Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Ich glaube, dass zu einem vernünftigen Dialog auch gehört, dass man sich gegenseitig zugesteht, an einer Stelle, wo gar kein Dissens besteht, keinen künstlichen Dissens aufzubauen. Das, was die Landesregierung gerade in diesem Bereich getan hat,ist wirksam.Das Audit Familie und Beruf wird von den Beschäftigten sehr dankbar angenommen.

Wenn wir jetzt sagen, wir wollen das aus den Ministerien in die gesamte Landesverwaltung hineintragen, dann verspreche ich mir sehr viel davon. Wenn ich zur Kenntnis nehme, dass in dem Ministerium, das ich jetzt leiten darf, über 80 Telearbeitsplätze bei 420 Beschäftigten vorhanden sind, dann ist das doch wirklich glaubwürdiges frauenpolitisches Engagement. Wenn man bei dieser Gelegenheit zu dem, was viele Arbeitgeber befürchten – dass das in einer Situation mit der Kommunikation, mit Rücksprachen etwas schwieriger wäre –, deutlich macht, dass ich das in der neuen Verantwortung überhaupt nicht spüre, sondern dass das ganz offensichtlich reibungslos funktioniert, dann ist das eine Werbung für solche Maßnahmen, die wirklich Frauen zugutekommen.

Wenn Sie sich die Koalitionsvereinbarung anschauen und sehen, dass es, wenn überhaupt, einen finanziell expansiven Bereich gibt und das der Bereich der Kinderbetreuung ist,dann ist auch dies glaubwürdiges frauenpolitisches Engagement.

Wir können darüber diskutieren, ob das die wirksamsten Mittel sind, ob man noch bessere und noch andere findet. Aber wir sollten uns nicht gegenseitig das Engagement abstreiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zahl 23 % eine Momentaufnahme ist und wir schon in einem nicht mehr änderbaren Trend sind, der dies deutlich verbessert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Abg. Fuhrmann.

Herr Staatsminister, als Erstes möchte ich den Begriff des hyperaktiven Kindes in aller Schärfe zurückweisen. Das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich bin weder Ihr Kind noch hyperaktiv. Ich bin hier Landtagsabgeordnete.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren!

Ich habe versucht, das zu tun, was parlamentarische Gepflogenheit ist, nämlich Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Das haben Sie nicht zugelassen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber diese Klassifizierung ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Ihr Geblöke ist auch daneben.

Jetzt kommen wir zum Kern der Sache.Herr Kollege Banzer, warum ich Ihnen eine Zwischenfrage stellen wollte – es wäre ganz schnell gegangen –: Sie gehen in Ihrer Rede von einer völlig falschen Grundannahme aus. Die ist einfach unlogisch, es tut mir leid. Sie versuchen, eine Lohn

differenz von 23 % auf irgendwelche Kennzahlen oder Teilzeitarbeit von Frauen zurückzuführen. Das ist einfach Unsinn. Das ist schlichter Unsinn.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das ist der Durchschnittsstundenlohn von Frauen und Männern. Da ist es vollkommen unerheblich, ob die Frau zehn Stunden in der Woche arbeitet – denn dann arbeitet sie zehnmal für diesen Stundenlohn mit 23 % weniger – oder ob sie 30 Stunden arbeitet. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen, laut Statistischem Bundesamt,

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Die Teilzeitarbeit wird schlechter bezahlt!)

beträgt 13,91 c im Jahre 2006, während der von Männern bei 17,99 c pro Stunde liegt. Das ist eine Differenz von 4,08 c Stunde für Stunde. Es sind selbstverständlich schlechter bezahlte Berufe.Es ist aber eine ganz miese Erklärung, zu sagen, das liege daran, dass die Frauen in Teilzeit sind. Darauf wollte ich Sie hinweisen. Überprüfen Sie Ihre Argumentation. Sie ist unlogisch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Jürgen Banzer: Sie haben es nicht verstanden!)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Entschließungsantrag wird überwiesen?

(Axel Wintermeyer (CDU):Abstimmen!)

Gut, ich lasse abstimmen über den Tagesordnungspunkt 16, Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Equal Pay Day: unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern endlich abbauen. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen?

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ist das peinlich!)

Frau Schott, wir sind in einer Abstimmung. Vielleicht können Sie in dieser Zeit nicht dazwischenrufen. – Ich stelle fest, dass der Antrag abgelehnt worden ist bei Zustimmung der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, bei Ablehnung der Fraktionen der CDU und der FDP.

Den Dringlichen Antrag der SPD überweisen wir?

(Axel Wintermeyer (CDU): Nein!)

Entschuldigung, ich bin ein Diener dieses Hauses.

(Volker Hoff (CDU): Der erste Diener dieses Hauses!)

Wir beschließen über den Tagesordnungspunkt 75, Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern. Wer vermag dem zuzustimmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag ist angenommen bei Zustimmung von CDU und FDP, bei Ablehnung durch die LINKEN und Enthaltungen durch die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu den letzten jetzt aufzurufenden Punkten – nur als Hinweis.

Tagesordnungspunkt 17:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend kommunales Wahlrecht für Drittstaatenangehörige – Drucks. 18/207 –

mit dem

Tagesordnungspunkt 68:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger – Drucks. 18/297 –

Redezeit: fünf Minuten. Erste Wortmeldung, Herr Schaus für den Antragsteller, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hatte in der zurückliegenden Legislaturperiode bereits einen Antrag eingebracht, der wegen der Auflösung des Hessischen Landtags nicht mehr behandelt werden konnte und der das gleiche Ziel verfolgt wie der uns nun vorliegende Antrag, nämlich die Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaater.Im vorliegenden Antrag wird – das ist neu – ausdrücklich gewürdigt, dass sich inzwischen in Hessen und Rheinland-Pfalz ein breites Bündnis aus Migrantenverbänden, Gewerkschaften, den katholischen und evangelischen Wohlfahrtsverbänden und Jugendverbänden gebildet hat, um unter dem Motto „Demokratie braucht jede Stimme – kommunales Wahlrecht für Drittstaater“ dieses für unsere Demokratie und die Integration wichtige Anliegen durch zivilgesellschaftliches Engagement in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich zunächst eine grundsätzliche Bemerkung machen, weil bereits zwei parlamentarische Initiativen im Geschäftsgang sind, die dieselbe Überzeugung verfolgen. Die LINKE möchte eine Wiederbelebung von Demokratie und Mitbestimmung in unserer Gesellschaft,

(Axel Wintermeyer (CDU): Wiederbelebung der Demokratie? – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ach, Herr Wintermeyer!)

um der Ungleichbehandlung von Menschen, der Politikverdrossenheit, aber auch dem völligen Abheben von Entscheidungsträgern sichtbar und wirksam entgegenzuwirken. Demokratie bedeutet Gleichheit und Mitbestimmung aller Menschen. Insofern bin ich immer wieder betroffen, wenn sich CDU und FDP gegen mehr Mitbestimmung und die Ausweitung des demokratischen Prinzips aussprechen und sich gleichzeitig als Hüter der Demokratie schlechthin aufspielen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will hier trotzdem den Versuch machen, mit einigen wenigen Argumenten für mehr Demokratie am Beispiel des Wahlrechts für Drittstaater vor allem zu Ihnen durchzudringen. Auf die allgemeine Politikverdrossenheit, die bei Kommunalwahlen zu Beteiligungen von oft gerade noch einem Drittel der Wahlberechtigten führt, und ihre Gründe will ich nur kurz hinweisen.

Hier müssten sich die etablierten Parteien einmal selbstkritisch fragen, was sie eigentlich in der Vergangenheit gemacht haben oder, positiv gewendet, was sie in der Zukunft richtig machen könnten, damit sich wieder mehr Menschen in die politischen Entscheidungsprozesse ein

bringen. Hierzu können und wollen wir als LINKE gern unseren Beitrag leisten.

Wenn man in Betracht zieht, dass in den Großstädten 20 % der Bevölkerung überhaupt nicht wahlberechtigt sind, weil sie aus Nicht-EU-Staaten zu uns nach Deutschland kamen, dann muss man schlussendlich erkennen, dass die gewählten kommunalen Mandatsträger nur noch einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung repräsentieren. Die einen dürfen nicht wählen, weil man ihnen das Wahlrecht abspricht; die anderen wollen nicht wählen, weil mit der Stimmabgabe kaum noch eine Auswahlmöglichkeit und eine Einflussnahme verbunden sind.

Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, dass sich der Hessische Landtag für die Unterstützung einer Bundesratsinitiative ausspricht, die derzeit wegen des Widerstands der Unionsländer auf Eis liegt.