Sie haben alle zu anderen Zeiten Abitur gemacht. Ich denke, dass dies damals noch anders war als das, was im Augenblick bei den Schülern abgeht.
Lassen Sie mich die subjektiven Wahrnehmungen derjenigen, die in unseren Schulen auf das Leben danach vorbereitet werden sollen oder in ihnen arbeiten, auf den Punkt bringen:
Das Zentralabitur führt zu immer neuen Problemen. Der Arbeitsaufwand für die Vorbereitungen übersteigt den für das dezentrale Abitur um ein Vielfaches. Die Jugendlichen werden zunehmend überfordert, während sich gleichzeitig die Qualität des Unterrichts verschlechtert. Man kann wohl nur attestieren, dass sich immer wieder bewahrheitet,was von den Betroffenen,in diesem Fall der GEW, bereits 2003 bzw. 2005 vorausgesagt worden ist.
In einer Erklärung, die die Landesdelegiertenversammlung 2005 als höchstes Gremium verabschiedete, heißt es:
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ein Blödsinn! – Gegenruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist so!)
Für jede Lehrkraft,die ihre Schülerinnen und Schüler gut auf das Abitur vorbereiten will, führt dies zu einem Pauk- und Wiederholungsunterricht.
Für das Erlernen anderer Methoden, für interessante Umwege, für kritisches Reflektieren, für schlussfolgerndes Denken, für kreativen Transfer bleibt dabei wenig bis gar keine Zeit.
Damit kommen selbstständiges Arbeiten, wissenschaftspropädeutisches Lernen und Eigenverantwortung für den Lernprozess als Ziele der gymnasialen Oberstufe zu kurz.
Das Zentralabitur muss an den individuellen Fähigkeiten unserer Schülerinnen und Schüler vorbeigehen und Gleichmacherei betreiben, weil es alle wichtigen Kontextbedingungen, wie den konkreten Unterricht, die jeweiligen Lernbedingungen und die Lernsituation, die didaktische Umsetzung der Rahmen- und Strukturpläne, unberücksichtigt lassen muss.
Unser Fazit, das auch jenes der unmittelbar Betroffenen ist, lautet daher: Das Zentralabitur nivelliert den Unterricht, begünstigt den frontalen Paukunterricht, erzeugt während der gesamten Oberstufe Stress für alle Beteiligten, entmündigt alle am Abitur Beteiligten,
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Junge, Junge, Junge! Wenn ich so viel pädagogischen Schwachsinn höre! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
behindert den Erwerb von Schlüsselqualifikationen, wie Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, Kreativität und selbständiges Lernen. Es kann zur politischen Steuerung von Lernzielen führen.
(Lebhafte Zurufe der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE), Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Frau Ministerin Henzler, unser Vorschlag ginge eher dahin, das Zentralabitur durch das vorherige dezentrale Abitur zu ersetzen, wie es auch insbesondere die FDP
in ihrer Landtagsdrucksache ausführt, die immer wieder „individuelles Lernen nach Neigung und Begabung“ verspricht, ohne dieses Versprechen einzulösen. Individuell und pädagogisch ist an einem Zentralabitur nun wirklich gar nichts mehr. Es schert alle Kinder, so individuell sie auch sind, über einen und denselben schlechten Kamm.
Zum Abschluss:Bitte nehmen Sie noch einmal Stellung zu dem eingangs erwähnten Problem des Nachschreibetermins sowie des Physikabiturs. – Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, hochverehrter Herr Präsident! Es hat Fehler im Fach Mathematik gegeben, und es
in den Fächern Französisch, Physik und Informatik gegeben. Ich sage in aller Ruhe: Solche Fehler dürfen nicht passieren – ich glaube, da sind wir uns einig –, auch wenn wir als Menschen Fehler machen. Das ist nicht auszuschließen. Hier muss aber durch entsprechende Maßnahmen erreicht werden, dass im Interesse der Schüler solche Fehler in Zukunft nicht mehr geschehen. Deshalb erwarten wir als Landtag eine entsprechende Klarstellung, eine Schilderung, wie es dazu kommen konnte. Wir erwarten eine Darstellung im Kulturpolitischen Ausschuss, wie die Wiederholung verhindert werden kann und welche zusätzlichen Kontrollmechanismen eingezogen werden können.– Das ist das eine.Diese Fehler sind gemacht worden. Sie sind bedauerlich. Das ist unstreitig.
Auf der anderen Seite sage ich ausdrücklich: Aus unserer Sicht hat die Ministerin im Nachgang richtig gehandelt.
Sie hat die Möglichkeit eingeräumt, dass die Klausur auf freiwilliger Basis wiederholt werden kann. Sie hat gesagt – auch das ist richtig –:Im Zweifelsfall entscheidet die bessere Wertung. – Was ich für beachtenswert halte – ich sage das ausdrücklich –: Sie hat sich höchstpersönlich ausdrücklich entschuldigt.
Natürlich ist die Situation für die Betroffenen – da machen wir uns auch nichts vor – unbefriedigend. Die jungen Leute sind in einer angespannten Situation. Die zweite Prüfung im Abitur steht vor der Wiederholung. Das bedeutet mehr Arbeit für die Schüler,aber auch mehr Arbeit für die Pädagogen. Auch deshalb halte ich es für richtig, dass die Ministerin gesagt hat: Hier müssen wir über Entlastungen für die Pädagogen nachdenken. Denn sie sind nun zusätzlich belastet.
Im Klartext: Es ist eine absolut ärgerliche Panne, und eine Wiederholung muss für die Zukunft ausgeschlossen werden. Das ist das eine.
Meine Damen und Herren, zweitens.Was nicht sein kann und darf, ist, dass Sie diese Panne zu einem Votum gegen das Zentralabitur instrumentalisieren. Denn das steckt eigentlich dahinter.
Es geht Ihnen doch gar nicht um diese Panne. Sie sind doch klammheimlich eigentlich ganz froh darüber, dass diese Panne passiert ist,weil Sie das aus Ihrer Sicht als Beleg dafür nehmen können, dass das Zentralabitur gescheitert ist, weil Sie das ohnehin politisch nie wollten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Kollege Wagner, es wird Ihnen auch nicht gelingen, uns auseinanderzudividieren. Divide et impera, teile und herrsche, nach dem Motto: Herrn Banzer wäre das alles nicht passiert. – Gute Christdemokraten sind bei Ihnen