Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Die Landesregierung missachtet damit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts in eklatanter Art und Weise; denn beide haben festgestellt, dass ein wirksamer Lärmschutz bereits vor Eintritt des Lärms vorhanden sein muss und nicht erst Jahre später kommen darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Fraport hat bis jetzt von jeder Landesregierung bekommen, was sie wollte. Der Umweltschutz und der Schutz der Menschen vor Fluglärm blieben dabei stets auf der Strecke. Die Betroffenen erwarten, statt dass einer Aufweichung des § 29b des Luftverkehrsgesetzes auf der Bundesebene das Wort geredet wird, dass es eine Änderung des § 27c Abs. 1 gibt, der wie folgt lauten sollte: Die Flugsicherung dient der sicheren und geordneten Ab

wicklung des Flugverkehrs in Verbindung mit möglichst geringer Fluglärmbelastung der Bevölkerung.

Seitens der Regierung Börner hieß es, kein Baum werde mehr fallen. Unter der Regierung Koch gab es den Flughafenausbau nur mit Nachtflugverbot, und die Regierung Bouffier hat den Wirtschafts- und Verkehrsminister Dieter Posch. Seine Aufgabe wäre es eigentlich, einen Interessenausgleich zwischen den Fluglärmgeschädigten und der Fraport zu organisieren.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Den Lärmschutz, die Reduktion der Belastung und die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Kommunen in der Region müsste er eigentlich dem wirtschaftlichen Nutzen des Flughafens abwägend gegenüberstellen. Er bleibt aber in der Tradition der Vorgängerregierungen. Wir haben einen Ausbaulobbyisten als Wirtschaftsminister, der nichts, aber auch gar nichts unternimmt, was die Gewinnmaximierung von Fraport auch nur ankratzen könnte.

Meine Damen und Herren, wenn man schon glaubt, alles durch die ökonomische Brille betrachten zu müssen, sollte man das bitte auch umfassend und nicht nur interessengeleitet machen. Was kostet es denn, wenn Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime aus den Lärmzonen verlegt werden müssen? Wie viel Geld verliert eine Gemeinde, wenn sie keine neuen Baugebiete mehr ausweisen darf? Welche Einbußen hat sie durch den Wegzug von Menschen, die den Lärm nicht mehr ertragen? Wie schlagen sich lärm- und stressbedingte Einbußen in der Produktivität nieder? Wie teuer kommt uns als Gesellschaft die Behandlung der durch den Lärm ausgelösten Bluthochdruckerkrankungen, Herzinfarkte und Brustkrebserkrankungen?

(Beifall bei der LINKEN)

Erst eine solche Kostenbetrachtung würde uns einer ökonomischen Wahrheit näher bringen. Genau deshalb fordern wir in unserem Antrag eine umweltökonomische Gesamtrechnung für den Frankfurter Flughafen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Ausbau des Flughafens ist noch lange nicht vorbei. Das Terminal 3 wird noch mehr Straßenverkehr in die Region bringen. Der Ausbau des Flughafens zu einer Airport City verändert bereits jetzt die Infrastruktur der umliegenden Städte. Der Flughafen zieht alles an sich. Die Städte werden verlärmt und ihrer Urbanität beraubt. Das an sieben Tagen der Woche, Tag und Nacht geöffnete Einkaufszentrum Squaire verdrängt langfristig den Einzelhandel, insbesondere die kleinen Läden aus den umliegenden Städten. Die Gemeinden werden zu Schlafstädten des Flughafens, in denen die Menschen aber keine Ruhe finden. Die Einführung eines Nachtflugverbots zwischen 22 und 6 Uhr, so wie es auch in der Region gefordert wird, bleibt und ist die Pflicht der Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bedeutung des Flughafens für die Region ist mehr als zweifelhaft.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Was?)

55 % der Passagiere sind Umsteige- und Umladeverkehr, also ohne nennenswerten wirtschaftlichen Effekt für die Region – außer für Fraport.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Arbeitsplätze, Herr Kollege!)

Laut vieler Piloten hat der Frankfurter Flughafen eines der schlechtesten Landeverfahren weltweit, mit einem großen Kerosinverbrauch.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Arbeitsplätze!)

Gegen den besten Lärmschutz in der Nacht, das magere Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr, klagt die eigene Landesregierung. Die neuen Gegenanflugrouten überziehen ohne Not große Gebiete Südhessens mit zusätzlichem Lärm. Auch bei Starts aus Richtung Nordwest ist der Abflug sehr flach, und die Flüge sind ab dem Rhein niedrig. Die Landesregierung verweigert weiterhin Auskünfte darüber, ob alle Auflagen aus dem Planfeststellungsbeschluss erfüllt wurden, darunter auch das Frühwarnsystem für Vogelschlag.

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Lassen Sie mich zusammenfassend Folgendes sagen: Wir sind der Meinung, dass keine Inbetriebnahme der neuen Landebahn vor der Entscheidung aller dagegen gerichteten anhängigen Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden sollte. Eine unverzügliche Einführung von lärmmindernden An- und Abflugverfahren ist geboten, und die Neuplanung der Flugrouten muss einer kritischen Betrachtung im Hinblick auf Lärmschutz unterworfen werden.

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir fordern auch: keine Inbetriebnahme der neuen Landebahn, solange das Frühwarnsystem gegen Vorschlag nicht ausreichend getestet ist.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Vo- gelschlag!)

Schönen Dank, Herr Kollege Schaus. – Für die FDP-Fraktion hat sich jetzt Herr Müller gemeldet. Bitte schön, Herr Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme zunächst an, es ging am Ende um Vogelschlag und nicht um „Vorschlag“, aber das war wohl nur ein Versprecher. – Der Flughafen in Frankfurt ist der Wirtschaftsmotor, und durch den Ausbau bleibt er auch der Wirtschaftsmotor für ein prosperierendes Hessen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bei dem, was ich gerade gehört habe, fällt mir kein anderes Wort mehr ein als weltfremd. Herr Schaus, ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben; aber das, was Sie eben von sich gegeben haben, war weltfremd. Ich weiß nicht, wie Sie

sich das vorstellen, wie eine Wirtschaft funktionieren kann. Das hat jedenfalls mit der Realität nichts mehr zu tun gehabt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Horst Klee (CDU): Unterirdisch! Er lebt in seiner eigenen Welt!)

Alle, die gegen den Ausbau sind, frage ich, wie sie dazu stehen, dass wir in Hessen Arbeitsplätze halten wollen. Das ist genau der Punkt. Sie haben sich hierhin gestellt und gesagt: „55 % werden hier nur abgefertigt und weitergeleitet. Davon profitiert nur die Fraport.“ – Sehr geehrter Herr Schaus, davon profitieren die Arbeitnehmer, die dadurch in Hessen, im Rhein-Main-Gebiet, eine Arbeitsstelle haben und Geld verdienen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber nicht die Bürger, die dort wohnen und den Lärm ertragen müssen!)

Warum, glauben Sie, hat sich in der Rhein-Main-Region die Dienstleistungsbranche so stark herausgebildet? Warum haben wir eine chemische Industrie, die im RheinMain-Gebiet so stark ist? Warum haben wir eine erfolgreiche Messe? Warum haben wir viele andere Bereiche, die in der Rhein-Main-Region eben stark ausgeprägt sind? – Das hängt alles sehr viel mit dem Flughafen in Frankfurt zusammen. Damit müssen wir einfach arbeiten, und wir müssen sehen, dass der Flughafen einen Ausbau gebraucht hat. Mit diesem Ausbau werden wir auch in Zukunft für den Wohlstand in der Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main sorgen können. Das ist die Aufgabe, die diese Landesregierung und die Regierungskoalition aus CDU und FDP wahrnehmen. Das muss uns immer bewusst sein.

Meine Damen und Herren, der Antrag der LINKEN zeigt wieder einmal auf eigene Weise, welches Verständnis die LINKEN vom Rechtsstaat haben. Der Landtag kann keinen Beschluss über die Inbetriebnahme der Landebahn fassen. Das ist eine Entscheidung, die der Verwaltung und den Gerichten obliegt. Hier gilt Recht und Gesetz. Das entscheiden nicht wir per Beschluss im Landtag. Ich weiß nicht, wo Sie leben oder wie Sie sich das vorstellen. Sie können hier Wünsche oder sonst irgendetwas äußern, aber Sie können schon gar nicht die Forderung aufstellen, dass die Landebahn nicht in Betrieb genommen werden muss. Da es einen entsprechenden Planfeststellungsbeschluss gegeben hat, gibt es darauf einen Rechtsanspruch.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich kann aber die Forderung sehr wohl erheben!)

Meine Damen und Herren, zu den weiteren Punkten will ich gar nicht so viel sagen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagen Sie etwas zu den Inhalten!)

Vielleicht nur eines: Wer wie die LINKEN ernsthaft fordert, den gesamten innerdeutschen Flugverkehr auf die Schiene zu verlagern, hat von Verkehrspolitik schlicht und einfach keine Ahnung. Gerade wenn er in diesem Zusammenhang auch noch von „integrierten Verkehrskonzepten“ spricht, hat er schlicht und einfach keine Vorstellung davon, was sich hinter solchen Worten und Begriffen versteckt und was das alles bedeutet. Das ist, wie schon am Anfang gesagt wurde, schlicht und einfach weltfremd.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ganz kurz zu dem Antrag der GRÜNEN. Wenn Sie ebenfalls die Aussetzung der Erlaubnis der Nachtflüge for

dern, dann ist das aus Ihrer Position heraus konsequent. Aber auch hier kann ich nur darauf hinweisen, dass es eine Verwaltungsentscheidung ist, und die erfolgt nach Recht und Gesetz. Immerhin wissen die GRÜNEN, dass die Hessische Landesregierung, der Landtag, auch mit Mitteln im hessischen Haushalt, eine Lärmwirkungsstudie in Auftrag gegeben hat. Das wird im Antrag der LINKEN noch gefordert. – Die gibt es bereits; die wird im Moment erarbeitet; zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sind bereits für Interviews angeschrieben worden, etc., etc.

Jetzt komme ich – das ist ganz spannend – auch zur SPD, die ein bisschen versucht, sich aus der Verantwortung für die Mehrbelastung durch Fluglärm zu stehlen. Das war schon beim letzten Mal sehr deutlich, als ihr Fraktionsvorsitzender versucht hat, das ganze Thema auf die Nachtflüge zu kaprizieren.

Meine Damen und Herren, ich will das noch einmal an Zahlen verdeutlichen: Die Nachtflüge werden mit der neuen Landebahn auf das Jahr betrachtet von 18.000 Flugbewegungen auf etwa 5.000 Flugbewegungen reduziert. Das sind 13.000 Flugbewegungen weniger, unabhängig von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Flugbewegungen am Tag werden bis 2020 hingegen um über 200.000 Flugbewegungen im Jahr steigen. 13.000 Flugbewegungen weniger in der Nacht machen nicht mehr, sondern weniger Lärm in der Nacht, aber die Belastung am Tage wird steigen. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, tragen auch Sie die Verantwortung, auch wenn Sie versuchen, sich hinter dem Thema Nachtflüge zu verstecken.

Klar ist, dass diejenigen, die für die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit für den Ausbau argumentieren, auch alles tun müssen, um die dadurch entstehenden zusätzlichen Belastungen durch Lärm so weit wie möglich zu reduzieren. Deswegen begrüßen wir die neue Lärmschutzverordnung ausdrücklich, die die Landesregierung auf den Weg gebracht hat und die 120 Haushalten passiven Schallschutz gewährt.

(Zuruf: 120.000!)

Die neue Verordnung, die den passiven Schallschutz der Anwohner regelt, legt den gesetzlich strengsten auslegungsfähigen Maßstab an und setzt bei 50 dB einen Richtwert.

Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung gegenüber den Anwohnern und hinsichtlich des Schutzes vor Fluglärm ebenso wie ihrer Verantwortung hinsichtlich des Ausbaus und des Erhalts der Arbeitsplätze am Flughafen gerecht wird.

Ich glaube, das Thema Flugrouten sollten wir heute nicht mehr zu intensiv besprechen. Das haben wir hier vor drei Wochen diskutiert. Natürlich fordern wir die Deutsche Flugsicherung auf, die Flugrouten so zu überarbeiten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Lärmbelastung möglichst niedrig zu halten, soweit das sicherheitstechnisch eben möglich ist.

Das alles ist auf dem Weg. Die Landesregierung hat deutlich gemacht, dass die Flughöhe mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn von 4.000 Fuß auf 5.000 Fuß angehoben werden wird. Auch das ist ein Erfolg der Verhandlungen der Landesregierung mit der Deutschen Flugsicherung. Das muss man dann auch einmal deutlich sagen.

Wir werden auch weiterhin ein wesentliches Augenmerk auf den aktiven Schallschutz legen. Auch das Thema haben wir vor drei Wochen schon diskutiert. Der aktive