Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich fordere Sie deshalb auf, Ihre Quellen und Ihre Rechnungen spätestens in der Anhörung offenzulegen, die wir im Ausschuss beantragen werden. Die Landesregierung verliert in ihrem Gesetzentwurf auch kein Wort darüber, dass die Träger aufgrund der sogenannten Vorhaltepflicht unabhängig von der Höhe der Förderung verpflichtet sind, die bewilligten Stellen auch tatsächlich vorzuhalten.

Eine völlig unzureichende Förderung des Landes für diese Personalstellen wird ganz eindeutig ab 2012 – es droht jedenfalls – dazu führen, dass die Zuschüsse der Kommunen und der Kreise, die Eigenmittel der Träger und Spendenmittel künftig in größerem Umfang als bisher für die eigentliche Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe eingesetzt werden. Das ist nicht im Sinne des Gesetzes.

Es wird natürlich, wenn dies so geschieht – das wird so geschehen müssen, wenn Sie eine Mehrheit für Ihren Gesetzentwurf haben –, unzweifelhaft zum Abbau der präventiven, der ergänzenden Arbeit dieser Beratungsstellen führen, und zwar der Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt und anderem. Das ist eine völlig fatale Fehlentwicklung, die Sie einleiten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Eine jahrelang geltende und außerdem über Jahre unveränderte Bezugsgröße wird über den Haufen geworfen und durch eine absolut willkürliche und nicht nachvollziehbare neue Berechnung ersetzt. Sie versuchen, uns hier Sand in die Augen zu streuen, um ein dubioses Rechenexempel plausibel erscheinen zu lassen. Die Förderung liegt nach der beabsichtigten Kürzung um nahezu ein Viertel im Jahr 2011 damit noch unter dem Förderniveau von 2005 und zieht zusammen mit der unsicheren und im Bereich der freiwilligen Leistungen verorteten Kofinanzierung der Kreise und Kommunen unweigerlich den Abbau und Wegfall von ergänzenden, flankierenden und präventiven Aufgaben nach sich.

Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit – ich sage nur: Sozialpädagogik, Sexualpädagogik für Kinder und Jugendliche, Paar- und Sexualberatung, Beratung zu PID und anderes – ist mit dieser drastisch reduzierten Förderpauschale nicht leistbar.

Frau Kollegin Fuhrmann, Sie müssten zum Schluss kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Bedauerlich! Guter Beitrag!)

Erkennbar ist, dass der Landesregierung die gut ausgebauten Strukturen des pluralen Angebots nicht so viel wert sind, wie sie es sein sollten. Ich sage zum Schluss: Wer 25 Millionen € für die EBS versenkt,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

der sollte auch die präventiven Aufgaben im Sozialbereich auskömmlich finanzieren und nicht wegen 2 Millionen € sehr viel Gutes, was da passiert und was wir alle gemeinsam unterstützen, beenden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Das Wort hat die Abg. Schulz-Asche, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Beratung in Schwangerschaftskonfliktsituationen ist für Frauen ein sehr wichtiges psychosoziales Angebot. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, diese Angebote zu erhalten. Herr Minister, das haben Sie gerade noch einmal unterstrichen. Ich möchte das deswegen betonen, weil man bei einigen Diskussionen, auch innerhalb von Kirchenkreisen, aber auch von konservativen Politikern, ab

und zu das Gegenteil vermutet. Ich glaube aber, das ist nicht der Gegenstand dessen, was wir heute diskutieren.

Wir beraten heute das Hessische Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz. Wir wissen alle, dass es für Frauen sehr schwierige Entscheidungen sind, sich für oder gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Diese Beratung berät nicht nur, sondern sie begleitet auch die Frauen bei diesen Entscheidungen. Das Flächendeckende und die Vielfalt der Träger sind sehr wesentlich. Es gibt einen breiten Konsens, dieses Angebot zu erhalten.

Die Bundesländer sind verpflichtet, die Finanzierung sicherzustellen, und zwar mit 80 % der – ich betone – notwendigen Personalkosten. In Hessen gibt es 152 Beratungspersonalstellen, die in pauschalierter Form diese Leistungen erhalten. Auch darüber besteht weitgehend Einigkeit hier im Hause.

Nun hat uns die Landesregierung allerdings in relativer Eile einen Gesetzentwurf vorgelegt, wo es im Gesetzesvorblatt heißt, dass man das Ziel erreichen wolle, „die Pauschale bei freien Trägern auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, um das Bewilligungsvolumen ab 2012 für die folgenden fünf Jahre auf durchschnittlich 65.000 € pro Jahr und Stelle zu senken“.

Der Punkt, der hier hauptsächlich diskutiert werden wird, ist also die Frage der Angemessenheit. Sie reden von Angemessenheit. Aber die gesetzliche Verpflichtung besteht in der Notwendigkeit. Angemessenheit ist für mich sehr beliebig. Notwendigkeit heißt für mich Qualität der Beratung. Von daher wird die Frage der Angemessenheit unter dem Aspekt der Qualität zu diskutieren sein. Ist mit diesen Pauschalen, die Sie vorschlagen, in der Summe tatsächlich gute Qualität in Vielfalt flächendeckend erhaltbar?

Wir werden das in der Anhörung klären, die zu diesem Gesetzentwurf stattfinden wird. Wir werden eine solche beantragen, um gerade auch den Beratungsstellen, z. B. von pro familia und den Wohlfahrtsverbänden, die Möglichkeit zu geben, die Notwendigkeit der Förderungshöhe darzustellen.

Übrigens habe ich mit sehr viel Freude gehört, wie Sie in Ihrer Rede angedeutet haben, dass Sie durchaus bereit sind, über andere Lösungen zu diskutieren. Von daher hoffe ich, dass wir es nicht mit einer pauschalen Kürzung aufgrund der Notwendigkeiten des Landeshaushaltes, sondern mit einer Diskussion zu tun haben, wo es um den Erhalt, die Qualitätsverbesserung der Beratung geht.

Wie es im Moment aussieht, ist der Gesetzentwurf für uns nicht zustimmungsfähig. Aber ich denke, dass wir gerade hier ein Gesetz haben, wo wir in einer breiten Diskussion über die Notwendigkeiten und die Angemessenheit von Fördermitteln im Ausschuss diskutieren und nach der Anhörung die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen werden. Das kann unter Umständen auch ein Mehr an Förderung sein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Abg. Mick, FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Lassen Sie mich zu Beginn der Ausführungen einen kurzen geschichtlichen Blick auf das Jahr 1971 werfen. Das passt ganz gut. Am 6. Juli 1971 druckte die Illustrierte „Stern“ unter dem Titel „Wir haben abgetrieben“ die Geständnisse von 374 Frauen ab, abgetrieben zu haben. Darin waren Berichte von unter anderem so bekannten Persönlichkeiten wie etwa Romy Schneider oder Senta Berger zu lesen, aber auch von vielen unbekannten Frauen, die ihr sowohl körperliches als auch seelisches Leid in der damaligen Zeit mit Abtreibungen geschildert haben.

Das hat damals zu einer großen Debatte geführt. Der fast 40. Jahrestag dieses Ereignisses und die Schilderung des Leids der betroffenen Frauen geben uns Anlass, daran zu erinnern, wie viele Fortschritte unsere Gesellschaft bei diesem so schwierigen Thema mittlerweile gemacht hat. Ich finde es gut, dass wir in Deutschland jetzt eine Regelung gefunden haben, die sowohl die Interessen und Rechte der betroffenen Frauen als auch die Interessen des Lebensschutzes sehr gut in Einklang gebracht hat.

(Beifall bei der FDP)

Ich denke, es passt sehr gut, dass wir fast auf den Tag genau 40 Jahre danach den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz beraten. Neben der schon angesprochenen Schaffung von Rechtsklarheit dadurch, dass die Verordnungsregelungen in das Gesetz aufgenommen werden, ist – die Rednerinnen zuvor haben darauf hingewiesen; auch Herr Staatsminister Grüttner hat darauf hingewiesen – die Anpassung und Reduzierung der Förderpauschale das wichtigste Thema dieses Gesetzentwurfs. Die Förderpauschale wird verringert. Die Kürzungen sind schmerzlich. Das muss man sagen. Sie sind sehr stark. Aber ich denke, dass sich die Schmerzlichkeit dieser Kürzungen relativiert, wenn man den Blick auf die absoluten Zahlen richtet. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Bundesländer im Durchschnitt 54.000 € zahlen, dann sind wir mit der Absenkung auf im Schnitt 65.000 € immer noch deutlich über dem Durchschnitt der Flächenländer.

(Petra Fuhrmann (SPD): Was zahlen die anderen Bundesländer zur Prävention?)

Wenn man sich vor Augen führt, dass selbst das reiche Bayern nur 42.000 € zahlt, dann heißt das, dass wir auch nach den notwendigen und schmerzhaften Kürzungen immer noch deutlich über dem Schnitt sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): Die Berechnungsgrundlage fehlt doch!)

Der Minister hat darauf hingewiesen. Wir waren schon im Jahr 2010 bei 77.000 €. Wenn man die Berechnungsgrundlage so fortgeschrieben hätte, wäre das haushaltstechnisch nicht leistbar gewesen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Aha!)

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir im Ausschuss weiter über das Thema diskutieren werden.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wie gesagt, die Schuldenbremse!)

Das ist schwierig. Wir werden darüber diskutieren. Ich denke, wenn man die Vorgaben der Haushaltskonsolidierung und gleichzeitig die Beibehaltung des hohen Ni

veaus, das wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern haben, ernst nimmt, dann ist das trotz der schmerzhaften Kürzungen ein gut vertretbares Ergebnis. Wir werden abwarten, was die Ausschussberatungen und die Anhörung ergeben. Aber insgesamt muss man als Ergebnis festhalten: Wir in Hessen sind mit der Förderung immer noch deutlich in der Spitzengruppe der Bundesländer. Das sollte man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Aber die zahlen für Prävention und haben eine andere Berechnungsgrundlage!)

Herzlichen Dank, Kollege Mick. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Mick, Sie haben es gerade geschafft, mich echt sprachlos zu machen. Dazu gehört schon etwas.

(Zurufe von der FDP)

Die Kürzung der Mittel über eine Herleitung der Geschichte des Leidens der Frauen, des Kampfes um den Widerstand – –

(Clemens Reif (CDU): Sie wissen doch am allerbesten, wie das geht! – Zurufe von der FDP)

Ich finde es unerhört, wie Sie gerade hereinreden. Ich glaube, als Mann sollten Sie vielleicht einfach einmal zuhören. Das wäre angemessen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich finde es derart unangemessen, wie hier mit dem Thema umgegangen wird. Das Leiden der Frauen als Herleitung und Begründung anzuführen, bezogen auf – –

(Clemens Reif (CDU): Ganz schlimm! Wer mit Mitarbeitern so umgeht wie Sie! – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) – Weitere Zurufe)

Frau Abgeordnete, einen Moment. – Meine Damen und Herren, ich bitte doch wirklich, die Zurufe etwas zu kanalisieren und friedlicher zu gestalten. Das gilt für alle Abgeordnete auf allen Seiten des Hauses. – Das Wort hat Frau Abg. Schott.

Als Einleitung Ihres Vortrags die Geschichte der Frauen, der Frauenbewegung und des Widerstandes gegen § 218 sowie das hart erkämpfte Recht in Zusammenhang mit den Kürzungen zu bringen, die am heutigen Tag beraten werden sollen,

(Clemens Reif (CDU): Das müssen Sie sich schon anhören! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist unerträglich!)