Protokoll der Sitzung vom 04.10.2011

Mit unserem Entschließungsantrag wenden wir uns dem Thema Änderung der Beihilfeverordnung zu. Meine Damen und Herren, das, was im Entwurf vorliegt und in der Landespersonalkommission schon beraten wurde – die Entscheidung darüber wurde jetzt verschoben –, ist in der Tat bedenklich. Denn wenn das, was Sie vorhaben, umgesetzt wird, bedeutet dies für die Beamtinnen und Beamten erneute finanzielle Verschlechterungen. Da müssen wir schon einmal genauer hinschauen. Herr Kollege Bauer, deswegen können Sie das Thema nicht ignorieren. Ich nehme an, auch Ihre Fraktion haben Stellungnahmen des Deutschen Beamtenbundes und des Gewerkschaftsbun

des erreicht, in denen ausgeführt wird, was das konkret bedeutet.

Damit muss man sich auch in diesem Landtag auseinandersetzen. Denn eine Verordnung hat eine Rechtsgrundlage in einem Gesetz. Dafür ist ein Landtag zuständig.

Was haben Sie mit der Änderung der Beihilfeverordnung vor? Sie wollen die Bemessungssätze ändern. Sie wollen den nachrangigen Beihilfeanspruchs für Tarifbeschäftigte streichen. Sie wollen den 15-prozentigen Zuschlag bei stationären Behandlungen kürzen. Sie wollen die Aufwendungen für zahntechnische Leistungen um 10 % kürzen.

Aus unserer Sicht der gravierendste Punkt: Sie wollen die Sachleistungsbeihilfe streichen. – Was heißt das? Dieses Beispiel möchte ich einmal verdeutlichen.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Bisher konnten freiwillig versicherte Beamtinnen und Beamte im Rahmen der Regelung zur Sachkostenbeihilfe 50 % der entrichteten Beiträge bekommen. Die Beamten, die sich der Solidarversicherung angeschlossen haben, sollen nach dem jetzigen Modell ab dem 01.01.2014 diese Möglichkeit nicht mehr bekommen, sie müssen sich voll privat versichern. In aller Regel sind das nicht Beamte im Alter von 25 Jahren, sondern lebensältere. Das heißt, auf diesen Kreis der freiwillig Versicherten kämen Beitragserhöhungen je nach Situation zwischen 200 und 300 € im Monat zu. Das ist ein erheblicher Eingriff in die finanziellen Möglichkeiten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Und unsolidarisch!)

Es ist ungerecht und unsolidarisch gegenüber diesem Beamtenkreis, der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung war.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen müssen wir das thematisieren. In unserem Antrag haben wir das deutlich gemacht: Solange es die Bürgerversicherung noch nicht gibt – das ist unser Alternativmodell –, kann man diese Beamtinnen und Beamten nicht bestrafen.

Wenn Sie das so umsetzen, wie Sie es vorhaben, ist das ein erneuter Wortbruch. Der damalige Innenminister hat im Jahr 2003 gesagt: Mit der Erhöhung der Wochenarbeitszeit, den Streichungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld wird es keine weiteren Sonderopfer geben.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Bouffier hieß der Mann. Geblieben ist ein Wortbruch, der fortgeführt wird. Damit hat diese Landesregierung kein Problem.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen haben wir das Thema Beihilfe hier im Landtag aufgegriffen, denn es gehört auch dazu, zu sagen, dass es erneute Einbußen für viele geben wird.

Wenn ich mit den hohen Belastungen argumentiere – ja, dann darf der Landesgesetzgeber natürlich nicht nur über die Ausgabenseite reden. Auch bei der Beihilfe gibt es Möglichkeiten der Einsparung. Ich will das klar und deutlich sagen. Wenn ein Beamter sagt: „Ich will Chefarztbehandlung, Zweibettzimmer und Ähnliches“, dann muss er eben den zusätzlichen Betrag entrichten. Dafür muss nicht die Allgemeinheit aufkommen. Hier kann man ein

sparen, das ist überhaupt kein Problem. Diese Position ist nachvollziehbar. Herr Innenminister, die können Sie mit uns sofort umsetzen. Das aber gilt nicht für die Sachleistungsbeihilfe.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ach, Herr Kollege Rentsch, zwei Jahre gehen schnell herum.

Meine Damen und Herren, deswegen müssen wir uns an dieser Stelle sehr deutlich dafür aussprechen, dass die Beihilfeverordnung nach unserer Auffassung in dieser Form nicht verabschiedet werden kann.

Wir sind sehr gespannt, ob Sie die Hinweise vom Beamtenbund, vom Gewerkschaftsbund zu den Punkten ernst nehmen, die ich aufgezählt habe.

Deswegen: Die Beamten im Lande Hessen sind keine Verfügungsmasse nach Haushaltslage. Sie leisten ihren Beitrag.

(Holger Bellino (CDU): Rheinland-Pfalz!)

Herr Kollege Bellino, Sie sind so ein dankbarer Stichwortgeber. Ja, Rheinland-Pfalz ist für sich selbst verantwortlich – so, wie der Senat in Hamburg für sich verantwortlich ist. Der dort mit absoluter Mehrheit – was uns natürlich freut – regierende Erste Bürgermeister Olaf Scholz sagt: Für das Jahr 2012 gibt es eine Garantieerklärung von mir, wir übernehmen die Ergebnisse der Tarifbeschäftigten.

Jedes Bundesland entscheidet im Rahmen seiner Kompetenz und ist am Schluss einer Wahlperiode seinen Wählerinnen und Wählern Rechenschaft schuldig.

(Holger Bellino (CDU): Genau!)

Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Machen Sie weiter so – das wird uns bei den nächsten Wahlen sicherlich die eine oder andere Wählerstimme – und sogar recht viele – aus der Beamtenschaft zuführen. Aber wir haben natürlich auch eine Gesamtverantwortung für alle, die in der Landesverwaltung tätig sind. Deswegen wissen die auch, wer ihre Interessen konsequent und ehrlich vertritt – und nicht erst seit diesem Jahr. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. Wir treten dafür ein, dass die Beihilfe in der von Ihnen vorgeschlagenen Form nicht Gesetzeskraft bzw. Rechtscharakter erhält. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Abg. Dr. Blechschmidt für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Nach über zwei Jahren im Landtag will ich feststellen – ich habe das schon im Kreistag in der Diskussion zum Haushaltsrecht gesagt –: Im Landtag ist Tarifrecht, Beamtenrecht, Beihilfeverordnung auch ein Ritual. Dabei hört man zu, und man hört immer wieder dasselbe.

Ich darf auch feststellen, dass ich noch vor gut acht Tagen davon ausging, dass wir nur eine zweite Lesung haben. Jetzt ist die dritte Lesung beantragt.

(Günter Rudolph (SPD): Das habe ich gesagt!)

Herr Rudolph, ich weiß nicht, ich habe nichts gehört. Warum muss das sein – bei einem Thema, über das wir in diesem Landtag schon so oft gesprochen haben? Dass wir dazu unterschiedliche Auffassungen haben, gehört vielleicht auch zum Ritual einer Opposition; nachvollziehen kann ich das nicht. Jedenfalls beschert uns das an diesem Dienstagabend die zweite Lesung, heute wird dann der Innenausschuss tagen, vielleicht so ähnlich wie vor einem Monat der Rechts- und Integrationsausschuss zur Änderung der Gerichtsorganisation: eine Pro-forma-Ausschussdebatte führen, um am Mittwoch die dritte Lesung abzuhalten,

(Nancy Faeser (SPD): Am Donnerstag!)

dann mit den gleichen, altbekannten Ritualen. Ich stelle der SPD die Frage, ob es ihr tatsächlich um die Sache geht – oder um einen gewissen politischen Aktionismus. Das muss jeder feststellen. Dazu habe ich in der Zwischenzeit meine eigene Meinung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist eine Mahnung!)

Ich glaube, auch das gehört zum Thema Rituale.

(Beifall bei der FDP)

Zur Beamtenbesoldung haben wir hier eine Anhörung durchgeführt. Dort haben die Vertreter der Koalition festgestellt, dass eine Nachbesserung, das Überdenken einiger Forderungen notwendig ist. Am 13. September wurde eine solche Nachbesserung von den Fraktionen von CDU und FDP vorgestellt. Wir haben die Ergebnisse der Anhörung zur Beamtenbesoldung ernst genommen. 350 € Einmalzahlung sind eine verdiente Anerkennung für die unteren und mittleren Einkommensgruppen der Beamten.

Ich erspare mir – was auch zum Ritual gehört; auch Herr Rudolph ist darauf eingegangen –, nochmals den Spagat zu skizzieren, den wir alle im Landtag machen müssen zwischen der Schuldenbremse und dem, wie Politik gestaltet werden sollte. Das sollte nicht überbetont werden, sondern dem Rechnung tragen, was wir in der letzten Innenausschusssitzung diskutiert haben.

Da hat sich dieses Ritual zumindest ein bisschen verändert. CDU und FDP haben einen Änderungsantrag eingebracht, der auch im Hinblick auf die Schuldenbremse – auch das haben wir diskutiert – über 10 Millionen € mehr für die Beamten erbringt. Auch die GRÜNEN haben sich flexibel gezeigt. Sie hatten einen größeren Wurf vor – Herr Frömmrich, ich habe so 38 oder 39 Millionen € im Hinterkopf. Dann habe ich ein Zitat von Herrn Frömmrich aufgenommen, als er gehört hat, dass die SPD nach wie vor das einfordert, was auch die LINKEN und die Gewerkschaften wollen,

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

vielleicht jeder der Beschäftigten im Land Hessen will: „Ist denn im Himmel Jahrmarkt?“ Diese rhetorische Frage hat Herr Frömmrich im Ausschuss gestellt. Sie findet sich im Protokoll wieder. Ich erlaube mir, sie hier anzuführen, um deutlich zu machen, dass Politik heutzutage per se kein Wunschkonzert ist, sondern dass wir in Hessen eine Schuldenbremse haben, die wir im Landtag im Auge behalten müssen. – Dies zum Gesichtspunkt Rituale.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zu einer ordnungsgemäß funktionierenden Koalition gehört es auch, dass sich die Vertreter von CDU und FDP

abstimmen. Ich gehe auf den Beihilfeantrag ein, den Sie hier nochmals einbringen und diskutiert haben wollen. Es ist schade, dass die konstruktive Diskussion, die wir im Arbeitskreis Besoldungsrecht mit den Gewerkschaftsvertretern und dem Innenministerium geführt haben, hier wieder politisch mit einem Ritual befrachtet wird. Als ich nach vier Stunden aus dieser Sitzung herauskam, habe ich sowohl bei den Gewerkschaftsvertretern als auch im Ministerium eine sehr große Nachdenklichkeit wahrgenommen. Daher finde ich es schade, dass dieser Antrag so platt kommt, wie ihn die SPD gestellt hat. Er wird der Arbeit in der Landespersonalkommission in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nicht ohne Grund wurde dort das Thema von der Tagesordnung genommen.

Meine Damen, meine Herren, mit dem Entwurf der Beihilfeverordnung erfolgt eine Systemumstellung von einem familienbezogenen auf einen personenbezogenen Bemessungssatz. Wichtig: Die 100-%-Grenze für die Höhe der Beihilfe wird eingeführt, der Stationärzuschlag entfällt.

Positiv anzumerken ist auch – das gilt in der Diskussion auch als Ritual –, dass Hessen darauf verzichtet hat, bestimmte Verschlechterungen bei der Beihilfe, die der Bund und andere Bundesländer eingeführt haben, im Zuge der Novellierung zu übernehmen. Zum Beispiel ist weder eine Praxisgebühr gegeben, noch ist eine Kostendämpfungspauschale vorgesehen. Aber es gehört zum Ritual in der Diskussion im Landtag – das habe ich vonseiten der Opposition gelernt –, dass es entfällt.

Auch die Seite der Gewerkschaften in der Diskussion um die Beihilfeverordnung wird von der SPD, von Herrn Rudolph, falsch dargestellt. Das gilt nicht nur für den Deutschen Beamtenbund, sondern auch für ver.di. Ich will einmal Herrn Rothländer zitieren: Er habe den Eindruck, dass die Konsolidierung der Landeshaushalte auf dem Rücken der Beschäftigten erfolgen solle. Dennoch lehne er den Verordnungsentwurf nicht im Ganzen ab. Allerdings könne er der Streichung der Sachleistungsbeihilfe nicht zustimmen.