Protokoll der Sitzung vom 25.08.2011

Allerdings muss man dazusagen, dass sich die Plätze aufteilen in 250 Plätze, die vom Land finanziert werden, was richtig und gut ist, und 250 Plätze – so hatten Sie es wenigstens angekündigt –, die für Umschüler über Bildungsgutscheine seitens der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt werden.

Es ist bereits erwähnt worden, dass diese 250 Plätze für Umschüler unter Umständen gar nicht zustande kommen. Herr Minister Grüttner, ich würde mich freuen, wenn Sie nachher in Ihren Ausführungen sagen würden, welche Konsequenzen es für die Landesregierung hätte, wenn die BA diese 250 Plätze nicht in diesem Ausmaß zur Verfügung stellen würde. Denn dann würden die von Ihnen zugesagten 500 Plätze nicht mehr zusammenkommen, sondern unter Umständen nur 350 oder 400. Ich würde mich freuen, wenn Sie hier darstellen würde, welche Konsequenzen die Landesregierung daraus zieht.

Meine Damen und Herren, die Erhöhung der Platzzahl zeigt auch, dass Sie kein wirklich langfristiges Konzept haben. Es sieht vielmehr ein bisschen wie Stückwerk aus. Von daher glaube ich – ich mache nicht nur Sie verantwortlich –, dass wir ein Gesamtkonzept brauchen, über die Finanzierung sowohl durch die Pflegeversicherung als auch über Landesmittel sowie durch andere, die sich daran zu beteiligen haben, wie wir die Altenpflegeausbildung auf ein Fundament stellen, um die Bedarfe der Zukunft, die mit dem demografischen Wandel zusammenhängen, tatsächlich befriedigen zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, der im Antrag der SPD zu Recht kritisiert wird, ist die Art und Weise, wie Sie die Landesplätze finanzieren. Sie kommen mit einer trickreichen Lösung. Wir haben Zuschüsse für jeden Ausbildungsplatz in Höhe von 320 € pro Monat. Das ist ein Wert – auch das ist schon gesagt worden –, der sich seit 2002 nicht verändert hat. Sie wissen alle, dass es in der Zeit Tariferhöhungen gegeben hat. Sie wissen alle, dass es in der Zeit Mieterhöhungen und Energiekostenerhöhungen gegeben hat, sodass für die Schulen die Nichterhöhung der Pauschale ohnehin seit Längerem ein Problem ist.

Nun kommen Sie und sagen: Bei den 320 € ändern wir nichts, die bleiben, aber wir nehmen den Altenpflegeschulen etwas weg, und zwar Geld in den Bereichen, in denen sie wenig Steuerungsmöglichkeiten haben. – Sie haben Schulabbrecher, das ist schon angesprochen worden. Es gibt Auszubildende, die schwanger werden oder aus anderen Gründen die Ausbildung abbrechen. Dort gab es bisher einen Zuschuss des Landes, um das Risiko gerade für kleinere Schulen zu minimieren, die wenige Lehrer haben, die sie für ihre Klassen vorhalten müssen. In diesem Bereich wird jetzt gekürzt.

Wir sehen die Gefahr, dass insbesondere kleine Schulen davon betroffen sein könnten, dass sie ihre Ausbildungsplätze abbauen müssen oder sogar schließen müssen. Aber auch die größeren Schulen stehen in der Gefahr, dass sie einen Teil der jetzt zugesagten zusätzlichen Plätze über die wegfallende Kostenerstattung bei den Abbrechern selbst finanzieren müssen.

Ich glaube, das ist der Punkt, der im Moment für so viele Irritationen sorgt. Sie machen auf der einen Seite das Richtige. Sie sagen, wir brauchen dringend eine Erhöhung der Zahl der Plätze. Aber dann fangen Sie an, bei der Gegenfinanzierung nicht ganz sauber zu arbeiten und im Prinzip auch noch zu kürzen. Das spüren die Schulen. Sie haben sich auch darüber beklagt, dass der Dialog mit ihnen nicht ausreichend geführt wurde.

Das ist ein Zeichen, wo Sie als Sozialminister nachlegen müssen, auch in der Vertrauensarbeit. Denn es ist deutlich, dass wir die Aufgabe der Altenpflegeausbildung in diesem Ausmaß nur schaffen können, wenn alle Akteure am Tisch sitzen. Dazu gehören natürlich, was sowohl die

Zahl als auch die Qualität der Ausbildungsplätze angeht, die Schulen, die eingebunden werden müssen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, in mehr Dialog mit den Schulen einzutreten, um eine gute, qualifizierte Ausbildung für möglichst viele Menschen, für möglichst viele junge Menschen zu erreichen, um die Attraktivität des Berufes steigern zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen, weil er sich inhaltlich mit unserer Position völlig deckt.

Wir werden den Antrag der LINKEN ablehnen, weil er der Realität einfach nicht entspricht. Man kann sich keine Schüler backen. Das geht einfach nicht. Man muss die jungen Leute vielmehr werben. Wenn keine jungen Leute mehr da sind, kann man ihnen auch keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Das, was Sie machen, ist meiner Meinung nach Populismus. Deshalb werden wir den Antrag der LINKEN ablehnen – zumal auch gar nicht klar ist, wie ihre Forderungen finanziert werden sollen.

Herr Minister, wir werden aber auch genau hinschauen, wie Sie die Finanzierung der Altenpflege im nächsten Haushaltsplan fundiert darstellen. Wir werden genau schauen, wie Ihr Konzept aussieht, um den wachsenden Bedarf im Umfang von 3.000 Plätzen so darzustellen, dass im Haushalt klar wird, dass diese Ausbildungsplätze im Lande Hessen entstehen.

Ich glaube auch, dass wir uns alle darüber unterhalten müssen, ob wir nicht eine Reform der Pflegeausbildung brauchen. Es macht meines Erachtens keinen Sinn, dass wir verschiedene Pflegeberufe haben, die sehr getrennt – sowohl hinsichtlich der Finanzierung und dem Aufbau als auch der Konstruktion der Ausbildung – nebeneinander herlaufen. Natürlich braucht man in der Altenpflege medizinische und physiologische Kenntnisse; die braucht man aber auch in der Kinderkrankenpflege und in der Gesundheits- und Krankenpflege. Wir haben mit dem System der Kinderkranken-, Gesundheits- und Krankenpflege eigentlich schon ein ganz gutes Vorbild, wie solche Zusammenführungen laufen können, wie man die Qualität der Ausbildung tatsächlich verbessern kann.

Ein weiterer Punkt ist die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Natürlich macht es einen Beruf attraktiv, wenn er Möglichkeiten zum Aufstieg und Möglichkeiten der weiteren Qualifikation eröffnet. Auch hier ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, wie man das – ähnlich, wie es in anderen Pflegeberufen schon der Fall ist – organisieren kann. Ich fände es sehr, sehr begrüßenswert, wenn wir dazu kämen, die Ausbildungsinhalte und Ausbildungsformen unter den Bundesländern mehr anzugleichen, als es bisher der Fall ist, denn es ist natürlich grober Unfug, wenn sich die Altenpflegeausbildung in den Bundesländern so unterscheidet – –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme sofort zum Schluss. – Es macht keinen Sinn, dass die Bundesländer hier unterschiedliche Ansätze haben.

Meine Damen und Herren, von daher gesehen gibt es einiges zu diskutieren. Es ist notwendig, dass hier alle an einem Strang ziehen. Letztendlich sind auch die Kommunen betroffen und müssen einbezogen werden; denn hier werden die pflegebedürftigen Bürgerinnen und Bürger am Ende betreut und versorgt. Von daher noch einmal meine Bitte: Wir müssen jetzt handeln. Wer jetzt nicht handelt, der handelt fahrlässig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die drei entscheidenden Botschaften zur Altenpflegeausbildung lauten wie folgt.

Erstens. Im neuen Schuljahr, das in Kürze beginnt, werden für die jetzt 4.000 Ausbildungsplätze – statt bisher 3.500 Plätze – die Kosten für das Schulgeld den Ausbildungseinrichtungen erstattet.

Zweitens. Das Land Hessen hat seit 1999 die Mittel für die Ausbildungsförderung mehr als verdreifacht. 1999 wurden 4,6 Millionen € gezahlt, 2011 14,6 Millionen €. Das zeigt, welchen Stellenwert die Altenpflegeausbildung für diese Landesregierung hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Drittens. Die Zahl der Altenpflegeschüler konnte von 2.160 im Jahr 1999 auf 4.310 im letzten Jahr gesteigert werden. Außerdem: Die Ausbildungsförderungspauschale pro Platz liegt mit 320 € im Ländervergleich im oberen Mittelfeld. In Nordrhein-Westfalen werden z. B. nur 280 € ausgegeben.

Schon bei den letzten Haushaltsberatungen hat der Landtag auf Anregung der Regierungsfraktionen mit Zustimmung der anderen Fraktionen die Mittel erhöht, damit die Ausbildung für alle angemeldeten Schülerinnen und Schüler gefördert werden konnte. Das Altenpflegegesetz und die zugehörige Verordnung, über die wir jetzt diskutieren, sind bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Im Rahmen der Neufassung des Gesetzes wird der Bedarf ermittelt und gegebenenfalls angepasst. Wir danken der Landesregierung und besonders dem Sozialminister, dass sie hier ihrer Verantwortung gerecht werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir danken auch den 41 Altenpflegeschulen und den 500 Einrichtungen in Hessen, die die Schülerinnen und Schüler theoretisch und praktisch ausbilden. Um den Dank zu vervollständigen: 1,2 Millionen Menschen sind in Deutschland in der Kranken- und Altenpflege beruflich tätig. Darunter sind sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund, die wir trotz aller Anstrengungen der Ausbildung hier im Lande weiterhin brauchen, und zwar in erhöhtem Maße.

Wie kommen die Oppositionsfraktionen eigentlich dazu, angesichts dieser unbestreitbaren Zahlen von einer „ungerechtfertigten Kürzung in der Altenpflegeausbildung“

zu sprechen? Die bislang geltende Altenpflegeverordnung aus den Neunzigerjahren sah vor, dass für Ausbildungsabbrecher, die nur drei Monate an der Schule waren, 90 % des Zuschusses für den Rest der Ausbildungszeit bezahlt wurden. Das heißt, für maximal zwei Jahre und ein Dreivierteljahr wurden 90 % des Zuschusses gezahlt – ohne adäquate Ausbildung. Angesichts der heutigen Rahmenbedingungen ist dies wohl nicht mehr darstellbar, und es ist für jeden einzusehen, dass diese Regelung geändert werden muss. Es sei ergänzt, dass die Abbrecherquote 20 % beträgt und dass es eine vergleichbare Regelung in keinem anderen Bundesland gibt. Die neue Regelung, 50 % Erstattung für höchstens ein Jahr, ist daher sachgerecht.

(Beifall bei der CDU)

Die 90-%-Abbrecherfinanzierung, die bisher galt, konnte damals vielleicht damit gerechtfertigt werden, dass die Schulen die durch Abbrecher frei werdenden Plätze mangels Nachfrage nicht besetzen konnten. Das hat sich erfreulicherweise geändert. Neben einem generell höheren Interesse an dieser Ausbildung haben Altenpflegehelfer nach ihrer Ausbildung sehr häufig die Motivation, die Ausbildung zum Altenpfleger fortzusetzen. Die Schulen haben also die Möglichkeit, durch Abbrecher frei werdende Plätze durch Altenpflegehilfeabsolventen zu ersetzen. So erhält die Schule auch weiterhin eine Förderung. Eine solche Weiterqualifizierung der Helfer ist in jeder Hinsicht fachlich erwünscht. Gerade diejenigen, die in ihren Pflegegesetzentwürfen in besonderer Weise auf einen Schlüssel achten und einen solchen per Gesetz festlegen wollen, müssten daran doch ein besonderes Interesse haben.

Wir sehen in der Neuregelung der Kostenerstattung für Abbrecher keine unzumutbare Belastung für die Schulen, sondern eine sachgerecht Anpassung. Sie setzt auch Anreize, nämlich bei der Auswahl der Schülerinnen und Schüler noch stärker auf deren Eignung zu achten – etwa auf Nachweise für Praktika vor der Ausbildung – und Altenpflegehilfeabsolventen zu einer Fortsetzung der Ausbildung zu motivieren.

Meine Damen und Herren, die Förderung der Altenpflegeausbildung ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des beginnenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen. Hierzu ganz wenige Zahlen – sie wurden zum Teil schon genannt.

Schon heute fehlen bundesweit 30.000 Altenpflegekräfte; in Hessen sind es 2.000. Im Jahr 2025 werden in der Kranken- und Altenpflege 150.000 Stellen unbesetzt sein, wenn wir nicht gegensteuern. Auch danach steigt der Bedarf exponentiell an. Nach einer OECD-Studie werden bis zum Jahr 2050 die Kosten in den Industrieländern von 1,3 auf 2,8 % des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Die Bundesregierung und die Landesregierung sind sich der durch den demografischen Wandel bedingten Anforderungen bewusst. Wir lassen uns auch die Leistung nicht kleinreden, die unter der Verantwortung von CDU und FDP auf Bundes- und Landesebene in Bezug auf die Pflege erbracht worden ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unter unserer Verantwortung wurde die Pflegeversicherung 1995 überhaupt erst eingeführt. Es entstand das Fundament für die Finanzierung der Altenpflege. Erstmals wurden ambulante Pflegestrukturen geschaffen. Heute

gibt es 12.000 ambulante Pflegedienste mit 270.000 Beschäftigten.

Die aktuellen Herausforderungen werden unter dieser Bundesregierung – unter der Verantwortung des Bundesgesundheitsministers Bahr – angepackt: Im Pflegedialog werden Konzepte entwickelt, wie man den Pflegeberuf für junge Menschen attraktiver machen kann – möglicherweise durch die Aufwertung des Berufsbilds des Altenund Krankenpflegers. Frau Schulz-Asche hat es eben angesprochen.

Ich tendiere dazu, ihrer Meinung zuzustimmen. Allerdings gibt es eine Diskussion mit den Vertretern der Altenpflegeschulen, die dies eher kritisch sehen, weil sie befürchten, dass dann weniger Absolventen in die Altenpflege gehen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Vertrauen ist wichtig!)

Aber ich bin durchaus bereit, diese Diskussion an ihrer Seite zu führen.

Weiterhin muss die Finanzierung nachhaltig gesichert werden. Der Begriff „Pflege“ muss über die Organisation der Körperpflege sowie der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme hinaus weiterentwickelt werden, um insbesondere der Betreuung der Demenzkranken im Anfangsstadium ihrer Erkrankung gerecht zu werden.

Neue Aufgaben der spezialisierten Pflege müssen angepackt werden. So muss man etwa der Tatsache gerecht werden, dass behinderte Menschen älter werden und dass aufgrund des medizinischen Fortschritts heute auch HIVInfizierte alt werden und der Pflege bedürfen.

In diesem Zusammenhang leistet das Land Hessen seinen Beitrag, um die Förderung der Altenpflegeausbildung zu verbessern. Hessen steht hierbei an der Spitze und stellt ein Vorbild dar, wenn es darum geht, mehr Fachkräfte zur Pflege von Menschen auszubilden.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist eine gemeinsame Aufgabe, und wir unterstützen die Landesregierung bei diesen Maßnahmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Rock für die Fraktion der FDP.