlichen Wertschätzung – vielleicht feststellen, dass hier jemand zum Jagen getragen wurde.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Dieses Ja kommt sehr schnell und deutlich. So kennen wir ihn. Ich stelle aber fest, dass sich in den letzten acht Tagen der Zungenschlag ganz deutlich geändert hat. Diese Aktuelle Stunde wurde unter bestimmten Vorzeichen beantragt. In einer Pressemitteilung vom 14. Mai fragt Herr Rudolph: Wenn die Regelungen ohnehin die gleichen sind – TdL –, warum braucht Hessen dann Extraverhandlungen?

Diese Extraverhandlungen wurden heute mit keinem Wort erwähnt. Das klingt nach reiner Beschäftigungstherapie. – Gut, das hat sich erledigt.

Dann kommt wieder das berühmte „Sonderopfer für Beamte“. Das stand in der Presseerklärung vom 16. Mai. Ich weise nur darauf hin, für mich wird dieser Begriff mittlerweile inflationär verwendet. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, wie wir mit diesem Begriff umgehen. Bei dem, was hier skizziert wurde und was CDU und FDP einbringen werden, sehe ich kein „Sonderopfer“. Aber der Zungenschlag ändert sich, und es wird gesagt, das müsse jetzt einmal alles umgestellt werden.

Nachdem die Erkenntnis da ist, dass etwas kommt, ändert sich der Zungenschlag des Kollegen Rudolph wiederum, und er sagt, das sei alles längst überfällig.

Ich stelle fest: Diese Aktuelle Stunde hat sich längst erledigt. Sie wurde aufrechterhalten, um ein Thema am Kochen zu halten. Das ist politische Folklore. Auch in der Sache handelt es sich um politische Folklore. Ich vermute, auch bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs werden wir politische Folklore zu hören bekommen.

Herr Rudolph, im Grunde genommen ist der Adler, den Sie gestartet haben, hier und heute endgültig als lahme Ente gelandet. Beerdigen Sie diese Ente, und wir gehen dann in die Gesetzesberatung hinein. Ich fürchte, dann werden wir wieder all das zu hören bekommen, was Sie heute an politischer Folklore vorgebracht haben, und dann haben wir den Diskussionseinstieg.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Dr. Blechschmidt. – Das Wort hat der Kollege Bauer, CDU-Fraktion. Bitte sehr, mein Lieber.

Hochverehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als „indiskutabel und nicht hinnehmbar“ bezeichnen Vertreter des Deutschen Beamtenbundes die Vorschläge der Koalitionäre, die Anpassung der Bezüge der Landes- und Kommunalbeamten nicht 1 : 1 zu übernehmen.

(Günter Rudolph (SPD): Recht haben sie!)

Ja, aber das ist eine Pressemitteilung aus RheinlandPfalz.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Rudolph, dort wird nämlich im Koalitionsvertrag gesagt, dass SPD und GRÜNE in den nächsten vier Jahren lediglich 1 % Tarifsteigerungen vornehmen werden. Das sei nicht hinnehmbar, das sei ein Sonderopfer für die Beamten in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da muss man doch ehrlicherweise sagen, dass der hier vorgetragene Kompromiss ein Kompromiss mit Augenmaß ist. Denn die Beamtinnen und Beamten in Hessen leisten, wie die übrigen Kollegen im öffentlichen Dienst, eine wirklich hervorragende Arbeit für das Gemeinwesen in unserem Land. Die Polizisten, die Lehrer, die Bediensteten der Verwaltung und in den Kommunen des Landes, die Staatsanwälte und Richter – sie alle tragen dazu bei, dass es diesem Land gut geht. Deshalb ist es auch richtig, sie an der Prosperität dieses Landes zu beteiligen und ihr Einkommen zu verbessern.

(Günter Rudolph (SPD): Scheinheilig!)