Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten das schon letztes Jahr mit einem Antrag gefordert. Es gab mehrere Verwaltungsstreitverfahren in Hessen, die sich mit der Frage der personalrätlichen Mitwirkung und Mitbestimmung beim Auslandseinsatz beschäftigten. Ein Verfahren im März 2011 endete damit, dass das Verwaltungsgericht die Entsendung nach Afghanistan eingestellt und das Wiesbadener Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es nicht nur um die Beteiligung der Personalvertretung, sondern auch um eine gesetzliche Grundlage geht. Das Gericht hat gesagt, das Land ist aufgefordert, ein Entsendegesetz zu machen.

(Minister Boris Rhein: Na, na, na!)

Doch, das kann ich Ihnen zitieren, Herr Innenminister. – Man hätte es wie andere Bundesländer machen können, nämlich wie Brandenburg.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Greilich, ich kann Ihnen das nachher geben, kein Problem.

(Wolfgang Greilich (FDP): Dann lies doch vor!)

Die Bundesländer wie das Land Brandenburg haben nämlich ihre Einsätze abgebrochen. Ich glaube aber, dass Sie das nicht wollen. Diesen Weg wollen wir jedenfalls ausdrücklich nicht gehen. Ich bin bislang davon ausgegangen, dass sich die anderen Fraktionen dieses Hauses auch nicht einfach verabschieden wollen, Herr Greilich.

(Beifall bei der SPD)

Das Land Hessen hat aufgrund dieser Ereignisse im Sommer dieses Jahres nur einen Grundsatzerlass verabschiedet, der leider nicht ausreicht, um abzusichern. Ich sage Ihnen auch, warum.

Herr Innenminister, wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamtinnen und Beamten des Landes. Deswegen müssen wir die Versorgungslücken schließen. Aber – ich sage das ausdrücklich – Sie haben Versorgungslücken offen gelassen. Ich habe den Erlass dabei und möchte gern daraus zitieren.

Wir haben z. B. folgenden Fall. Wenn eine Beamtin oder ein Beamter in einen Auslandseinsatz geschickt wird, dann werden sie durch Ihren Grundsatzerlass erstmals darauf hingewiesen, dass das Risiko bei ihnen liegt und sie sich darum zu kümmern haben, ob ihre Versicherungen

ausreichenden Schutz bieten. Sie verlagern zunächst das Risiko auf die Beamten. Es gibt Fälle, die Sie ausdrücklich in Ihrem Erlass aufführen, wo Sie keine Verantwortung übernehmen. Darin steht nämlich:

Hebt auf Ihre Mitteilung hin das Versicherungsunternehmen die Beiträge an, ist das kein Schaden, für den ein Ausgleich nach dem Hessischen Beamtenversorgungsgesetz gewährt wird.

Kündigt das Versicherungsunternehmen das Versicherungsverhältnis aufgrund der Mitteilung, besteht ebenfalls kein Versicherungsschutz mehr.

Es gibt in diesem Fall keine Versicherung, die ausfallen könnte, sodass kein angemessener Ausgleich gewährt werden kann. Die Fürsorgepflicht eines Landes gegenüber den Beamten, die es dorthin schickt, sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD)

Herr Innenminister, das darf nicht sein. Diese Lücke müssen wir unbedingt schließen.

Das Zweite, was wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen wollen – das ist wichtig, wenn man sich als Parlament selbst ernst nimmt – das sind nämlich die Transparenz und die demokratische Legitimation der Entsendung hessischer Beamtinnen und Beamter außerhalb der Bundesrepublik. Als Landesgesetzgeber sind wir für die Polizei zuständig. Wir entscheiden über ihre Einstellung, und wir haben das Budgetrecht. Deshalb wollen wir auch als Parlament in dieser Frage beteiligt werden, ob hessische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ins Ausland entsandt werden. Wir glauben, dass es angemessen ist, das Parlament zu beteiligen und es nicht einfach nur dem Innenminister zu überlassen.

(Beifall bei der SPD)

Derzeit ist es so, dass das Bundeskabinett beschließt und der Bundesinnenminister über die Innenministerkonferenz fragt, ob sich die Länder beteiligen. Das heißt, dass derzeit der hessische Innenminister allein darüber entscheidet, ob Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus Hessen im Ausland eingesetzt werden. Transparenz sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD)

Gemäß Art. 30 und 70 des Grundgesetzes haben die Bundesländer die Hoheit über ihre Polizei. Deswegen muss die Bundesregierung zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtung die Länder fragen, ob und in welchem Umfang sie sich an den Auslandsmissionen beteiligen. Im Wege der Abordnung an die Bundespolizei werden die hessischen Beamtinnen und Beamten entsendet. Bei der Innenministerkonferenz gibt es eine Arbeitsgruppe. Aber es gibt keinerlei Regelungen, was ist, wenn sich z. B. ein Bundesland nicht beteiligt.

Meine Damen und Herren, je höher die Informalität ist, desto höher ist auch die Intransparenz. Wir wissen nicht, was hinter verschlossenen Türen beraten wird. Für Außenstehende ist dieser Entscheidungsprozess schon lange nicht mehr nachvollziehbar. Es kommt einiges hinzu.

Nach dem Königsteiner Schlüssel, so wird nämlich das Kontingent aufgeteilt, ist es bis 450 Polizeibeamte so – es sind im Moment weniger Polizeibeamte im Ausland –, dass zwei Drittel von den Ländern und nur ein Drittel vom Bund geschickt werden. Es ist so, dass nach § 8

Bundespolizeigesetz der Bundestag beteiligt werden kann. Er hat ein Rückholrecht, und er wird informiert.

Die Länder, die zwei Drittel der Beamten schicken, haben überhaupt keinerlei Rückholrecht, und sie werden nicht einmal informiert. Das kann nicht sein. Dafür brauchen wir eine gesetzliche Regelung und Transparenz in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um eine nachhaltige humanitäre Unterstützung und zum Teil auch um eine friedenssichernde Stabilisierung in Krisengebieten. Wir haben kürzlich bei einem Aufenthalt mit dem Ministerpräsidenten in Israel einen dieser hessischen Beamten getroffen. Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, lassen Sie uns dafür Sorge tragen, dass er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen hinreichend versichert und abgesichert sind. Wir wären mit einem Entsendegesetz in diesem Bereich in der Bundesrepublik führend, Herr Minister. Es wird in vielen Bundesländern gerade beraten.

(Wolfgang Greilich (FDP): Mutterseelenallein!)

Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Beamtinnen und Beamten ausreichend versichert sind, wenn wir sie in Krisengebiete schicken. Deswegen bitte ich um Unterstützung für diesen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Nächster Redner ist Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

(Wolfgang Greilich (FDP): Spezialist für Rechtsstaat und Sicherheit!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD hat vor dem Hintergrund von Verwaltungsgerichtsentscheidungen zu den Mitbestimmungsrechten des Hauptpersonalrats der hessischen Polizei bei der Entsendung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nach Afghanistan dankenswerterweise eine wichtige Debatte angestoßen. Dazu möchte ich mich in drei Punkten äußern.

Erstens. Im Großen und Ganzen teilen wir die Intention der SPD, dass über Auslandseinsätze der hessischen Polizei das hessische Parlament beraten und beschließen sollte. Das hat mehrere Gründe.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ihr seid doch dagegen!)

Warte doch erst einmal ab. – Der wichtigste Grund besteht für mich darin, dass wir sowohl gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten als auch gegenüber der Öffentlichkeit die Gründe genau darlegen müssen, warum hessische Polizeibeamtinnen und -beamte

(Günter Rudolph (SPD): Gut, aber ihr seid trotzdem dagegen!)

längerfristig z. B. in Palästina, dem Kosovo oder Sudan eingesetzt werden sollen. – Lieber Kollege Rudolph, jetzt warte doch erst einmal ab, was ich sage.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr könnt es nicht abwarten. – Solche Einsätze sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind politisch konfliktbeladen, für die Betroffenen ein schwieriger Auftrag, und auch der Steuerzahler hat das Recht, zu fragen, warum ausgerechnet Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus Hessen im Ausland unterwegs sein müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist das Ziel des Einsatzes, wie die Begründung? Wie lange soll das gehen? Wer hat uns aufgerufen? All dies darf nicht in fernen Gremien entschieden, sondern muss transparent und in jedem einzelnen Fall hier im Parlament beraten und beschlossen werden. Dafür sind wir auch.

(Zurufe der Abg. Tarek Al-Wazir und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, ich sage dies auch vor dem Hintergrund der Diskussion über den Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien. Es kann nicht so bleiben, dass deutsche Polizei klammheimlich zur Ausbildung und zum Aufbau des Sicherheitsapparates eines zutiefst undemokratischen und autoritären Regimes abkommandiert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Bundesregierung ausgerechnet das saudische Regime unterstützen will, dann soll sie die Gründe dafür öffentlich darlegen, wenigstens das.

Erstens. Transparenz ist immer herzustellen.

Zweitens. Ich finde es auch wichtig, dass wir im Landtag zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung durchführen, aus der wir sicher selbst ein wenig schlauer herauskommen, obwohl ich – auch das muss ich an dieser Stelle sagen – angesichts der gestrigen Debatte zur Schließung von Gerichtsstandorten an der Lernbereitschaft einiger Kolleginnen und Kollegen große Zweifel habe. Doch bei einer Anhörung könnten wir uns nicht nur den politischen und verfassungsrechtlichen Fragen nähern; auch die Praxis sollte und muss betrachtet werden. Was sind die Motive und Probleme einer Polizeiarbeit im Ausland? Wie läuft die Zusammenarbeit vor Ort? Wie steht es um die Führung und Strategie? Welche Fortschritte sind zu verzeichnen? Wie stehen wir im Vergleich zu anderen Bundesländern da? Und: Was genau ist der Auftrag in befreundeten Staaten, in Krisengebieten oder sogar in Kriegsgebieten? Es gibt also viele Fragen, die im Landtag noch nie Thema waren.