Protokoll der Sitzung vom 13.09.2011

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Herr Al-Wazir, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Erneut fünf Minuten, wie Sie wissen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ministerpräsident hat gerade so getan, als sei es das Normalste der Welt, dass er sich – wie hat er sich ausgedrückt? – kümmert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Der Kümmerer! – Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich jetzt schon einmal entscheiden, welche Version nun gilt. Sind Sie im Innenministerium an diesen Vergaben beteiligt gewesen – ja oder nein? Ist nun das alles Sache der HZD allein gewesen – ja oder nein?

Wenn man alles zusammenzählt, was uns hier seit fast einem Jahr erzählt wird, wird diese Version ständig geändert. Vor einem Jahr hat uns der Finanzminister auf die Frage – Dringlicher Berichtsantrag Drucks. 18/3166 –, welchen Einfluss der damalige Pressesprecher Michael Bußer auf Auftragsvergaben genommen hat, geantwortet: „Keinen. Die Vergaben erfolgten durch die Vergabestelle der HZD.“ – Jetzt sagen Sie, dem Mann, weil er ständig gefragt wurde, war es geradezu eine Pflicht, das alles zu be

schleunigen, obwohl der Finanzminister noch letzten Dezember gesagt hat: Er war an allem nicht beteiligt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gefragt: Hätte ich denn einen Genossen aus Kassel vorschlagen sollen?

(Zuruf von der SPD: Natürlich!)

Wenn er gut gewesen wäre, hätten Sie ihn vorschlagen sollen. Der spannende Punkt ist, Sie wissen ja überhaupt nicht, ob es einen Genossen aus Kassel gibt, der gut ist, weil Sie überhaupt nie nach einem anderen gesucht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiterkeit des Abg. Gün- ter Rudolph (SPD))

Herr Bouffier, das genau ist das Problem. Sie haben nie nach einem anderen gesucht. Wenn Sie die Frage stellen: „Was hätte ich denn machen sollen? Das Projekt musste vorangehen“, dann will ich Ihnen die Antwort geben. Gerade wenn ich weiß, dass ich jemanden in meiner Partei habe, der angeblich so gut ist, dann lege ich doch allergrößten Wert darauf, dass das absolut sauber läuft. Genau das mache ich dann doch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie können jetzt noch tausendmal sagen, Sie hatten mit diesen ganzen Vergaben nichts zu tun. Das PTLV wurde von Ihnen gegründet, um genau diesen Bereich zu zentralisieren. Das PTLV, für das Sie die Verantwortung tragen, ist doch in all diesen Vergabeverfahren dringewesen und, wie wir übrigens vom Rechnungshof wissen, ziemlich schlecht. So ganz nebenbei: Was macht eigentlich der jetzige CIO in dieser ganzen Frage?

Das Tollste haben Sie gar nicht angesprochen. Angeblich alles Cracks: Herr Lemke, Herr Westerfeld; das PTLV, extra dafür gegründet; Georgi, Eier legende Wollmilchsau. Das Problem ist: Das Ganze funktioniert bis heute nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiterkeit des Abg. Gün- ter Rudolph (SPD))

Ich kann mich noch erinnern, im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft wurde gesagt, bis zur WM ist es fertig.

(Günter Rudolph (SPD): 2006! – Zuruf von der Regierungsbank: Das ist Quatsch!)

Doch. Ich kann mich noch erinnern, dass gesagt wurde, bis zur WM 2006 soll das alles fertig sein. Und Ihre ganzen tollen Experten, die alle miteinander einzigartige Qualifikationen hatten, sind die Allergrößten, die alles hinbekommen können. – Jetzt wissen wir, es gibt drei Orte auf der Welt, wo es nicht funktioniert. Das ist Albanien, Nordhessen und Mittelhessen. Tolle Experten, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie müssen sich einmal entscheiden, ob der Unterschied zwischen Staat und Partei nach zwölf Jahren Regierungszeit in diesem Land noch gilt.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Schon länger nicht!)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie an diesem Punkt ernst genommen werden wollen, dann müssen Sie sich einmal

entscheiden, die eigentliche Frage zu beantworten: Was war denn Ihr persönlicher Wunsch? War Ihr persönlicher Wunsch, dass der Digitalfunk funktioniert – den hatten ja alle –,

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Logisch!)

oder war Ihr persönlicher Wunsch, dass der Bürgermeisterkandidat, der nicht Bürgermeister geworden ist, sich im Innenministerium um diese Fragen kümmert?

(Zurufe von der CDU)

Das sind zwei sehr unterschiedliche Wünsche, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich finde es abenteuerlich, was inzwischen für normal gehalten wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Al-Wazir, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich bin gespannt, was bei diesem Ganzen noch folgt, weil ich mir leider ziemlich sicher bin, dass dem noch etwas folgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich gehe davon aus, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend nach „rechtswidrigen“ Vergaben jetzt „schwarzer Filz und Vetternwirtschaft“ in der Landesregierung dem Innenausschuss überwiesen wird.

Stimmen wir über den Dringlichen Entschließungsantrag ab, oder überweisen wir ihn? – Herr Bellino.

Herr Präsident, wir bitten darum, unseren Antrag, der mit diesem eben aufgerufenen Antrag korrespondiert, ebenfalls an den Innenausschuss und an den Haushaltsausschuss zu überweisen.

Das heißt, dass der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend energisch eingeleitetes Umsteuern zeigt Erfolg usw. ebenfalls dem Innenausschuss überwiesen wird, Mitberatung durch den Haushaltsausschuss.

Dann darf ich Tagesordnungspunkt 6 aufrufen:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Sechstes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften –

Drucks. 18/4392 zu Drucks. 18/4130 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Tipi. Ich darf um Ihre Berichterstattung bitten, Herr Tipi.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Rechtsund Integrationsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 18/4377 in zweiter Lesung anzunehmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abg. Hofmann, SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Rechtspolitiker und Rechtspolitikerinnen haben zumeist das Schicksal, dass sie nach einer solch dichten und emotionalen Debatte wieder geerdete Fachdiskussionen zu führen haben. Aber das machen wir gerne, natürlich auch mit dem Fünkchen Emotionalität.

Meine Damen und Herren, wir haben in zweiter Lesung ein Sammelgesetz zu diskutieren, das vorsieht, dass 19 Gesetze unverändert oder nur leicht verändert verlängert werden sollen, die zum Ende dieses Jahres, am 31.12.2011, außer Kraft treten. Ich will ganz unumwunden zugeben, dass es uns Rechtspolitikern schwergefallen ist, uns in dem Gesetzgebungsverfahren mit so diffizilen Sachen auseinanderzusetzen. Es war sehr aufwendig. Die einzelnen Fachausschüsse waren zu beteiligen – zu Recht. Ich muss hier deutlich machen, dass wir es wegen der Komplexität dieser Materie, der 19 Einzelgesetze, umso schlechter und unverständlicher fanden, dass uns die Mehrheitsfraktionen eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf versagt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Das zeigt wieder einmal die Ignoranz dieser Landesregierung, die sich außerstande gesehen hat, sich in einer Anhörung mit dieser Materie qualifiziert auseinanderzusetzen. Diese Chance ist mithin vertan worden.