(Florian Rentsch (FDP): Sagen Sie endlich Ihre Vorschläge! Ein bisschen weniger heiße Luft wie bei Herrn Kretschmann und in Rheinland-Pfalz!)
Herr Kollege Rentsch, ich bin sehr zufrieden damit, dass Sie hier permanent versuchen, die Opposition zu geben. Herr Kollege Rentsch, Sie sind in der Regierung; Sie müssen hier Lösungsvorschläge machen.
Sie haben diesen Staatsvertrag als Regierung verhandelt, und Sie haben keinerlei Antworten auf die Problemlagen dieses Bereichs gegeben. Sich hierhin zu stellen und allein zu sagen: „Wir liberalisieren das mal“, wie Sie es gern machen, nach dem Motto: „Die Rosinen verlassen den Kuchen,
wir verteilen das Geld einmal an die, die ihre Gewinne machen, und das, was dann für soziale Einrichtungen, den Sport und die Jugendverbände finanziert werden muss, bleibt beim Staat hängen“, das ist genau die Art und Weise, wie die FDP in den vergangenen Jahren hier Politik gemacht hat.
Vielen Dank, Kollege Frömmrich. Herr Kollege Frömmrich, ich will zu Ihrer Beschwerde von vorhin, dass die beiden Herren Minister miteinander gesprochen haben, nur noch einmal darauf hinweisen: Das ging in der Rede nicht
gegen Sie. Ich will nur darauf hinweisen, dass dies so war. Sie können sich trotzdem aufregen. Das ist Ihre Sache.
Ich will aber versuchen, hier den Sachverhalt ein bisschen aufzuklären. Wir wollen doch wieder ein bisschen runterkommen. – Dazu wird jetzt sicherlich auch Herr Kollege Schaus einen Beitrag leisten, der nun das Wort hat.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie immer leisten wir LINKEN gerne Beiträge zur Versachlichung der Diskussion. Herr Präsident, dem will ich auch Rechnung tragen.
Eigentlich müsste die Überschrift dieser Aktuellen Stunde lauten: Glücksspielvertrag – Suche nach Auswegen aus dem Chaos. Denn betrachtet man die gegenwärtige Situation der staatlichen Verbote und Erlaubnisse zum Thema Glücksspiel, dann kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Wer z. B. auf Sportrennen wetten will, kann dies legal tun. Versucht er es dagegen mit Wetten auf Hunderennen, begibt er sich in den Bereich der Illegalität. Nach dem bestehenden Glücksspielstaatsvertrag sind Wetten auf sportliche Ereignisse wie Fußballbundesligaspiele nur im Rahmen der staatlichen Oddset-Wette möglich. Diese weiter aufrechtzuerhalten, was aus unserer Sicht wünschenswert wäre, verstößt aber gegen europäisches Wettbewerbsrecht.
Die bisherigen Argumente zum Glücksspielstaatsvertrag, nämlich Suchtprävention und Jugendschutz in den Vordergrund zu stellen, reichen der EU aber nicht aus und stimmen, wenn man Spielsuchtstatistiken liest, im Übrigen auch nur bedingt, denn 69 % der pathologischen Spieler leben ihre Sielsucht an Glücksspielautomaten aus. Diese sind aber vom Staatsvertrag ausgenommen. Auf Platz 2 folgen mit 11,4 % die Automaten in den Kasinos als Hauptursache für das Suchtverhalten. Lotto, also 6 aus 49, belegt mit gerade mal 0,5 % lediglich Platz 8 der Statistik.
Seit dem Jahr 2005 ist die Zahl der Spielautomaten in Deutschland um ein Viertel gestiegen. Der Umsatz liegt jetzt bereits bei 3,4 Milliarden €. Gleichwohl wurde im bestehenden Staatsvertrag vereinbart, die Zahl der Lottoannahmestellen zu reduzieren, was in Niedersachsen auch schon mit dem absurden Ergebnis geschehen ist, dass die Betreiber kleiner Geschäfte, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Süßigkeiten, Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften verdienen, auf das Zusatzgeschäft Toto und Lotto verzichten mussten und dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Ist aber die Rentnerin, die wöchentlich ihren Lottoschein abgibt, spielsüchtig?
Das Ganze wird noch absurder, wenn man einen Blick darauf wirft, was im Internet stattfindet. Alles, was nach dem Glücksspielstaatsvertrag verboten ist, findet im Internet sanktionslos statt, weil die Anbieter im Internet im Ausland sitzen. Für diese Spiele nimmt der Staat nicht einmal Steuern ein.
Das muss an dieser Stelle auch gesagt werden: Zu den Inkonsequenzen der gegenwärtigen Regelung gehört natürlich auch, dass das Wetten auf zukünftige Ereignisse, soweit es sich auf die Entwicklung der Börsenkurse bezieht, durch keinen Staatsvertrag und durch kein Gesetz erfasst wird. Dabei findet das tagtäglich mit dem sogenannten Derivatehandel statt. Dass abgeschlossene Wetten auf zukünftige Kurse sogar zu erheblicher Instabilität der Volkswirtschaft führen können, wurde mit der jüngsten Finanzkrise hinlänglich deutlich.
Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner aktuellen Entscheidung bei einem Teil dieser Widersprüchlichkeiten eingehakt. Das hat zur Folge, dass der Glücksspielstaatsvertrag in der bestehenden Form nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Als Wellenbrecher für die Liberalisierung im gesamten Deutschland sieht die Landesregierung von SchleswigHolstein eine weitgehende Marktöffnung für private Anbieter von Wetten vor. Um aus dem gegenwärtigen Dilemma herauszukommen, müssten aber Lösungen gefunden werden, die sich am Gemeinwohl orientieren. Das Bekämpfen der Spielsucht müsste konsequent angegangen werden.
In die entgegengesetzte Richtung aber will die FDP. Sie will da weiter liberalisieren und damit privaten Glücksspielanbietern und der Automatenwirtschaft den Zugang zum Markt weiter öffnen.
Wir hingegen setzen uns dafür ein, dass das geltende Monopol für Toto und Lotto weiterhin aufrechterhalten bleibt. Das ist wichtig, weil, wie schon erwähnt, zahlreiche soziale Projekte, der Breitensport und vieles mehr mit Lottomitteln gefördert werden. Würde man in diesem Bereich eine private Konkurrenz zulassen, würden sich der Umsatz bei Lotto und damit auch der Anteil für die sozialen Einrichtungen noch weiter verringern. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede Folgendes sagen: Wir brauchen deshalb auch neue Regelungen im Hessischen Glücksspielgesetz, mit denen den Sport- und Jugendverbänden sowie den sozialen und kulturellen Einrichtungen langfristig finanzielle Sicherheit geboten wird. Notfalls muss hier das Land Hessen wie bei der Feuerwehr eine Garantiesumme bereitstellen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion setzt sich nach wie vor dafür ein – sie fordert die Landesregierung auch dementsprechend auf –, sich bei den Verhandlungen über die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags dafür einzusetzen, dass es nicht zu einer ungebremsten Freigabe der Lotterien und Sportwetten kommt. Damit würde das dem gewerblichen Markt völlig überlassen.
Dies fordern wir nicht nur aufgrund von ordnungspolitischen, sondern auch aufgrund von finanzpolitischen Überlegungen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 lässt grundsätzlich die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols zur Bekämpfung der Spielsucht zu.
Ja, das wird in der Diskussion gelegentlich völlig negiert. – Das ist die Auffassung der Richter des Europäischen Gerichtshofs. Ich will kritisch hinzufügen: Aus Europa kommt auch viel Gutes. Aber in diesem Fall habe ich meine Zweifel, ob man das so technokratisch und rechtlich abhandeln kann, wie das der Europäische Gerichtshof gemacht hat. Ich habe manchmal den Eindruck, dass man es sich da zu einfach macht.
Ich bin aus den bekannten Gründen sehr zuversichtlich, dass der in Schleswig-Holstein vorliegende Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP nicht Gesetzesrang erlangen wird. Das wird möglicherweise nicht nur an Herr von Boetticher liegen. Vielmehr wird es in absehbarer Zeit Neuwahlen geben. Danach wird es eine andere Mehrheit geben. Dann wird der Gesetzentwurf den Orkus der Geschichte erreichen. Das ist auch gut so.
Eines müssen wir regeln. Auch das ist unstrittig. Wir machen das in Hessen auch, wo wir es können. Dabei geht es um das Thema Spielsucht und die Frage: Wie können wir die Spielsucht effektiver bekämpfen? – Denn das, was dadurch an gesellschaftspolitischen Verwerfungen entsteht, müssen wir gemeinsam tragen.
Es gibt einen Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Spielhallengesetz. Es gibt einen Entwurf des Innenministers. Im Kern bedeutet das, dass es zu einer deutlichen Verschärfung kommen wird. Ich füge ausdrücklich hinzu: Das ist gut so.
Gegenwärtig befindet sich der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags in einem sogenannten Notifizierungsverfahren. Entgegen den teilweise martialischen Pressemitteilungen, die zum Inhalt hatten, dass das in Brüssel alles schon abgelehnt worden sei, handelt es sich um ein übliches Verfahren. Herr Wintermeyer, Sie wissen das.
Natürlich wurden da schon Bedenken deutlich gemacht. Das ist so. Das betrifft auch den Entwurf des Gesetzes aus Schleswig-Holstein. Natürlich müssen wir die Bedenken, die aus Brüssel vorgetragen werden, ernst nehmen. Denn wenn wir darauf nicht reagieren, werden sie das ablehnen. Daran können wir kein Interesse haben.
Sie haben recht, es geht um drei Themen, die in der Diskussion stehen. Erstens geht es um die Anzahl der Vergaben und um die Vergabe der Lizenzen für Sportwetten. Zweitens geht es um die Durchführung der Online-Kasi
nospiele. Schließlich geht es um die Konzessionsabgabe und dabei um die Frage, nach welchen Parametern die Abgabe zu erheben ist. Das kann entweder nach dem Bruttoertrag oder nach dem Umsatz geschehen.
Was hier so technokratisch klingt, ist nachher dafür entscheidend, was letztlich an den Staat abzuführen ist. Deswegen wird das eine zentrale Frage sein.
Herr Kollege Schaus, ja, wir würden es sehr begrüßen, wenn das staatliche Monopol beim Glücksspielwesen so aufrechterhalten werden könnte, wie es vor dem Gerichtsurteil war. Aber auch das gehört zur Redlichkeit dazu: Ich glaube, wir werden uns davon verabschieden müssen.
Nun kann man das wie die Mitglieder der FDP aus ordnungspolitischen oder ideologischen Gründen begrüßen und sagen: Wir wollen den ungehemmten Markt. – Das wollen wir überhaupt nicht. Aber wir müssen uns der Realität stellen. Deswegen ist der Versuch der 15 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und Regierungschefs richtig. Sie wollen gemeinsam einen Weg gehen. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann.
Die Drohung des Herrn Rentsch, notfalls solle Hessen einen eigenen Weg gehen, ist völlig falsch und kontraproduktiv.