Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei allen Themen, bei denen die FDP liefern wollte, bringt sie bisher nichts – weder für die Mehrheit der Menschen in diesem Land noch für die eigene Klientel der Besserverdiener. Die FDP liefert weder bei Bürgerrechten noch bei Steuergeschenken für Reiche. Deshalb sind ihre Wahlergebnisse auch einfach, niedrig und gerecht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Heiterkeit und Unruhe bei der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dass die FDP nun versucht, sich beim Thema Griechenland zu profilieren, ist erst einmal billig, aber daneben ist es natürlich auch gefährlich. Wenn Herr Rösler und Herr Rentsch der Meinung sind, dass es keine Denkverbote geben dürfe, fordere ich Sie auf: Fangen Sie endlich an, darüber nachzudenken, was ein Staatsbankrott bedeutet. Er bedeutet nämlich, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst ausfallen, dass Rentenzahlungen ausbleiben, dass die öffentliche medizinische Versorgung zusammenbricht, dass öffentliche Infrastruktur verschandelt und dass letztlich die Menschen die Zeche zahlen, die am wenigsten für diese Krise verantwortlich sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nicht Spekulanten und Banken sind es, die dann zu leiden haben, sondern diejenigen, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. Auf deren Rücken ist die FDP offenbar bereit, Ressentiments zu schüren und die Stabilität des Euros zu gefährden. Uns ist hingegen daran gelegen, dass die Staatsschuldenkrise überwunden wird. Dafür ist es dann aber auch nötig, dass wir alle nicht weiterhin für Panik sorgen, sondern uns für ein solidarisches, demokratisches und stabiles Europa einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Liebe FDP, bei der Frage, wie wir das erreichen und wie wir etwa Eurobonds einführen, darf es dann auch keine Denkverbote geben. Ein Staatsbankrott darf aber sicher nicht zur Debatte stehen. Deshalb haben wir heute Morgen diesen Dringlichen Antrag eingebracht, um deutlich zu machen, dass sich der Hessische Landtag gegen die Insolvenzabsichten der FDP für Griechenland ausspricht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege van Ooyen. – Das Wort hat der Abg. Milde, CDU-Fraktion.

(Lothar Quanz (SPD): Jetzt aber im Sinne von Frau Merkel! – Gegenruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn: Seit wann sind Sie für Frau Merkel?)

Herr Präsident, mein sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir gestern gehört haben, wie gut Helmut Kohl war, und heute hören, wie gut Angela Merkel ist. Ich finde, wir können nach dieser Plenarwoche durchaus zufrieden nach Hause gehen, weil wir wissen, dass wir die politische Spitze dieses Staates in den letzten Jahren mit den Richtigen besetzt hatten und haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Na, na!)

Auch wenn Sie versuchen, aus einem ernsten Thema, das die FDP heute Morgen zu Recht thematisiert hat, nämlich die Mitsprache der Parlamente bei der Euro-Rettung, eine Polemik zu machen, muss ich Ihnen sagen: Es wird Ihnen nicht gelingen; Sie haben keine Chance, an dieser Stelle einen Keil zwischen CDU und FDP zu treiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Schlimmer gehts nimmer!)

Ich sage Ihnen auch unverhohlen: Niemand in diesem Hause redet – schon gar keine FDP oder CDU – den Euro oder Europa klein, sondern im Gegenteil. Alle Bemühungen, die unternommen werden, Europa und den Euro zu retten, sind die Diskussion wert, und wir werden am Ende mit dieser Debatte erfolgreich sein.

Lieber Kollege van Ooyen, wenn Sie sich um die Wahlergebnisse der FDP Gedanken machen, sage ich Ihnen auch: Die FDP ist mit knapp 17 % im Hessischen Landtag; die FDP ist damit prozentual wesentlich näher am Ouzo, als es die LINKEN jemals sein werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Was ist denn passiert? – Es gab Euroskeptiker, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Euro-Rettungsschirm geklagt haben und damit gescheitert sind. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, das Parlament müsse in seiner Mitsprache bei der Euro-Rettung gestärkt werden. Das macht die FDP zum Thema. Wir haben im letzten Plenum einen gemeinsamen Antrag zum ESM beschlossen; und es ist auch richtig, dass hier die Mitsprache der Länder und des Bundes gestärkt werden. Dass der Bundestag bei den einzelnen Tranchen, die aus dem ESM gezogen werden, mitreden muss, wenn es um zig Milliarden und das Geld der Bürger geht, ist doch selbstverständlich, und dass dort der Bundesrat in irgendeiner Weise eingebunden werden muss, ist nicht nur von uns gefordert worden, sondern auch deswegen richtig, weil das Vertrauen der Bürger bei den horrenden Summen in den letzten Monaten logischerweise gelitten hat. Sie sind ängstlich und teilweise fassungslos und wütend, und da kann eine Mitsprache der Parlamente durchaus helfen, zu erklären, warum und wie wir das machen.

Ich sage Ihnen auch eindeutig: Der Weg, der von der Kanzlerin eingeschlagen wurde, um Griechenland zu helfen und Europa zu retten, ist der richtige Weg, weil Europa mehr ist als die Summe von Zahlungen in den Europäischen Stabilitätsfonds. Europa ist eine Gesamtaufgabe.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Erklären Sie das einmal Ihrem Koalitionspartner!)

Natürlich gehören wir in Solidarität zusammen, auch mit der Eigenverantwortung, die wir den Ländern abverlangen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für die FDP nicht!)

Daher bitte ich, doch einmal ganz kurz zu überlegen, was wir den Griechen und anderen Ländern Europas abverlangen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Es ist durchaus lobenswert, wenn in Griechenland die Renten bereits um 20 bis 30 % und die Löhne im öffentlichen Dienst gekürzt werden und wenn dort Entwicklungen eintreten, die die Griechen an sich ärmer machen. Dann ist die Solidarität auch gerechtfertigt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gehört zusammen, dass diese Länder auf der einen Seite Hilfe bekommen und auf der anderen Seite durch eigenes Streben und durch eigene Entscheidungen aus der Krise herauskommen können. Wir können mit noch so vielen Milliarden € nicht dafür sorgen, dass die einzelnen Länder ihre Hausaufgaben machen. Das müssen sie selbst machen, und das machen sie auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der gesamten Debatte machen sich einzelne Politiker in Europa – einige davon sind heute Morgen genannt worden – Gedanken darüber, welche zusätzlichen Möglichkeiten es gibt, wenn das, was wir im Moment machen, nicht reichen könnte. Dabei geht es um die Frage des Insolvenzrechts für Staaten. Das Insolvenzrecht für Staaten ist etwas, worüber die Staatengemeinschaft insgesamt nachdenken muss. Denn es gibt bisher keine Antwort auf die Frage, was geschieht, wenn es passiert.

Als die DDR pleitegegangen ist, haben Sie sehen können, was in Osteuropa passiert ist und welche Kosten auf uns zugekommen sind. Da gab es kein geordnetes Insolvenzrecht.

Wir haben bei den Banken auch darüber nachgedacht – wir denken immer noch darüber nach –, welches geordnete Insolvenzrecht möglich sein könnte, um im Falle einer Insolvenz wirklich helfen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Milde, Sie müssen langsam zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ich komme gleich zum Schluss meiner Rede. – Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig herauszulesen, dass Eurobonds in der Tat die Verallgemeinerung der Schulden sind und dass das an den Parlamenten der einzelnen Mitgliedstaaten vorbeigeht. Das werden wir, da bin ich mir ganz sicher, nicht zulassen. Mitsprache

ja, aber eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Europäischen Union wird es mit der Union und der FDP nicht geben.

Abschließend sage ich: Wir freuen uns darüber, dass sich Herr Kollege Rentsch in der FDP wohlfühlt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war deutlich!)

Herr Kollege Milde, vielen Dank. – Das Wort erhält nun der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Kollege Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Milde, wir haben verstanden, was Sie damit sagen wollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob Regierungen gut oder schlecht sind, merkt man nicht in guten Zeiten, sondern das merkt man, wenn es ernst wird.

(Petra Fuhrmann (SPD): Richtig!)

Die Lage ist momentan ernst. Die spannende Frage ist, ob die Regierung, die wir auf Bundesebene haben, sich in dieser Situation als gut oder schlecht erweist.

Es ist eine Tatsache, dass der Bundeswirtschaftsminister, der auch noch Vizekanzler ist, einfach einmal so von einer geordneten Insolvenz dahergeredet hat, obwohl es dafür, wie Sie, Herr Kollege Milde, zu Recht gesagt haben, bisher überhaupt keine rechtliche Grundlage gibt. Er hat auch keine geliefert, sondern gesagt: Ich hatte da einmal so eine Idee. – Damit hat er die Börsen auf Talfahrt geschickt und gleichzeitig die Zinsen weiter nach oben getrieben. Das heißt, er hat das Problem verschärft und nicht zur Lösung beigetragen. Das hat Herr Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, gestern so kommentiert:

„In der gegenwärtigen Situation kann Politik nicht öffentlich über alles philosophieren, was einem so einfällt“,... Vorschläge, die nicht zu Ende gedacht seien und deren Wirkung nicht bedacht und ohne überzeugende Begründung als der rettende Ausweg bewertet würden, seien kein sinnvoller Beitrag zur Debatte. „Sie sind unverantwortlich.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, man dürfe den Euro nicht stützen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, das müsse auf einer ordentlichen rechtlichen Grundlage geschehen, und die Regierung dürfe das nicht alleine machen, sondern das Parlament müsse zustimmen. Umso deutlicher muss da die Frage gestellt werden, ob der gelbe Teil der schwarz-gelben Mehrheit dieser Verantwortung gegenwärtig gerecht wird. Er wird nämlich dieser Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hans-Dietrich Genscher hat das folgendermaßen ausgedrückt: