Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Wir haben mit unserem Änderungsantrag das in die Tat umgesetzt, was Staatsminister Grüttner bereits in der ersten Lesung angekündigt hat; denn wir haben sehr viele Gespräche mit den Trägern geführt. Wir nehmen ihre Bedenken ernst. Gerade deshalb haben wir im kommenden Jahr die Absenkung deutlich reduziert,

(Petra Fuhrmann (SPD): Nur für ein Jahr!)

die für die Beratungsstellen im kommenden Jahr vorgesehen war, gerade, um die Absenkung abzufedern. Das war den Beratungsstellen besonders wichtig, und das fanden wir auch richtig. Statt 62.000 € stehen den Beratungsstellen somit 2012 mit 67.000 € pro Beratungspersonalstelle 5.000 € mehr zur Verfügung. Hiermit setzen wir ein deutliches Zeichen; denn uns ist es wichtig, dass die Beratungsstellen auch zukünftig in der Lage sind, ihr Beratungsangebot aufrechtzuerhalten. Wir wollten ihnen ausreichend Zeit zur Anpassung geben.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich weiß, Sie sind anderer Meinung, Frau Fuhrmann. Aber ich möchte auch an dieser Stelle Ihren Änderungsantrag erwähnen, auch den der GRÜNEN; denn er bestätigt eigentlich das, was wir die ganze Zeit an Argumenten vorgebracht haben. Sie bestätigen nämlich, dass das Land mit den 79.000 € bzw. 77.000 im vergangenen Jahr weit über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus zahlt.

Sie bestätigen, dass wir trotz Sparzwängen auch zukünftig den gesetzlichen Auftrag erfüllen werden; denn Sie haben den 80 % nicht widersprochen. Somit bestätigen Sie auch, dass unsere Forderung nach einem Nachweis der Mittelverwendung dringend im Gesetz umgesetzt werden muss; denn Sie haben auch diese Änderung wortwörtlich in Ihrem Antrag übernommen.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP setzen mit dem Gesetzentwurf zwei Ziele um. Beide sind uns sehr wichtig. Einerseits behalten wir unser Sparziel im Auge. Wir bleiben auf dem Weg, die Schuldenbremse einzuhalten. Andererseits ist unser Ziel, intelligent zu sparen, nämlich so, dass die wichtigen Aufgaben des Landes weiterhin erfüllt werden können, hiermit erreicht. Deshalb möchte ich klarstellen, worum es bei diesem Gesetzentwurf eigentlich geht.

Tatsache ist, dass das Land Hessen weiterhin seinen gesetzlichen Auftrag bei der Finanzierung der Schwangerschaftskonfliktberatung erfüllt, indem es nämlich nicht 90 %, sondern 80 % der Kosten je Beratungspersonalkostenstelle übernimmt, wie es im Bundesgesetz auch vorgesehen ist.

Tatsache ist auch, dass das Land Hessen bei der Förderung der Beratungsstellen mit 77.000 € im Jahre 2010 weit an der Spitze aller Bundesländer lag und auch zukünftig weiter spitze im Vergleich zu anderen Bundesländern sein wird; denn der Durchschnittswert der Länder beträgt 54.000 €.

Tatsache ist, dass die Regierungsfraktionen von CDU und FDP auch zukünftig zum pluralen System der Beratungsstellen stehen – das haben Sie, Frau Schulz-Asche und Frau Fuhrmann, erwähnt. Mit pro familia, den kommunalen und kirchlichen Trägern, aber auch den Beratungsstellen von Donum Vitae und in den ausgewiesenen Arztpraxen gewährleisten wir dadurch die kostenfreie Beratung.

Tatsache ist außerdem, dass CDU und FDP einen Änderungsantrag eingereicht haben, der die Absenkung im kommenden Jahr für die Beratungsstellen deutlich redu

ziert und damit mit 550.000 € den Beratungsstellen 2012 eine wichtige Unterstützung leistet.

Tatsache ist ebenfalls, dass das Land als Fördergeber die Möglichkeit haben muss, einen besseren Einblick als bisher in die sachliche Verwendung der Fördermittel zu haben. Deshalb umfasst der Änderungsantrag der Fraktionen auch die Verpflichtung zur Offenlegung der Mittelverwendung für die Beratungsstellen. Dann können wir auf ganz anderer Grundlage diskutieren.

Tatsache ist schließlich, dass wir zur Beratung im Konfliktfalle stehen. Frauen und Paare sollen sich in allen Fragen der Schwangerschaft zukünftig an Beratungsstellen landesweit wenden können, und sie sollen weiterhin eine Auswahl zwischen den Trägern haben. Meiner Fraktion und mir persönlich ist hier eines ganz besonders wichtig, dass nämlich die oftmals verzweifelten Paare oder Schwangeren eine Beratungsmöglichkeit finden können, die ihnen auch einen Ausweg aus der Abtreibung zeigen kann, die ihnen hilft, sich auch für das Kind zu entscheiden, und aufzeigt, welche Förderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten es für werdende Eltern gibt.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist die Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen trotz aller Sparnotwendigkeiten gesichert. Den Ratsuchenden wird auch zukünftig in Hessen ein flächendeckendes, plurales Beratungsangebot zur Verfügung stehen. Deshalb werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Für eine Kurzintervention hat sich Herr Kollege Spies zu Wort gemeldet. Zwei Minuten Redezeit.

Verehrte Frau Kollegin, das geht in weniger als zwei Minuten. Vielleicht könnten Sie uns doch einmal zwei ganz einfache Punkte erläutern.

Erstens. Was bedeutet es, wenn in einem Gesetz geregelt wird, dass kein Rechtsanspruch besteht? In dem Gesetz heißt es zukünftig, dass eine zusätzliche Leistung durch das Land erbracht werden soll; „auf diese Förderung besteht kein Rechtsanspruch“ – so das Gesetz. Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Zweiter Punkt. Vielleicht könnten Sie an dieser Stelle auch noch erklären – da wir uns alle einig sind, dass es von anderer Ebene sowohl durch höchstrichterliche Urteile wie bundesrechtliche Regelungen einen Anspruch auf 80 % der Personalkosten gibt –, auf was sich die zusätzlichen 5.000 € beziehen. Von was sind 5.000 € extra 80 %? Wir haben es in der Ausschussberatung nicht verstanden, und wir haben es aus Ihren Ausführungen nicht verstanden. Seien Sie bitte doch so gut, und erklären Sie uns noch einmal: 80 % von was sind die 5.000 €, die nunmehr in Abs. 3 des Gesetzes stehen werden? – Vielen Dank.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Ravensburg hat Gelegenheit zur Antwort.

Herr Dr. Spies, wenn Sie die Ausführungen im Ausschuss bis zum Ende mitverfolgt hätten, dann hätten Sie sich jetzt Ihre eigene Antwort selbst geben können. In den Unterlagen, in der Begründung steht genau das Berechnungsschema. Das läuft dann ursprünglich auf 62.000 € hinaus. Diese 62.000 € sind schon deutlich über den 80 %. Die zusätzlichen 5.000 € im kommenden Jahr sind Pauschalmittel. Frau Schulz-Asche hat sehr richtig erwähnt, dass es gerade für kleine Beratungsstellen – für Donum Vitae – wichtig ist, dass das eine Pauschale ist, die dann der Beratung zur Verfügung steht. Wenn Sie 5.000 € zu den 62.000 € addieren, dann kommen Sie auf 67.000 €. So habe ich es auch im Mathematikunterricht gelernt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Nun hat Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! So ein bisschen komme ich mir vor wie auf dem orientalischen Basar.

(Beifall bei der LINKEN)

Darf es ein bisschen mehr sein?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber eher eine deutsche Metzgerei!)

Ja, auch da geht es so zu. – Wir haben eine Situation, in der wir gerade zu verhandeln versuchen, was denn eigentlich tatsächlich die notwendige Finanzierung ist, die die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen brauchen. Ich kann es nicht verstehen. Wir haben fünf Jahre lang gewusst, was sie brauchen. Fünf Jahre lang ist genau das gezahlt worden, was die Beratungsstellen brauchen. Die sind weder gekommen und haben gesagt: „Wir haben viel zu viel“, noch haben die das Geld zurückgegeben, noch haben die es zum Fenster hinausgeschmissen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist ein Vorschlag der Liga, den wir eingebracht haben!)

Ich habe genau das verstanden. Das ist der Vorschlag der Liga. Auch das macht ein Stück klar, in welcher Situation wir uns befinden. Deshalb mein Eingangsstatement vom Basar, weil wir eine Situation haben, dass eine Regierung sagt: Wir kürzen euch die Mittel, und zwar so sehr, dass ihr nicht überleben könnt. – Viele Beratungsstellen haben sehr klar gesagt: Wir werden nicht überleben können. – Was machen die Beratungsstellen in ihrer Verzweiflung?

(Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wendet sich ihrer Nachbarin zu.)

Wenn ich jetzt auf die Frage antworte und dann nicht zugehört wird, komme ich mir ein bisschen putzig vor, Frau Schulz-Asche. – Wenn die Beratungsstellen in eine Situation kommen, in der sie klar sehen, dass sie mit der Situation des Geldes, das ihnen die Landesregierung noch zugesteht, nicht mehr überleben können, was werden die wohl logischerweise machen? Die werden überlegen, mit welchem Betrag, der niedriger als das ist, den sie jetzt haben, sie noch eine Chance haben, zu überleben. Das heißt,

nicht die Qualität aufrechtzuerhalten, die sie jetzt haben. Das heißt, nicht zwingend tarifgerechte Löhne zu zahlen. Das heißt, nicht zwingend die Beratungszeiten in der Form aufrechtzuerhalten, wie sie sie jetzt haben, sondern das heißt überleben und nichts anderes.

Das heißt, an Qualität sparen. Das heißt, an dem sparen, was die Menschen, die diese Beratungsstellen in Anspruch nehmen, brauchen, etwas wegsparen, um überhaupt überleben zu können. Das ist genau das, was die Liga zum Ausdruck gebracht hat.

Frau Ravensburg, deswegen ist es nicht so, wie Sie es eben gesagt haben, mit dem Antrag, den SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt haben, habe man das Einverständnis, dass die Beratungsstellen bislang überfinanziert worden seien. Nein, das hat man damit nicht. Bislang hat es eine Finanzierung gegeben, mit der die Beratungsstellen auf dem Qualitätsniveau das machen konnten, was sie gemacht haben. Oder Sie unterstellen den Beratungsstellen – dann möchte ich bitte, dass Sie herkommen und es sagen –, dass sie Mittel verschwendet haben, dass sie Mittel zweckentfremdet haben oder Mittel anderweitig ausgegeben haben, die sonst wo versickert sind. Wenn Sie das den Beratungsstellen unterstellen, kommen Sie bitte hierher und sagen Sie das. Wenn Sie das den Beratungsstellen nicht unterstellen, heißt das aber, die brauchen genau das Geld, das sie in der Vergangenheit bekommen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Also ist es doch legitim, an dieser Stelle zu sagen: Bevor wir in die Situation kommen, in der wir unseren Laden völlig zumachen müssen, schauen wir, was wir abspecken können. – Daher rührt dieses Ansinnen der Liga mit den Beträgen, um die es jetzt geht. Das ist das Bedürfnis, wenigstens dieses Geld zu bekommen. Ich kann diese Auffassung nicht teilen, weil ich, meine Fraktion und DIE LINKE der Meinung sind, dass die Beratungsstellen so ausgestattet werden müssen, dass sie ihre Arbeit so vernünftig und gut machen können wie in den letzten fünf Jahren auch.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich sehe überhaupt nicht, warum es eine Notwendigkeit gibt, an der Stelle Gelder zu kürzen. Sie haben jede Menge anderer Stellen, an denen Sie nicht kürzen, an denen Sie noch draufpacken, wo wir sagen: Da könnte man ganz bequem etwas kürzen. Aber nicht an dieser Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde auch Ihre 5.000-€-Armutsgewöhnungspauschale unter aller Würde. Denn sie schafft die Situation, dass man den Crash schlicht und ergreifend um ein Jahr verlagert.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Nichts anderes tun Sie damit. Sollen Ihnen die Beratungsstellen, sollen Ihnen die Frauen in diesem Land, sollen Ihnen die Paare in Konfliktsituationen dankbar sein – ich weiß es nicht – oder sich freuen, dass es das gibt? Ich finde es unwürdig, eine Situation zu schaffen, dass sich die Menschen, die in Beratungsstellen arbeiten, jetzt ein Jahr lang den Kopf darüber zerbrechen, ob sie in einem Jahr noch weiterarbeiten können oder ob sie ihre Stelle verlieren und wie sie ihre Beratungsarbeit aufrechterhalten können. Das schafft kein gutes Klima. Vor einem solchen Hintergrund kann man seine Arbeit, die ganz sicher sehr belastend ist – den Frauen, die diese Arbeit machen, ist

vorhin unisono der Dank ausgesprochen worden –, nicht so machen, wie wenn man frei von wirtschaftlichen Sorgen ist. Wir alle wissen: Wenn wirtschaftliche Sorgen im Raum sind, ist der Kopf nicht frei, um sich auf das zu konzentrieren, was man tatsächlich machen möchte und machen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn hier immer wieder angeführt wird, dass Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Finanzierung so weit vorne liegt, dann muss man sich genau anschauen, wie das in anderen Bundesländern im Detail geregelt ist. Da sind die Finanzierungen durchaus anders zusammengestrickt, sodass man zum Teil auf ähnliche Größen kommt wie hier auch. Wenn wir tatsächlich einmal mit einer Finanzierung vorne liegen, dann müssen wir nicht ganz schnell dafür sorgen, dass wir wieder ins Hintertreffen geraten. „Hessen vorn“ war eine schöne Formel. Bei der könnten wir an der Stelle bleiben.

Wir sind der Meinung, diese Gesetzesnovelle ist in der Form, wie sie stattfinden soll, ein Skandal und eine Schande. Das ist völlig unwürdig. Wir werden uns bei der Abstimmung über den Änderungsantrag enthalten. Denn er geht im Prinzip in die richtige Richtung, verglichen mit dem, was die Regierung jetzt tut. Aber eigentlich gehört den Beratungsstellen das, was ihnen auch in den letzten fünf Jahren gehört hat. Daran sollte man nicht rühren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Nächster Redner ist Herr Kollege Rock für die FDP-Fraktion.