Herr Minister, in der letzten Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses haben Sie zugesichert, alle Kurse könnten starten. Jetzt aber werden die Altenpflegeschulen vom zuständigen Regierungspräsidium um die Vorlage von Brandschutzbescheinigungen angehalten. Das verhindert den Beginn der Kurse. Es möge doch bitte nicht so getan werden, als ob die Schulen in der Vergangenheit nicht um die Einhaltung aller erforderlichen Brandschutzbestimmungen bemüht gewesen wären und sich nicht darum gekümmert hätten. Plötzlich sollen Bescheinigungen her – ganz unüblich.
Was soll das? Wollen Sie den Start dieser Kurse verhindern? Oder sollen diese jungen Menschen jetzt ausgebildet werden?
Die letzte nominelle Anpassung der Schulgeldpauschale erfolgte 2002. Von 2002 bis heute bedeutet das in etwa eine reale Kürzung um 15 %. Angesichts dessen wäre eine Erhöhung des Schulgeldes angezeigt.
In der Verordnung ist von „Kostenerstattung“ die Rede. Mit der jetzigen Regelung findet aber de facto keine Kostenerstattung mehr statt, sondern nur eine Teilkostenerstattung. Das hat der Minister in der Sitzung des Aus
schusses am 11.08. auch explizit bestätigt – ich zitiere aus dem öffentlichen Protokoll: Es „wird von privaten Schulen schon erwartet, dass die Träger der Schulen auch Eigenanteile erbringen.“ Dass dieser Paradigmenwechsel ohne Diskussion mit den Altenpflegeschulen und in der Sommerpause am Parlament vorbei durchgedrückt wird, passt zum Bild dieses Sozialministers.
Herr Minister, Sie haben davon geredet, Sie hätten die Altenpflegeschulen in das Zustandekommen der jetzigen Verordnung eingebunden.
Zunächst wurden die Schulen um eine Einschätzung zur alten Regelung gebeten. Da haben die Schulen erklärt: Die jetzige 90-%-Regelung hat sich bewährt. Dann kam Ihr Verordnungsentwurf mit der Bitte um erneute Stellungnahme. Darauf war die Reaktion der Schulen – wie nicht anders zu erwarten – negativ. Sie aber haben unbeeindruckt davon weitergemacht.
Warum fragen Sie eigentlich, wenn Sie die Antworten der Menschen, die betroffen sind, nicht hören wollen? Dann sparen Sie sich doch diese Farce Ihrer Frage.
Wenn Sie das „Beteiligung“ nennen, ist das wohl auch ein Symptom dieser merkwürdigen Politikerkrankheit.
Kleinere Schulen werden durch diese Neuregelung um ihre Existenzgrundlage gebracht. Die kleineren Schulen – das sind vor allem Schulen in strukturschwächeren Gegenden. Aber auch das kümmert den Sozialminister nicht.
Es ist unbestritten, dass eine gute pflegerische Versorgung eine wichtige aktuelle und zukünftige sozialpolitische Herausforderung darstellt. Erhöhung der Ausbildungsplätze und Sicherung und Erhöhung der Ausbildungsqualität müssen das Ziel sein. Das Gebot der Stunde lautet daher aufstocken und nicht kürzen, Herr Minister.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen des Hessischen Pflegemonitors sind bekannt und einigermaßen bestürzend. Im Jahr 2008 war die Nachfrage nach Pflegekräften fast doppelt so hoch wie zwei Jahre zuvor. Bis zum Jahr 2020 werden fast 2.000 neue Vollzeitpflegestellen in der Altenpflege und mehr als 2.200 in der Krankenpflege fehlen. Es ist überdeutlich: Mit den derzeitigen Zahlen an Auszubildenden werden wir diesen Bedarf nicht decken können – erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass im Altenpflegebereich sehr viele Stellen mit Teilzeitbeschäftigten besetzt sind.
Die Brisanz dieser Entwicklung wird sehr deutlich, wenn man nochmals die Prozentwerte betrachtet. Gemessen am Jahr 2007 gibt es bis zum Jahr 2020 einen Erweiterungsbedarf bei Pflegekräften von 32,3 %. In manchen Landkreisen liegt dieser Erweiterungsbedarf bei 50 % und mehr.
In dieser Situation bei den Ausbildungsstätten für Altenpflege de facto zu kürzen, ist unverständlich. Denn um nichts anderes geht es bei dieser Änderung der sogenannten Abbruchregelung. Wurden bisher für jeden Abbrecher einer Ausbildung nach dem dritten Monat 90 % des Schulgeldes für den Rest des Schuljahres weitergezahlt, so zahlt das Land künftig bei einem Abbruch nach frühestens sechs Monaten nur noch 50 % des Schulgeldes für ein Jahr. Diese Regelung ist geeignet, Altenpflegeschulen in ihrem Bestand zu gefährden. Vor dem Hintergrund der geschilderten Lage ist das eine mehr als kontraproduktive Entscheidung. Denn trotz des Ausscheidens einzelner Schülerinnen und Schüler bleiben die Fixkosten für Räumlichkeiten, Personal usw. bei den Altenpflegeschulen natürlich gleich.
Herr Sozialminister, Ihr Hinweis, dass die Schulen durch Auswahlverfahren oder Assessment Center geeignete Bewerber aussuchen mögen, ist nicht frei von Widersprüchen.
Ich erinnere daran, dass noch im vergangenen Dezember die Landesregierung konstatiert hat, dass es ein Problem gibt, die derzeit 3.500 zur Verfügung stehenden Plätze zu besetzen – trotz massiver Werbung. Es ist schwer vermittelbar, dass sich die Lage nach einigen Monaten derart geändert haben soll, dass die Altenpflegeschulen nunmehr einen unbegrenzten Pool an Bewerberinnen und Bewerbern zur Auswahl hätten, aus dem sie frei auswählen könnten.
Spricht man mit Ausbildungsstätten, wird klar, worauf diese Regelung hinausläuft: auf die Einsparung von Personal, die Unterfinanzierung der Einrichtungen, vielleicht sogar die Schließung einzelner Schulen.
Wir haben es hier nicht mit beliebigen Privatschulen zu tun. Ausbildungsstätten wie Altenpflegeschulen werden meist von Wohlfahrtsverbänden getragen. Die Situation der Wohlfahrtsverbände ist spätestens seit der sogenannten „Operation sichere Zukunft“ alles andere als sicher geworden – insbesondere was deren finanzielle Ausstattung anbelangt.
Schon jetzt befinden sich diese Einrichtungen am Rande des finanziell Tragbaren. Alles, was darüber hinausgeht, gefährdet das Ziel einer verstärkten Ausbildung von Altenpflegefachkräften und die Qualität der Ausbildung. Gerade dieses Risiko der Verminderung der Ausbildungsqualität dürfen wir nicht eingehen. Am Ende nämlich sind die pflegebedürftigen älteren Menschen betroffen. Wenn wir eine würde- und respektvolle Pflege wünschen und kein routinemäßiges Satt-und-sauber-Programm, dann muss man die Qualität dieser Ausbildung und die Finanzierung dieser Ausbildungsstätten in besonderer Weise beachten.
Dies trifft insbesondere für das Schulgeld zu. Seit 2002 – wir haben es eben gehört – wurde das Schulgeld nicht erhöht. Bedenkt man Inflation und Tariferhöhungen seit
Wenn wir nun von Herrn Sozialminister Grüttner hören, dass das Land bei der Höhe des Schulgeldes im Mittelfeld der Länder mit vergleichbarer Regelung liegt, so kann uns das nicht beruhigen. Wir haben es mit drängenden Problemen zu tun. Mittelmäßigkeit ist die falsche Antwort auf dieses Problem.
Wenn wir eine gute, am aktuellen Stand der Wissenschaft orientierte Altenpflegeausbildung wollen, müssen wir hierfür den entsprechenden Rahmen schaffen. Uns muss an einer Ausbildung mit hohem Niveau und mit guter Qualitätssicherung gelegen sein, und dazu braucht es gutes Ausbildungspersonal und geeignete Räumlichkeiten. Beides kostet Geld.
Bedenken wir, der Bestand an Pflegepersonal baut sich nur langsam auf. Bereits heute fehlen 2.000 Pflegekräfte. Daher ist es höchste Zeit, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Aber auch hier erleben wir leider keinen großen Wurf, wenn der Deckel lediglich um 500 Plätze angehoben wird. Dem Bedarf wird das bei Weitem nicht gerecht. Zudem relativieren die 250 Plätze, die über Bildungsgutscheine, d. h. aus Mitteln der Bundesarbeitsagentur, teilfinanziert werden, die Anhebung des Deckels durch das Land.
Des Weiteren habe ich die Information erhalten, dass die AG Pflegehilfe gestern im Hessischen Sozialministerium getagt hat und dass Vertreter der Landesarbeitsagentur haben verlauten lassen, dass diese 250 Plätze, die über Bildungsgutscheine finanziert werden sollen, nur mit 150 Plätzen ausgeschöpft werden können.
Es ist nach wie vor unsere Ansicht, dass prinzipielle Deckelungen der Ausbildungszahlen nicht hilfreich sind, um das Ziel einer nach Pflegemonitordaten künftig bedarfsgerechten Ausstattung mit Altenfachkräften zu erreichen.
Lassen Sie mich das Resümee ziehen. Alles in allem habe ich nicht den Eindruck, dass die Landesregierung alles unternimmt, was möglich wäre, einem dramatischen Mangel an ausgebildetem Pflegepersonal entgegenzuwirken. Aber genau in diesem Bereich wäre die größte Anstrengung angezeigt. Einen Mangel an Pflege und Zuwendung den Menschen zuzumuten, die sie am notwendigsten brauchen, das darf sich unsere Gesellschaft nicht leisten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich mit einer vielleicht etwas allgemeinen Bemerkung beginne. Wenn wir es heute nicht schaffen, aus dem Pflegeberuf einen attraktiven Beruf zu machen, wenn wir es heute nicht schaffen, ausreichend Bewerberinnen und Bewerber zu finden, die bereit sind, diesen Be
ruf zu ergreifen, dann werden wir morgen nicht genügend junge Menschen haben, die bereit sind, pflegebedürftige Menschen zu betreuen, zu pflegen, sich um sie zu kümmern.
Vor dieser Aufgabe stehen wir alle. Davor steht nicht nur diese Landesregierung, sondern vor dieser Frage steht auch die Bundesebene. Egal, wer in welchem Bundesland regiert, das wird eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft sein, nicht nur, wie wir es schaffen, Pflege zu organisieren, sondern auch, wie wir rechtzeitig anfangen, ausreichend Plätze zu schaffen, ausreichend qualifiziertes Personal auszubilden.
Wir haben eine steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen. Ich habe neulich in einem Vortrag gehört, dass ungefähr die Hälfte aller Menschen wahrscheinlich eine Demenz entwickeln wird, wenn sie nicht vorher sterben. Wir müssen uns auf der Zunge zergehen lassen, was das für eine Gesellschaft bedeutet. Da ist die Dramatik klar, und wir sollten aufpassen, dass wir mit dieser Debatte nicht im parteipolitischen Streit enden, sondern wir sollten es als Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft verstehen.
Wir haben – jetzt zum Kern der uns vorliegenden Anträge – eine steigende Nachfrage nach Altenpflegerinnen und Altenpflegern. Nach dem alten Pflegemonitor von 2007 liegt die Unterdeckung im Moment bei ungefähr 562 Personen. Wir vermuten aber, dass mit dem neuen Pflegemonitor deutlich wird, dass es jetzt schon einen sehr viel größeren Bedarf an Altenpflegerinnen und Altenpflegern gibt. Wir rechnen mit rund 2.000 Fachkräften, die bereits heute in diesem Bereich fehlen.
Wenn wir den Altenpflegemonitor nehmen und ihn hochrechnen, sehen wir, dass wir bis zum Jahr 2020 eine Unterdeckung von 3.000 Pflegefachkräften haben werden. Das ist eine enorme Herausforderung, zumal die Ausbildung die Pflegekräfte über drei Jahre vorbereiten muss. Das heißt, wir müssen jetzt beginnen, diese 3.000 zusätzlichen Plätze aufzubauen. Wer jetzt nicht handelt, handelt wirklich fahrlässig.
Die Landesregierung hat noch zu Beginn dieses Jahres einen Antrag von SPD und GRÜNEN abgelehnt, die Ausbildungskapazität zu erhöhen. Jetzt hat sie einen eigenen Vorschlag eingebracht, der vorsieht, zum beginnenden Schuljahr die Platzzahl um 500 zu erhöhen. Ich sage ausdrücklich, dass ich das für einen Schritt in die richtige Richtung halte. Wir brauchen bereits in diesem Jahr mehr Plätze. Von daher begrüßt meine Fraktion ausdrücklich die Erhöhung der Platzzahl.
Allerdings muss man dazusagen, dass sich die Plätze aufteilen in 250 Plätze, die vom Land finanziert werden, was richtig und gut ist, und 250 Plätze – so hatten Sie es wenigstens angekündigt –, die für Umschüler über Bildungsgutscheine seitens der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt werden.