Protokoll der Sitzung vom 04.10.2011

Ich kann an dieser Stelle daher nur wiederholen, was Ministerpräsident Volker Bouffier in großer Gelassenheit bereits in der vorvergangenen Woche festgestellt hat: Die Koalitionsvereinbarung, auf die sich diese Landesregierung stützt, gilt.

Die Fraktionsredezeit ist abgelaufen.

Vielen Dank, Herr Präsident, ich habe Ihre Bemerkung verstanden. – Daran, dass die Koalitionsvereinbarung gilt, auf die sich diese Landesregierung stützt, gibt es weder in der Landesregierung noch unter den Regierungsfraktionen irgendeinen Zweifel. Für hektische Aufgeregtheiten und künstliche Verunsicherungen der Menschen in unserem Land besteht überhaupt kein Anlass. Wie gewohnt, arbeitet die Landesregierung das Regierungsprogramm konsequent ab. Unser Wort gilt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, was die Regierungsfraktionen vereinbart haben:

Wir werden erneut prüfen, ob mit einem legitimierten Ansprechpartner eine Vereinbarung zur Erteilung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache getroffen werden kann. Solle dies nicht der Fall sein, werden wir im Fach Ethik eine verpflichtende religionskundliche Unterweisung in islamischer Religion einführen.

Diese Formulierung macht deutlich, dass sich die Regierungsfraktionen und natürlich auch die Hessische Landesregierung zu dem in Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes und in Art. 57 der Hessischen Verfassung garantierten bekenntnisorientierten Religionsunterricht bekennen. Es gibt kein Mitglied der Landesregierung, das diese Rechtsgrundlage für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht an hessischen Schulen abschaffen will. Auch das möchte ich an dieser Stelle einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Jede Religionsgemeinschaft, die die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, hat ein Recht auf einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht an hessischen Schulen. Das gilt natürlich auch für muslimische Religionsgemeinschaften. Wir wollen die religiöse Unterweisung von muslimischen Kindern und Jugendlichen nicht den Hinterhofmoscheen überlassen.

Es versteht sich aber auch von selbst, dass die Einführung des islamischen Religionsunterrichts kein leichtes Unterfangen ist. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass die Einführung des alevitischen Religionsunterrichts immerhin fast zehn Jahre gedauert hat.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ein solcher Umstand ist in der Diskussion nicht einfach zur Seite zu schieben nach dem Motto: „Macht das doch mal innerhalb von 24 Stunden, es wird alles gut“.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen runden Tisch zu Fragen des islamischen Religionsunterrichts ins Leben gerufen. In mehreren Sitzungen hat dieses Gremium auch pädagogische Fragen diskutiert. Es besteht inzwischen große Einigkeit über die Lerninhalte des künftigen islamischen Religionsunterrichts für Grundschulen in Hessen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist bereits ein Wert an sich, weil sich fast alle muslimischen Verbände auf gemeinsame Inhalte verabredet haben. Das gibt es in keinem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will ein Zweites klarstellen. Die Hessische Landesregierung gibt sich bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts in diesem Punkt nicht mit halben Sachen zufrieden. Wir werden die in Nordrhein-Westfalen angedachte Beiratslösung weder als Ersatzmodell noch als Übergangsvariante übernehmen. Die Beiratslösung steht auf verfassungsrechtlich höchst tönernen Füßen. Ein Religionsunterricht, dessen Inhalte der Staat bestimmt, ist verfassungsrechtlich nicht zu legitimieren. Wir haben eine Trennung von Kirche und Staat. Das gilt für alle Religionen in diesem Lande.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Demonstrati- ver Beifall bei der LINKEN)

Deshalb kann es nicht richtig sein – die nordrhein-westfälische Kultusministerin hat das jetzt auch zugegeben –, mit einem solchen Modell einen Ersatz oder auch nur eine Übergangslösung verfassungsrechtlich zu organisieren.

Damit in diesem Zusammenhang eine zweite Mär nicht wieder vorgetragen wird – zumindest ohne dass man weiß, dass man etwas Falsches sagt –: Es gibt für diese Über

gangslösung keine Legitimation, auch wenn die Frau Kollegin von der Deutschen Islam Konferenz dies immer wieder einmal behauptet.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Lesen hilft manchmal weiter. Die entsprechende Passage in der Anlage aus dem Zwischenresümee der Arbeitsgruppen und des Gesprächskreises der Deutschen Islam Konferenz zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen eines islamischen Religionsunterrichts ist zum einen in Klammern gesetzt und zum anderen mit folgendem Hinweis überschrieben: „Über folgenden Absatz konnte kein Einvernehmen erzielt werden.“ Wir stimmen mit dieser rechtlichen Beurteilung vollkommen überein. Wir werden keine Beiratslösung als Ersatzmodell oder als Übergangsvariante in Hessen zulassen, weil das in unseren Augen schlicht verfassungswidrig ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es besteht somit kein vernünftiger Zweifel, dass die Landesregierung das schwierige Ziel mit Nachdruck und mit der gebotenen Sorgfalt verfolgt. Im Sommer 2009 wurde zunächst der runde Tisch zum islamischen Religionsunterricht ins Leben gerufen. Dort wurden intensive Diskussionen über die Umsetzung des Vorhabens geführt.

Die Bemühungen der Landesregierung – ich lese in Ihrem Antrag etwas anderes – haben auch schon erste Erfolge gezeigt. Es liegen zwei Anträge von islamischen Organisationen aus Hessen vor, einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes durchzuführen. Von dieser Stelle aus sei beiden Antragstellern Dank gesagt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nun muss geprüft werden – und zwar getrennt –, ob die Antragssteller die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen. Die Hessischen Landesregierung orientiert sich dabei streng am Grundgesetz und nimmt damit eine Pionierfunktion in Deutschland wahr. Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes gibt ausdrücklich vor, dass „Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ zu erteilen ist. Muslime müssen nicht zur Kirche werden, aber wenn der Staat mit Vertretern der Muslime verhandeln soll, dann muss er wissen, dass die Muslime entschieden haben, dass sie von genau diesen Personen vertreten werden wollen. Das ist weit entfernt von der Organisation einer Kirche.

Bereits dieser Aspekt zeigt aber, dass die Prüfung der Anträge kein leichtes Unterfangen ist und die Beteiligung externen Sachverstands voraussetzt. Darüber hinaus bedarf es selbstverständlich auch der Prüfung, inwieweit die Organisationsstruktur der Religionsgemeinschaft die verfassungsrechtliche Ordnung beachtet und wie die Verfassungswerte innerhalb der Gemeinschaft gelebt werden. Hier sind Sorgfalt und Gründlichkeit gefordert.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich darf Ihnen in Übereinstimmung mit der fachlich hierfür zuständigen Frau Kollegin Kultusministerin Dorothea Henzler mitteilen, dass die entsprechenden Aufträge zur Erstellung eines Gutachtens zu dem Antrag von Ahma

diyya Muslim Jamaat e. V. und zu dem Antrag des DITIBLandesverbands Hessen vor wenigen Tagen unterzeichnet und den jeweiligen Professores übersandt worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hektik wäre an dieser Stelle überaus kontraproduktiv. Die Hessische Landesregierung strebt vielmehr eine dauerhafte und verfassungsrechtlich tragfähige Lösung an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich deshalb zusammenfassend feststellen: Wir arbeiten nicht nur daran, Pioniere bei der Integrationspolitik zu sein, sondern wir möchten auch im Wettbewerb mit den anderen gemessen werden. Die Studie „Bildungsmonitor 2011“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und des Instituts der deutschen Wirtschaft bescheinigt Hessen eine gute Input-Effizienz. Hessen liegt hier im Bundesvergleich auf dem dritten Platz. Zum anderen ist der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft hessischer Schülerinnen und Schüler geringer als in den meisten anderen Bundesländern. Meine Damen und Herren, das etwas zynische Klatschen, das ich vorhin von der Fraktion DIE GRÜNEN gehört habe, wird Lügen gestraft, wenn man einen Vergleich zu den anderen Bundesländern zieht. Da nimmt Hessen nämlich eine Spitzenposition ein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dies führt zu dem Ergebnis, dass Hessen im Handlungsfeld Integration den ersten Platz unter den westdeutschen Flächenländern einnimmt.

Ferner hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung einen Index zur Messung von Integration entwickelt, der den Integrationserfolg acht verschiedener Herkunftsgruppen untersucht. Auf die Bundesländer bezogen, weist Hessen auch hier einen Spitzenwert auf: Gemeinsam mit Hamburg liegt Hessen auf dem ersten Platz.

Das macht stolz darauf, wie die Arbeit der Hessischen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen beurteilt und unterstützt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich darüber hinaus sagen, dass das nicht nur die internen Rankings von Deutschland beweisen, sondern dass z. B. im vergangenen Jahr der zuständige Abteilungsleiter Herr Kindermann für die Hessische Landesregierung, für das Land Hessen, für uns alle, eine Auszeichnung durch die türkische Regierung erhalten hat, weil wir aus ihrer Sicht gute Integrationspolitik machen.

Wir möchten moderne Integrationspolitik weiter gestalten. Das heißt auch Fordern, heißt Beitrag des Staates, aber noch mehr von jedem Einzelnen, heißt Umbau der Regelstrukturen auf jeder Ebene. Wir kommen dabei gut voran, und wir werden daran arbeiten, mit unserer Arbeit möglichst viele Menschen zu erreichen und für möglichst viele Menschen das Gelingen von Integration und die Bereicherung durch Vielfalt erlebbar zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie alle: Arbeiten wir engagiert an diesem Prozess weiter. Wir wollen erreichen, dass irgendwann jeder in diesem Land sagt: „Ich bin ein Hesse.“

Schließen möchte ich mit einem Satz meiner niedersächsischen Kollegin Özkan zur Einwanderung; er gilt erst recht für die Integration: Integration heißt nicht Her

kunft, Integration heißt Zukunft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Damit hat die Regierung ihre Erklärung abgegeben.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, will ich zunächst den Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag nachholen, Herr Kollege Kahl. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen alles Gute für das kommende Lebensjahr.

(Allgemeiner Beifall – Schriftführer Abg. Heinz Lotz überreicht einen Blumenstrauß.)

Die Blumen werden Ihnen gebracht, trotzdem können wir fortfahren. – Anerkennende Unruhe für Herrn Kollegen Kahl.

Ich eröffne die Aussprache. Zu Beginn der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Merz für die Fraktion der SPD das Wort. Für die Oppositionsfraktionen ergeben sich jetzt 34 Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von den vielen schwachen Regierungserklärungen, die wir in den letzten Monaten hier gehört haben, war das eine der schwächsten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh! – Na, na, na! – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))