Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Verkehrsminister hat noch gut zwei Wochen Zeit – Herr Staatssekretär, sagen Sie es ihm –, um im letzten Augenblick doch noch zu verhindern, dass sein Parteivorsitzender und Ka
binettskollege den Tatbestand der politischen Falschmünzerei vollendet. Die zwei Seiten der von Ihnen seinerzeit präsentierten Flughafenmünze Ausbau und Nachtflugverbot fallen auseinander, und die Münze wird zum Falsifikat, wenn am 21. Oktober der Airbus mit der Bundeskanzlerin im ehemaligen Kelsterbacher Wald auf der neuen Bahn aufsetzt.
Das ist die offizielle Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest. Dann werden viele auch der heute Anwesenden mit prickelnden Getränken auf dieses Ereignis anstoßen – da bin ich ganz sicher. Nur seien Sie gewahr, Sie trinken damit zugleich darauf, dass Sie Ihr vielfach gegebenes, ja beschworenes Versprechen, kein Ausbau ohne Nachtflugverbot, gebrochen haben.
Ihrer exzellenten Stimmung wird dies wahrscheinlich keinen Abbruch tun. Man wird sich vielmehr ausgelassen darüber freuen, wie leicht es doch wieder einmal war, die Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet mit offensichtlich vorsätzlich falschen Versprechen über die wahren Folgen des Expansionswahns des Flughafens hinwegzutäuschen.
Der Unehrliche wird zum Sieger. Dies ist das Charakteristikum der hessischen Politik unter CDU und FDP in Sachen Flughafenausbau. Dieser Politikstil wird von der SPD leider nur halbherzig kritisiert.
Wer den Flughafenausbau will, hat das Ziel, mehr Flugverkehr abwickeln zu können. Herr Arnold sagt es selbst auch. Mehr Flugverkehr produziert mehr Fluglärm. Dies ist einfache Logik. Deshalb kann sie auch nicht bestritten werden. Sie war auch konsequenterweise die Begründung für das Nachtflugverbot. Es sollte nämlich ein Ausgleich für die höhere Belastung am Tag dadurch geschaffen werden, dass es einen absoluten Schutz vor Fluglärm in der Nacht, wenigstens in den sechs Stunden der kurzen Frankfurter Mediationsnacht, geben sollte.
Meine Damen und Herren, der 21. Oktober bringt übrigens nicht eine Niederlage der Ausbaugegner. Er bedeutet vielmehr ein politisches Desaster für den gesamten Hessischen Landtag. Wir alle haben hier gemeinsam am 18. Mai 2000 das Nachtflugverbot als unbedingt erforderlich erachtet. Damit machen sich mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn ohne Nachtflugverbot diejenigen, die damals wie heute die Regierungsmehrheit bilden und die den Flughafenausbau stets propagiert haben, des massiven Wortbruchs schuldig.
Falls Sie nicht doch noch Ihrem Verkehrsminister klarmachen, dass er es in der Hand hat, der Glaubwürdigkeit der Regierungsmehrheit und letztlich auch der politischen Kultur in diesem Land einen Dienst zu erweisen, dann wird es so sein. Er, der Verkehrsminister, müsste lediglich den rechtlich umstrittenen, da vom VGH aufgehobenen, Teil seines Planfeststellungsbeschlusses außer Vollzug setzen, bis das Bundesverwaltungsgericht ein abschließendes Urteil gefällt hat. Entgegen mancher gerade dargestellten Rechtsauffassung ist dies unstrittigerweise möglich. Er könnte dies tun. Das Problem ist, er will es nicht tun.
Diesen Antrag hatten übrigens bereits einige Gemeinden beim Verkehrsminister gestellt. Sie wurden von Herrn Posch bislang lediglich mit suspekten Kostenandrohungen abgewiesen. Eine Bereitschaft des Verkehrsministers, für den Schutz der Menschen im Rhein-Main-Gebiet vor Fluglärm einzutreten, besteht offenkundig nicht.
Im Übrigen gilt dies leider nicht nur für die Nachtruhe, also die Zeit, in der das versprochene Nachtflugverbot gelten sollte, sondern zu allen Zeiten des Flugbetriebs.
Die massiv gestiegenen Fluglärmbelastungen durch die Verschiebung von Flugrouten, insbesondere der Gegenanflugstrecken, und die Absenkung der Flughöhen hat der Verkehrsminister zunächst schlicht bestritten und dann mit der Behauptung gekontert, es gäbe nicht mehr Fluglärm, sondern lediglich eine andere Verteilung. Wir erinnern uns noch gut. Was Tausende Menschen in der Region alltäglich als belastende Realität wahrnehmen, der verantwortliche Minister ignoriert es.
Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir hier und heute und nicht zum ersten Mal fordern – Herr Staatssekretär, sagen Sie es bitte dem Minister –: Der Minister soll endlich aktiv werden und dafür sorgen, dass die Fluglärmbelastungen wieder weniger werden. Schließlich ist das Verkehrsministerium nicht nur für die Luftaufsicht zuständig, sondern der Verkehrsminister ist auch für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses verantwortlich, und zwar voll verantwortlich, und damit auch für dessen Folgen. Genau die hätten Sie kennen müssen, bevor die Ausbaugenehmigung gegeben wurde. Meine Damen und Herren, die Menschen in der Rhein-Main-Region wollen keine weiteren Beschwichtigungen des Verkehrsministers hören, sondern sie wollen weniger Fluglärm.
Wenn die gesetzlichen Bestimmungen, wie es Herr Posch so gerne darstellt, ihm die Hände binden, müsste er doch eigentlich der Erste sein, der sich anschickt, dies gemeinsam mit anderen Ländern oder auf eigene Initiative hin zu ändern. Bislang hörten wir nur von der Ablehnung der Bundesratsinitiative, das Luftverkehrsgesetz in Richtung verbesserten Fluglärmschutz zu ändern. Deshalb fordern wir Sie hier nochmals nachdrücklich auf, sich für eine eindeutige gesetzliche Verpflichtung der Flugsicherung, prioritär den Lärmschutz zu optimieren, einzusetzen. Sie ist absolut überfällig.
Meine Damen und Herren, auch im alltäglichen administrativen Handeln wäre zur Verringerung der Lärmbelastung der Menschen rund um den Flughafen deutlich mehr machbar, als bislang geschehen. Herr Staatssekretär, sagen Sie es Ihrem Minister. Sie sollten uns z. B. mitteilen, wann endlich mit dem Lärmaktionsplan für den Flughafen zu rechnen ist. Die europäischen Vorgaben dazu gelten schon seit Langem. Auch eine engagierte Unterstützung der NORAH-Studie seitens der Landesregierung wäre eigentlich selbstverständlich, wenn das ehrlich gemeint wäre, was der Verkehrsminister und – wir haben es gehört – seine lautsprechenden Hilfsredner hier aus den Regierungsfraktionen uns immer wieder weismachen wollen, dass es ihnen mit dem Lärmschutz der Bevölkerung tatsächlich ernst ist.
Die Behauptung kennen wir. Wirksame Aktivitäten lassen auf sich warten. Lautsprecher gehen schneller.
Meine Damen und Herren, wahrscheinlich veranlasst durch die miserable Performance der Regierung, die au
ßer Wortbruch bislang nichts zu bieten vermochte, verdanken wir der LINKEN hier und heute diese Debatte. Das wäre eigentlich lobenswert, wenn nicht zugleich ein Antrag dazu vorgelegt worden wäre, der zwar, verehrter Kollege Schaus, vor Opportunismus trieft, aber in der Sache wenig hilfreich, wenn nicht sogar kontraproduktiv ist. Alle wohlfeilen Forderungen der Ausbaugegner aus Vergangenheit und Gegenwart in einem Bauchladen zu sammeln, bietet weder politische Qualität noch, bringt es den Menschen, die rund um den Flughafen leben, eine positive Perspektive.
Dieser Antrag ist möglicherweise gut gemeint, aber ganz gewiss ist er nicht gut gemacht, weshalb er von unserer Seite auch keine Zustimmung bekommen kann.
Den ebenfalls vorliegenden Dringlichen Antrag der SPD werden wir ablehnen. Wir GRÜNE haben – das ist schon thematisiert worden – ohne Wackelei seit Beginn der Debatte im Jahr 1997 eine klare Position. Herr Kollege Dr. Arnold, hören Sie zu. Wir sind gegen einen Flughafenausbau. Wir sind zu keinem Zeitpunkt hier aufgetreten und haben gesagt: Der Flughafen muss weg. – Sie tun nur immer so. Der Kollege Müller macht das Gleiche. Wir haben die klare Position, dass wir gegen den Ausbau sind.
Insoweit können wir auch die Inbetriebnahme der Erweiterung keineswegs begrüßen. Damit unterscheiden wir uns von den Ausbaubefürwortern. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Schönen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Staatssekretär Saebisch das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abg. Grumbach hat aus der Umfrage der „FNP“ zitiert. Zur Wahrheit gehört, dass man die Umfrage und die Fragen, die dazu gestellt worden sind, vollständig zitiert. Auf die Frage, ob für den wirtschaftlichen Erfolg der Rhein-Main-Region der weitere Ausbau notwendig ist, haben in der Tat 55 % der Befragten aus dem RheinMain-Gebiet mit Ja geantwortet, mit Nein 30 %. Aber der These, die Sie zitiert haben: „Wir brauchen den Flughafen, und deshalb müssen wir den Lärm in Kauf nehmen“, haben in der Tat nur 46 % zugestimmt. Das finde ich angesichts dessen, dass nach einer massiven Beeinträchtigung gefragt wird, immer noch eine relativ beeindruckende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.
Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass diese Frage in der Bevölkerung vielleicht etwas anders akzentuiert und vielleicht etwas weniger aufgeregt diskutiert wird als von einigen wenigen im oder außerhalb des Parlaments.
Ich möchte mich sehr herzlich bei Herrn Minister Boddenberg bedanken, der mich gerade darauf aufmerksam gemacht hat – deswegen möchte ich das hier auch sagen –, dass der Planfeststellungsbeschluss bewusst im Dezember 2007 vorgestellt und in der politischen Debatte entsprechend gewichtet worden ist, um den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, in der Landtagswahl des Jahres 2008 über diesen Planfeststellungsbeschluss mit abzustimmen.
Im Jahr 2009 gab es ebenfalls eine Landtagswahl. Auch hier hat die Rechtsmeinung der Landesregierung, dass es zu sehr eingeschränkten Nachtflügen in Frankfurt kommen muss, zur Wahl gestanden, und die Bürgerinnen und Bürger haben bei der Landtagswahl 2009 in der Sache doch sehr klar entschieden, Herr Grumbach, oder?
Meine Damen und Herren, deswegen glaube ich, dass Ihre Behauptung des Wortbruchs, die Sie hier immer mit Brimborium vortragen, aus Sicht der Landesregierung nicht haltbar ist.
Denn die Bürgerinnen und Bürger haben in zwei Wahlen darüber abgestimmt. In der Bevölkerung wird dies nicht als Wortbruch gesehen.
Lieber Herr Grumbach, eines möchte ich Ihnen sagen. Sie haben hier gesagt, die Landesregierung mache Politik gegen die 30 bis 36 %, die aufgrund des Fluglärms unter Einschränkungen leiden. Vielleicht ist es ganz wichtig und vielleicht führt es dazu, die Debatte etwas sachlicher zu führen, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, was die Landesregierung in der letzten Zeit alles zur Lärmbekämpfung gemacht hat.
Ich fange einmal mit den 150 Millionen € an, die im Rahmen der Lärmschutzbereichsverordnung für den Lärmschutz vorgesehen sind.
Ich weise darauf hin, dass wir für 17.000 Haushalte Sofortschutz für Lärmschutzmaßnahmen vorsehen – während das Fluglärmgesetz nur 5.000 Haushalte vorgesehen hätte. Wir haben es in einer engen und nicht uninteressanten Debatte mit der DFS geschafft, die Flughöhen für bestimmte Regionen von 4.000 Fuß auf 5.000 Fuß zu erhöhen, was zu einer deutlichen Lärmminderung führt.
Gemeinsam mit der DFS und dem Bundesamt haben wir eine Taskforce eingerichtet, weil wir der Meinung sind, dass die Optimierung der Flugrouten und -höhen noch nicht am Ende ist. Wir wollen hier nicht nur im Gespräch bleiben, sondern wir müssen auch zu Ergebnissen kommen. Diese Taskforce ist eingerichtet, und die Landesregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten – und die sind nun einmal aufgrund der Zuständigkeiten nicht allzu groß – vehement für einen besseren und höherwertigen Lärmschutz für die Region ein.
Was Sie auch zu erwähnen vergessen, Herr Grumbach – vielleicht wissen Sie es auch einfach nicht; dann erlöse ich Sie jetzt aus diesem Zustand der Unkenntnis –, ist, dass wir schon längst Lärmschutzentgelte am Frankfurter Flughafen haben. Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist längst Rechtslage. Lautere Flugzeuge müssen höhere Entgelte bezahlen.