(Demonstrativer Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wagner, hätten Sie ihn mal vorher gelobt, dann wäre das ein bisschen glaubwürdiger gewesen.
Sie haben schon im Mai 2007 erklärt, das Landesabitur führe zu Qualitätsverlusten. Die GEW ist prinzipiell dagegen. Das wissen wir sowieso. Sie ist gegen alles. Frau Kollegin Habermann hat für die SPD im „Wiesbadener Kurier“ am 13.03.2007 öffentlich erklärt: „Das Landesabitur führt zu Stress, Schulangst und Gleichmacherei.“ Überlegen Sie einmal: Ausgerechnet die SPD warnt vor Gleichmacherei. Das ist schon erstaunlich.
Da wird der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben. – Frau Kollegin Habermann hat noch hinzugefügt: Landesabitur bedeutet Pauken – – Frau Kollegin Fuhrmann, welche Brille haben Sie denn heute auf?
(Petra Fuhrmann (SPD): Beide! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Demonstrativer Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Frau Kollegin Habermann führt weiterhin aus: „Landesabitur bedeutet Pauken und nicht Denken.“ Verehrte Frau Kollegin, wenn ich das höre, muss ich ganz offen sagen: Das sind inhaltslose Phrasen. Da wird leeres Stroh gedroschen: als ob ein Abiturient nur pauke und nicht denke.
Das ist eine Diffamierung der Leistungen unserer Schüler in diesem Lande und auch eine Diffamierung der Leistung unserer Pädagogen, wenn Sie das Abitur in der Vergangenheit in dieser Form abqualifizieren. Sie wissen doch überhaupt nicht, was im Abitur abläuft.
Sie haben noch nie vor einer Klasse gestanden. Sie haben noch nie Abiturarbeiten konzipiert und entworfen.
Sie wissen es nicht. Das gilt auch für Ihre diffamierenden Aussagen. Natürlich, fragen Sie Ihren Nachbarn, den Kollegen Quanz. Der weiß das doch. Da geht es um das Abstraktionsvermögen. Es geht um Transferleistungen, und es geht auch um Wissen, um Fakten. Das ist die Realität. Aber das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen. Sie waren gegen das Landesabitur. Sie sind es bis heute, und Sie haben überhaupt nicht begriffen, dass Sie in Deutschland der Letzte auf dem Zug sind.Alle anderen Bundesländer haben mittlerweile das Landesabitur. 2002: Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, alle fünf neuen Bundeslän
der. Damals hat Bildungsminister Reiche, SPD Brandenburg, erklärt: „Wir führen das Zentralabitur ein. Damit könnte die Leistung der Schüler einheitlich bewertet werden.“
Johannes Kahrs, der Sprecher des Seeheimer Kreises – mit diesem Kreis haben Sie Ihre eigenen Erfahrungen – hat öffentlich erklärt:„Wir sind für das Zentralabitur,weil wir die Abschlüsse damit vergleichbar machen können und weil es mehr Transparenz bedeutet.“
Hessen hat es 2007 eingeführt, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen haben es eingeführt, und sogar das von einer Volksfront regierte Berlin hat das Zentralabitur eingeführt.
2007 kam Schleswig-Holstein hinzu. Selbst Ihr OECDPapst Schleicher hat sich am 28.12.2007 für das Landesabitur, das Zentralabitur, ausgesprochen.
Warum haben wir es denn damals eingeführt? Warum führen es andere ein? – Weil es Vorteile hat: mehr Vergleichbarkeit, mehr Transparenz, mehr Bildungsgerechtigkeit und auch mehr Leistung. Ich erinnere an Prof. Rauin, den wir vor wenigen Tagen bei der VhU hatten. Da waren alle bildungspolitischen Sprecher dabei. Prof. Rauin von der Universität Frankfurt hat nicht nur dort, sondern auch woanders öffentlich erklärt: Zentrale Prüfungen steigern auch die Leistungen. Das bedeutet, dass wir damit unsere jungen Leute auch hochschulfester machen.
Wir können doch nicht tatenlos dabei zuschauen, wenn 25 % eines Jahrgangs in letzter Konsequenz beim Studium scheitern und es abbrechen.
Da müssen wir doch etwas tun. Wir müssen die Grundlagen verändern und die Studierfähigkeit im Vorfeld erhöhen.
Gleichwohl haben wir nach wie vor Raum für Individualität. Wir haben ein viertes Prüfungsfach, nämlich das mündliche, und wir haben eine Projektprüfung, sodass auch beim Abitur individuelle Vorlieben letzten Endes berücksichtigt sind. Mit anderen Worten sind das erhebliche Vorteile für Schüler. Es gibt aber auch gemeinsame Vorteile für Pädagogen und Schüler, denn durch das Landesabitur sitzen im Grunde genommen jetzt beide in einem Boot.
Damit werden natürlich auch Leistungen von Lehrern auf die Probe gestellt bzw. bewertet. Im Klartext heißt das: Wir haben Entlastungen für die Pädagogen.Allein das Erstellen von Abituraufgaben, wie es früher notwendig war, hat die Weihnachtsferien gebunden. Das ist nicht mehr
der Fall. Wir haben Vorteile für die Schüler. Deshalb haben auch die großen Verbände wie der Philologenverband, der VBE und andere sich öffentlich dafür ausgesprochen, dass das Zentralabitur kommt. Sämtliche SPDKultusminister sind dafür, wir sind dafür, CDU und FDP sind dafür, und die Einzigen, die immer dagegen sind, sind die hessischen Sozialdemokraten. Bleiben Sie in Ihrer Steinzeit.Aber wir haben das richtig gemacht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Irmer, vielleicht hätte ich meine Wortmeldung doch vor der Ihren abgeben sollen. Dann hätten Sie sich wenigstens auf die Rede beziehen können, die ich halte, und nicht auf das, was in Ihren Fantasien vorgeht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich habe Sie zitiert! Haben Sie das gesagt oder nicht?)
Herr Irmer, die ersten zwei Minuten haben mir noch ganz gut gefallen, denn Sie waren recht demütig und der Sachlage angemessen. Aber wenn Sie danach über fünf Minuten hinweg das Hohelied des Zentralabiturs singen und die SPD beschimpfen, dann zeigt das, dass Sie die Tragweite dessen, was am Freitag passiert ist, nicht verstanden haben und auch nicht bereit sind, die entsprechenden Konsequenzen einzufordern.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Wir haben heute keinen Antrag gestellt, das Zentralabitur abzuschaffen, sondern wir wollen uns damit auseinandersetzen, was in der vergangenen Woche passiert ist. Dies war auch kein Einzelfall. Man kann es nicht mit Worten wie „kleinere Pannen“ und „Fehler passieren“ immer wieder abtun.
Wir erkennen ausdrücklich an, Frau Kultusministerin, dass Sie sich bei den Schülerinnen und Schülern entschuldigt haben. Das ist lobenswert. Es war nicht Ihre persönliche Verantwortung, was am Freitag passiert ist.Aber auch wenn das nicht Ihre persönliche Verantwortung war, so ist es doch folgerichtig, dass die Eltern, Lehrkräfte und Schüler klare Botschaften erwarten, wie solche Pannen zukünftig vermieden werden und welche Konsequenzen die Landesregierung über das Tagesereignis hinaus aus der Tatsache zieht, dass die Fehler in der diesjährigen Mathematikprüfung zwar besonders spektakulär waren, aber beileibe kein Einzelfall sind. Da genügt es eben nicht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Zentralabitur richtig ist, sondern dann muss man vonseiten des Kultusministeriums auch einmal hinter die Kulissen schauen.
Im vergangenen Jahr war es „Don Carlos“, der zur Verwirrung in der Deutschprüfung und für öffentliche Diskussionen sorgte. Doch im Schatten einer falschen Funktionsgleichung und von „Don Carlos“ gab es regelmäßig kleine Fehler in den Prüfungsunterlagen. Eltern und Schüler müssen doch geradezu in Panik geraten, wenn in der „Hessenschau“ der Leiter der Wöhlerschule aus Frankfurt freimütig bekennt, es gebe eigentlich insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern jedes Jahr Fehler, die die Schulen zu Reaktionen am Prüfungstag zwingen.
Frau Kultusministerin, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie in der Tradition der hessischen Bildungspolitik des vergangenen Jahrzehnts Versäumnisse, Irrwege und Fehler unter den Teppich kehren und schönreden wollen oder ob Sie tatsächlich den bildungspolitischen Murks beseitigen wollen, den insbesondere Kultusministerin Wolff den Schulen in diesem Land hinterlassen hat.
Ich will dabei auf ein Bild rekurrieren, das Sie schon zu Beginn der Vorstellung der Koalitionsergebnisse benutzt haben, Frau Kultusministerin.Wenn Sie weiter versuchen, mit dem alten, abgelaufenen schwarzen Schuh voranzukommen, dann werden Sie immer öfter ins Stolpern geraten. Ein paar gelbe Schnürsenkel als Verzierung zur optischen Aufwertung genügen eben nicht. Ich kann Ihnen nur dringend raten:Wenn Sie ein paar neue Schuhe besitzen, dann packen Sie sie endlich aus, und beginnen Sie auch damit zu laufen, damit das im Kultusministerium, was hier an Pleiten, Pech und Pannen passiert, endgültig der Vergangenheit angehört.
Sie laufen sonst Gefahr, erfolglose Anwältin einer Schulpolitik zu werden, die in ihrem Regulierungs- und Zentralisierungswahn Tür und Tor für Vorkommnisse öffnet, wie wir sie bei dem diesjährigen Zentralabitur erlebt haben.