Protokoll der Sitzung vom 04.10.2011

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit einmal Henry Kissinger zitieren, immerhin amerikanischer Politiker und Friedensnobelpreisträger. Er sagte zu dem Stichwort Kompromiss:

Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind.

Dass dieser Kompromiss der Anpassung etwas später eintritt, als dies für die Tarifbeschäftigten der Fall ist, trifft zweifellos zu. Das geschieht aber nicht aus Böswilligkeit, sondern aufgrund der Notwendigkeit, auch bei dieser politischen Entscheidung das Machbare und Finanzierbare im Blick zu behalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, allein die Übernahme der geforderten Einmalzahlung für alle würde sich im Etat mit rund 44 Millionen € niederschlagen. Der Gesetzentwurf begründet an dieser Stelle ausdrücklich, warum wir es uns aus Gründen der Haushaltsersparnis nicht für alle leisten können.

Was wir jedoch mit unserem Änderungsantrag einbringen, ist ein weiterer klassischer Kompromiss, ein Kompromiss, mit dem wir uns vor allem der Beamtinnen und Beamten im unteren und mittleren Besoldungsbereich annehmen und sie ganz gezielt in den Blick nehmen. Für die Angehörigen der Besoldungsgruppen A 3 bis A 11 ist eine Einmalzahlung in Höhe von 360 € und für Anwärter sind 120 € eine spürbare Verbesserung.

Wir halten es deshalb auch für vertretbar, dass der Bereich des gehobenen Dienstes und die sogenannten Spitzenbeamten im wahrsten Sinne des Wortes an dieser Stelle einmal ausgespart bleiben. Wir haben deshalb die Ergebnisse der Anhörung zum Beamtenrecht ernst genommen und entsprechende Änderungen heute eingebracht und auf den Weg gebracht.

Mit unserer Regelung tragen wir dafür Sorge, dass gerade die unteren und mittleren Besoldungsgruppen – sagen wir etwas flapsig: die Indianer bei der Polizei, bei den Finanzämtern und den Verwaltungen und nicht die wenigen Häuptlinge – eine Verbesserung ihres Einkommens erhalten. Bewusst haben wir auch die Besoldungsgruppe A 11 mit in den Blick genommen, damit wir hier zahlreiche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wertschätzen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Anpassung der Bezüge der hessischen Beamten erfolgt insgesamt mit Rücksicht auf die Steuerzahler und auf die Leistungsfähigkeit unseres Landes. Die Entscheidung der hessischen Bürgerinnen und Bürger für die Schuldenbremse dürfen wir bei keiner unserer politischen Entscheidungen ignorieren. Sparen, ohne dass es jemand merkt, geht eben nicht. Oberstes Ziel unserer Politik bleibt auch in Zukunft die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Weiter gehende Forderungen sind vor diesem Hintergrund einer generationengerechten und zukunftsfesten Finanzpolitik nicht umsetzbar. Immerhin gehen über 40 % der Gesamtausgaben des Landes in den Personaletat. Dieser ist mit rund 8 Milliarden € der größte Titel des Landeshaushaltes. Meine Damen und Herren, das Geld wächst eben nicht auf den Bäumen. Auch vor dem Hintergrund der zukünftigen demografischen Entwicklung und der weiter ansteigenden Ausgaben für Versorgungs- und Beihilfeempfänger stellen die zusätzlichen Leistungen, wie wir sie vorschlagen, immerhin in Höhe von 10 Millionen €, eine haushaltspolitisch durchaus noch vertretbare Größenordnung dar.

Die Betroffenen haben natürlich ihre Kritik bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Aus Sicht der Betroffenen habe ich durchaus Verständnis. Es wird in deren Argumentation jedoch immer wieder der Eindruck erweckt, es gäbe keine Gehaltsverbesserungen bei Beamtinnen und Beamten und es würden dem Land dank Steuermehreinnahmen derzeit unbegrenzte Mittel zur Alimentierung der Bediensteten zur Verfügung stehen. Das ist aber gerade nicht der Fall.

Wir schreiben trotz der erfreulichen Gesamtentwicklung bei den Einnahmen keine schwarzen Zahlen. Wenn Sie so

wollen, findet auch diese Erhöhung der Beamtenbesoldung auf Pump statt. Das können und wollen wir uns in größerem Umfang nicht leisten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Von der Anpassung, wie wir sie vorschlagen, sind rund 96.000 Beamtinnen und Beamte sowie rund 62.000 Pensionäre betroffen. Eine Anpassung nach oben bringt daher nicht unerhebliche Mehrbelastungen mit sich. Der Gesetzentwurf beinhaltet deshalb nach unserer Auffassung einen angemessenen Vorschlag. Die Dienst-, Amtsund Versorgungsbezüge sowie die Anwärtergrundbeträge werden zum 1. Oktober 2011 einheitlich um 1,5 % und zum 1. Oktober 2012 um weitere 2,6 % erhöht. Das ist nicht üppig, zugegeben. Aber es kann sich durchaus sehen lassen.

Auch in anderen Bundesländern wird nicht aus dem Vollen geschöpft. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten schon darauf hingewiesen, dass die neue rot-grüne Koalition in Rheinland-Pfalz eigene Wege geht. Ich kritisiere das nicht. Aber eine im Koalitionsvertrag festgeschriebene lineare Erhöhung von 1 % für die dortigen Beamtinnen und Beamten ist ein realer Lohnverzicht, das sind Minusrunden. Das machen wir in Hessen nicht. Ich finde es trotzdem legitim, dass auch diese Landesregierung einen vertretbaren Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren findet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Kommen wir zurück zu Hessen. Ich nenne ein weiteres Zitat zu dem Thema Kompromiss von dem deutschen Schriftsteller Peter Maiwald. Er sagt:

Zum Unglück der Politiker wollen die Fakten mit ihnen keine Kompromisse machen.

Meine Damen und Herren, die Fakten in unserem Landeshaushalt sind eindeutig. Allein in diesem Jahr werden wir aufgrund dieser Regelung mehr als 10 Millionen € Mehrausgaben bewerkstelligen müssen. Im nächsten Jahr kostet uns diese Regelung weit über 100 Millionen €, und im Jahr 2013 wird unser Haushalt mit weiteren 200 Millionen € zusätzlich belastet. Das sind insgesamt 300 Millionen €. Das ist kein Pappenstiel, den wir aufwenden müssen. Aber wir denken, dass dieses Geld durchaus sinnvoll und gut investiert ist.

Bei der Rechnung wird häufig der zusätzliche Kostenbetrag vergessen, den wir für Pensionsrückstellungen aufwenden müssen. Das sind immerhin noch weitere 250 Millionen €.

Von den Betroffenen wird immer wieder geäußert, sie seien keine Beschäftigten zweiter Klasse. Das sind sie auch nicht. Denn Hessens Beamtinnen und Beamte werden auch im Vergleich mit anderen Bundesländern gut bezahlt. Es ist sicherlich nicht immer eine Lust, im Beamtenstatus im Landesdienst tätig zu sein. Zugegeben, wir haben die höchsten Arbeitszeitbelastungen. Es ist aber bei Weitem keine Last, denn der Beamtenstatus hat – das ist doch landauf, landab wohlbekannt – durchaus seine Vorzüge und seine Vorteile.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Hessens Lehrerinnen und Lehrer werden gut bezahlt. Hessens Polizistinnen und Polizisten werden ebenfalls, gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern, ordentlich besoldet, bestens ausgebildet und hervorragend für ihren Dienst ausgestattet.

Meine Damen und Herren, die Beamten sind Stützpfeiler unserer Verwaltung. Deshalb war es uns ein Anliegen, noch einmal mit einer sozialen Komponente in bescheidenem Umfang nachzubessern. Aufgrund dieser Änderung ist es auch vertretbar, dass die Beamten jeweils sechs Monate später, nämlich zum Oktober 2011 und zum Oktober 2012, in den Genuss der Besoldungserhöhung kommen. Angesichts unterschiedlicher Nettobezüge von Beamten und Angestellten ist nach unserer Auffassung auch eine spätere Umsetzung der Erhöhung nicht unzumutbar. Die Anpassung ist, wie gesagt, ein Kompromiss, um dessen Annahme ich Sie bitte. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bauer, vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht der parlamentarische Geschäftsführer, Herr Rudolph.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Position der SPDFraktion ist klar und eindeutig nachvollziehbar. Wir wollen, dass die hessischen Beamtinnen und Beamten die Besoldungserhöhung bekommen, die die Tarifbeschäftigten in Hessen erhalten haben.

(Beifall bei der SPD)

Der alte Grundsatz, dass das Beamtenrecht dem Tarifrecht folgt, ist nicht falscher geworden. Herr Kollege Bauer, Sie können natürlich das Thema Schuldenbremse für alles und jedes wie eine Monstranz vor sich hertragen und versuchen, damit Ihre politischen Entscheidungen zu begründen. Aber es wird dadurch nicht besser, nicht wahrer und vor allem nicht richtiger, um Ihnen das sehr deutlich zu sagen. Denn die 130.000 Beschäftigten in der Landesverwaltung sind keine beliebige Manövriermasse, die Sie gebrauchen können, um Kosten einzusparen, sondern sie leisten etwas.

Sie haben eben das Hohelied auf die Beamtinnen und Beamten gesungen. Dann müssen Sie aber auch dafür sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessene Besoldungserhöhungen bekommen und kein Gnadenbrot dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Das, was Sie gesagt haben, ist ein Paradigmenwechsel. Ihr Kollege Bellino hat in der letzten Sitzung des Innenausschusses noch erzählt, die Beamten würden eine 1:1Übertragung des Tarifergebnisses bekommen. Das war schon damals falsch. Sie haben ihn hier öffentlich vor Publikum korrigiert, indem Sie gesagt haben: zeitverzögert.

(Holger Bellino (CDU): Sie hören nicht zu!)

Zeitverzögert heißt: Wenn Sie die Besoldungserhöhung im Jahr 2011 um sechs Monate und im Jahr 2012 um sieben Monate hinausschieben, dann bedeutet das, dass es eben keine 1:1-Übertragung ist, sondern deutlich weniger. Das kann man machen. Aber man muss es dann redlicherweise sagen.

(Beifall bei der SPD)

Sie verlassen den gemeinsamen Sektor der Tarif- und Besoldungspolitik. Das ist falsch.

Sie haben nachgebessert. Ich kann es Ihnen nicht zum Vorwurf machen, dass Sie etwas schlauer werden, dass Sie einsichtiger sind oder, vielleicht viel profaner, dass Sie Angst haben, dass Beamtinnen und Beamte ein gutes und langes Gedächtnis haben und bei der nächsten Landtagswahl sagen: So, wie CDU und FDP mit uns umgehen, wählen wir sie nicht mehr. – Gut, bei der FDP stellt sich diese Frage eh nicht mehr. Aber bei der CDU ist es ein größerer Kreis.

(Peter Beuth (CDU): Hochmut kommt vor dem Fall! Das haben wir zehn Jahre miteinander geübt!)

Herr Saebisch, ich weiß, die Wahrheit ist hart. Trotzdem sage ich sie Ihnen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Kollege Rentsch, das nehme ich zur Kenntnis. – Die CDU muss sich mehr Sorgen machen, zu Recht. Deswegen gewähren Sie die Einmalzahlung. Aber für den mittleren Dienst – in der Finanz- und Justizverwaltung gibt es noch genug Beschäftigte im mittleren Dienst – gibt es die Besoldungserhöhung sechs bzw. sieben Monate später. Das ist falsch. Auch hier wird Kaufkraft entzogen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen lehnen wir Ihren Änderungsvorschlag und konsequenterweise auch den Gesetzentwurf ab. Denn neben den nicht angepassten Tariferhöhungen haben hessische Beamte die längste Wochenarbeitszeit Deutschlands, es gab Kürzungen bei der Weihnachtszuwendung und beim Urlaubsgeld. Deswegen ist das, was Sie jetzt vorhaben, ein erneuter Wortbruch gegenüber hessischen Beamtinnen und Beamten, ein weiteres Sonderopfer. Das lehnen wir ab. Es bleibt falsch.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Deswegen wollen wir Ihnen bis zum Donnerstag Gelegenheit geben, noch einmal darüber nachzudenken. Deswegen beantragen wir, wie angekündigt, die dritte Lesung zu diesem Gesetzentwurf.

Wir haben die Debatte sinnvollerweise mit einem Entschließungsantrag verbunden, in dem es um die Änderung der Beihilfeverordnung geht. Herr Kollege Bauer, Sie haben dazu nichts gesagt. Das kann mehrere Gründe haben: Sie haben sich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt, das Thema ist unangenehm, Sie sagen, die Landesregierung sei zuständig, weil es nur eine Verordnung ist. – All das kann sein.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Herr Innenminister, Sie wissen, in einem Landtag, gerade im hessischen, kann man zu allem und jedem etwas sagen. Auch Sie machen das gelegentlich. Warum sollen das nicht auch Oppositionsfraktionen tun?

Mit unserem Entschließungsantrag wenden wir uns dem Thema Änderung der Beihilfeverordnung zu. Meine Damen und Herren, das, was im Entwurf vorliegt und in der Landespersonalkommission schon beraten wurde – die Entscheidung darüber wurde jetzt verschoben –, ist in der Tat bedenklich. Denn wenn das, was Sie vorhaben, umgesetzt wird, bedeutet dies für die Beamtinnen und Beamten erneute finanzielle Verschlechterungen. Da müssen wir schon einmal genauer hinschauen. Herr Kollege Bauer, deswegen können Sie das Thema nicht ignorieren. Ich nehme an, auch Ihre Fraktion haben Stellungnahmen des Deutschen Beamtenbundes und des Gewerkschaftsbun