Das heißt, wir haben einen beschleunigten Umstieg durchzuführen. Wir sollten aufpassen, dass wir bei der Schnelligkeit dieses Umstiegs nicht aus der Kurve fliegen. Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Kräfte für diesen Umstieg, die wir brauchen, richtig auf die Straße bringen. Wir sollten agieren wie Sebastian Vettel: schnell fahren, aber auf der Straße bleiben und anschließend gewinnen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir kennen das Grummeln derer, denen dieser Ausstieg zu schnell geht. Wir kennen das Grummeln derer, die sagen, der Ausstieg gehe zu langsam. Wir können bei uns in der CDU beide Pole vereinigen. Das Integrieren beider Pole macht uns stark und sicher, dass wir die richtigen Konzepte haben. Wir wollen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie auf dieser breiten gesellschaftlichen Basis weiter betrieben und der Umstieg, der dazu notwendig ist, beschleunigt wird. Daran arbeiten wir, und wir laden alle zur Mitarbeit ein.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Timon Gremmels (SPD): Welcher Pol sind Sie, Herr Stephan?)
Schönen Dank, Herr Kollege Stephan. – Für die FDPFraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Rentsch, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen und den GRÜNEN den Tag zu versüßen: Wir stehen hinter den Vorschlägen, hinter den Gesetzen, zu dem, was die Bundesregierung entschieden hat – im Vergleich zu Ihnen, die nur rumeiern.
Herr Gremmels, die SPD ist an der Stelle doch ein ganzes Stück weiter. Deshalb würden wir gerne einmal von den GRÜNEN hören, ob sie zustimmen oder ob sie nicht zustimmen, was den Ausstieg angeht. Um diese profane Frage geht es.
Es ist doch eine relativ einfache Frage, ob man diesen mutigen Schritt, den diese Bundesregierung jetzt getan hat, mitträgt oder ob man in dieser schwierigen Situation sagt, man will immer noch eine Stufe obendrauf legen, oder immer sagt, was man nicht will.
Im Bericht der Ethikkommission – Kollege Wagner hat in der Fernsehsendung, in der wir gestern waren, gesagt, er habe ihn gelesen, davon gehe ich aus – steht eindeutig, dass es als Kompensation für den Ausstieg aus der Atomenergie notwendig sein wird, weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen. Dabei geht es nach dem Bericht der Ethikkommission aber nicht nur um flexible Gaskraftwerke, wie Sie es sich wünschen,
sondern auch das Thema Kohle, Herr Kollege Gremmels, wird erwähnt. Wenn es um das Thema Kohle geht, würde ich gern wissen, warum die GRÜNEN das, was die Ethikkommission den Politikerinnen und Politikern ins Stammbuch geschrieben hat, nicht unterstützt. Sie machen es sich an der Stelle ein wenig zu einfach.
Eines muss doch das gemeinsame Ziel sein: Wir wollen aus der Atomenergie sehr schnell aussteigen, aber wir wollen nicht, dass in Deutschland die Lichter ausgehen und dass die Strompreise so hoch werden, dass Unternehmen ins Ausland gehen oder dass sich Menschen in unserem Land Strom nicht mehr leisten können. Das muss das gemeinsame Ziel sein.
Deshalb müsste heute für die GRÜNEN eigentlich ein Tag des Feierns sein. Die GRÜNEN müssten eigentlich sagen: Das ist das, was wir immer erreichen wollten, unsere Mission ist erfüllt.
Ich habe mir gedacht, Sie wollen weitermachen, auch wenn Ihre Mission erfüllt ist. Aber wenn man sich die heutigen Ausgaben der Zeitungen anschaut, stellt man fest, die Kommentatoren erklären ziemlich eindeutig, dass die GRÜNEN in einer ganz schwierigen Situation sind.
Die GRÜNEN sind deshalb in einer ganz schwierigen Situation, weil sie einerseits eines ihrer großen politischen Ziele erreicht haben und sie auf der anderen Seite jetzt nicht einfach zustimmen können, obwohl sie es müssten, weil sie dann neue Themen suchen müssen, für die sie streiten können. Ich muss sagen, das ist in der schwierigen Lage, in der sich die Bundesrepublik Deutschland zurzeit befindet, wirklich kein sehr verantwortungsbewusstes Handeln.
Ich finde, die Sozialdemokraten sind da einen ganzen Schritt weiter. Herr Kollege Gremmels, ich gebe allerdings zu, ich bin der Auffassung, dass die Sozialdemokratie mit einer gespaltenen Persönlichkeit vergleichbar ist. Ich meine nicht Sie persönlich, sondern die Partei an sich. Wenn es nämlich um die SPD geht, ist nicht unbedingt erkennbar, ob die hessische Sozialdemokratie den Kurs für das vorgibt, was die Bundes-SPD macht. Wenn ich Sigmar Gabriel höre, stelle ich fest, das klingt nicht nach dem, was Herr Gremmels sagt. Herr Gabriel hört sich irgendwie anders an als Herr Gremmels; er sieht schließlich auch etwas anders aus.
(Zuruf von der CDU: Er ist in einer anderen Ge- wichtsklasse! – Weitere Zurufe von der FDP, der CDU und der SPD – Glockenzeichen des Präsiden- ten)
Ich freue mich, dass die Mitglieder der SPD solch gute Laune haben. Das ist ein sehr gutes Zeichen. – Wir stellen gemeinsam fest: Herr Gremmels und Herr Gabriel sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Aber sie sagen auch etwas Unterschiedliches. Ich muss sagen: Ich habe das, was Herr Gabriel zu den Themen Kohlekraft und Industrie gesagt hat, als deutlich realistischer empfunden als das, was ich teilweise von den hessischen Sozialdemokraten höre. Darum geht es.
Wir befinden uns in einem ernsthaften Dilemma. Die Liberalen und auch die Christdemokraten haben sich dafür entschieden,
schneller aus der Atomenergie auszusteigen, als wir es eigentlich vorhatten. Das hat seine Ursache in den Ereignissen von Fukushima. Wir erfahren immer wieder Neuigkeiten aus diesen Kraftwerksblöcken. Wer die Bilder gesehen hat, die zuletzt von einem Kamerateam gemacht worden sind, wird feststellen, dass diese Entscheidung für Deutschland richtig ist.
Wer wie die Kollegen von den GRÜNEN – Frau Kollegin Schulz-Asche schätze ich persönlich sehr – und auch wie die Kollegen von der Sozialdemokratie so tut, als ob der Ausstieg einfach wäre und nach dem Motto funktionieren würde: „In den Keller ein paar kleine Blockheizkraftwerke, ein bisschen Gas, und dann brauchen wir die Atomkraft in diesem Land nicht mehr“, führt die Bürger an der Nase herum. Darum muss es doch gehen.
Ich habe nicht ein einziges Mal dazwischengerufen. Glauben Sie mir, das ist mir bei Ihnen wirklich nicht leichtgefallen. Versuchen Sie es einmal; es kann helfen.
Es ist uns deshalb ein Anliegen, weil dieser Atomausstieg für uns eine besondere Bedeutung hat: Die ganze Welt schaut auf uns. Die ganze Welt schaut auch deshalb auf uns, weil man wissen will, ob das, was wir hier vorhaben, möglich ist. Viele sagen, die Deutschen haben sie nicht mehr alle. Andere sagen, wenn es jemand schaffen kann, dann die Deutschen. Ich sage aber auch, wenn wir es nicht schaffen, wird sicherlich kein anderes Land der Welt diesen Weg gehen. Deshalb gehört zu dieser Debatte etwas mehr, als immer nur dem anderen Vorwürfe zu machen.
Ich glaube, wir alle müssen uns bewegen. Herr Kollege AlWazir, ich finde, wenn man an einem Strang ziehen will, sollte man nicht immer nur auf der einen Seite des Strangs ziehen, sondern man muss sich auch selbst bewegen. Ich finde wirklich, dass die GRÜNEN diejenigen sind, die sich zurzeit am wenigsten bewegen.
Doch, Herr Wagner. Ich kann hier nur mein Empfinden wiedergeben. Sie schütteln jetzt den Kopf; aber vielleicht denken Sie einmal darüber nach.
Erstens stimmen die GRÜNEN dem Kompromiss nicht zu, obwohl an dieser Stelle ein gesellschaftlicher Konsens notwendig wäre, um den Bürgern zu zeigen, dass sich die Politiker einmal geeinigt haben. Genauso funktioniert es beim hessischen Energiegipfel, wo wir unter der Leitung von Volker Bouffier versuchen, die verschiedenen Positionen zusammenzuführen. Da ist auch ein Stück weit das Übernehmen von gesellschaftlicher Verantwortung notwendig, dem Sie aber nicht nachkommen. Das bedauere ich.
Zweitens müssen wir im Zusammenhang mit den Energieträgern darüber sprechen, welche fossilen Energieträger – auch nach Meinung der Ethikkommission – überhaupt genutzt werden können. Da gibt es eben nur zwei: Gas und Kohle.
Zu Gas lässt sich Folgendes sagen – das kommt in dem Bericht der Ethikkommission zum Ausdruck, aber auch einige Experten sagen das –: Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat recht gehabt, als er erklärt hat, Gaskraftwerke seien lastflexibler als Kohlekraftwerke. An dem Punkt liegen wir nicht weit auseinander. Aber wir wissen auch um die Probleme bei dem Thema Gas. – Herr Kollege Gremmels, Sie nicken. – Das Problem besteht darin, dass es diesen Rohstoff in Deutschland nicht gibt.
Nicht in dem Umfang, wie wir ihn brauchen. Das ist das Problem, und das wissen Sie genau. – Wir machen uns von anderen Ländern abhängig, aus denen wir diesen Rohstoff importieren. Wir müssen einmal darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, dass wir als Industrienation uns in diesen Bereichen komplett vom Ausland abhängig machen. Diese Frage wird doch gestellt werden dürfen.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Timon Grem- mels (SPD): Wir sind auch jetzt vom Ausland abhängig!)
Der FDP ist es besonders wichtig, dass dieser Atomausstieg nicht zur Folge hat, dass der Strompreis in die Höhe schnellt und dass die produzierende Industrie – Sigmar Gabriel sieht das an der Stelle übrigens genauso – aus Deutschland wegzieht, weil sie sich den Strom hier nicht mehr leisten kann.
Wir haben heute Vormittag im Landtag sehr betont – jedenfalls der Teil, den es interessiert hat –, dass dieser Wirtschaftsaufschwung ein Erfolg ist. Der Wirtschaftsaufschwung ist auch ein Stück weit davon abhängig, ob sich die Unternehmen den Strom in Deutschland leisten können.
Volker Bouffier hat vor Kurzem an diesem Pult ein Beispiel aus meinem Wahlkreis erwähnt: ein Unternehmen, das letztes Jahr einen Produktionsbetrieb in die USA verlegt hat. Der Unterschied im Strompreis beträgt aktuell 50 %. Aufgrund dessen, was wir jetzt erwarten – in Prognosen ist das schwer abzuschätzen –, wird es nicht bei 50 % bleiben, sondern der Unterschied wird größer werden. Deshalb sind diese Fragen zu stellen. Wer sie nicht stellt, handelt verantwortungslos. So wird ein Schuh daraus.