Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! – Frau Präsidentin, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich hatte mich nicht richtig herumgedreht.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal zu dem Entwurf des Schwangerschaftskonfliktgesetzes Stellung beziehen, um deutlich zu machen, wie sich unsere Position begründet und wie wir zu diesen Schlüssen gekommen sind, auch im Hinblick auf unseren Änderungsantrag, der eine deutliche Nachbesserung darstellt.

Wir haben in der ersten Lesung – da hat Hans-Christian Mick für uns gesprochen – deutlich gemacht, dass wir in Hessen eine sehr gute Finanzierung der Schwangerschaftskonfliktberatung haben und dass wir glauben, dass wir mit dem eingebrachten Gesetzentwurf bei der Finanzierung immer noch deutlich über dem Durchschnitt der Bundesländer liegen. Der Durchschnitt wurde damals mit rund 54.000 € berechnet.

Wir haben in der Anhörung mitbekommen, dass dieser Durchschnitt zu hinterfragen ist, da es in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Finanzierungsströme gibt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das habe ich vorhin gesagt!)

Das haben wir getan. Wir haben uns auch intensiv damit auseinandergesetzt, inwieweit die gewachsene Beratungslandschaft in Hessen ihre gute Arbeit fortsetzen kann.

Das ist jedem Abgeordneten im Hause sehr wichtig. Das ist für alle Menschen, die von dem sensiblen Thema der Schwangerschaftskonfliktberatung betroffen sind, die in Bedrängnis geraten, sehr wichtig. Es sind im Schwerpunkt zwar die Frauen, die mit Sicherheit den größten Kampf ausfechten. Aber solche Diskussionen bedrohen die Familie an sich; das gesamte familiäre Umfeld ist einbezogen, wenn es zu der Überlegung kommt, eine Schwangerschaft abzubrechen. Von daher ist es ein hochsensibles, ethisch und moralisch anspruchsvolles Thema, mit dem wir aus meiner Sicht in der Anhörung verantwortungsvoll umgegangen sind. In dieser Anhörung ist auch deutlich geworden, inwieweit die aus unserer Sicht gute Ausstattung der hessischen Konfliktberatung anzupassen ist, damit das Netzwerk weiterhin hält.

Die Liga hat einen Vorschlag gemacht, bzw. aus der Debatte heraus ist die Überlegung gewachsen – für das übernächste Jahr gibt es sowieso eine Anpassung –, wie dieses eine Jahr, wie dieses Delta auszugleichen wäre. Herr Dr. Spies hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die 5.000 € ausdrücklich kein Bestandteil der Berechnung der gesetzlichen Grundlagen und des Anspruchs sein können. Das wird von uns im Gesetzentwurf auch dargelegt. Der Gesetzentwurf und dessen Berechnungsgrundlage sind auch rechtskonform. Er stellt sicher, dass Konfliktberatung in ausreichendem Maße stattfinden kann.

Wir haben eine gewachsene Landschaft der Träger. Die Träger haben uns deutlich gemacht, wie eine Anpassung stattfinden kann. Ich denke, alle Fraktionen, aber gerade die, die die Regierungsverantwortung tragen, haben auch wirklich zugehört und genau überlegt: Wie können wir die Schwangerschaftskonfliktberatung flächendeckend stützen? – Frau Schott, da bringen uns Worte wie „Skandal“ nicht weiter, sondern wir müssen schauen, dass wir die Ressourcen, die das Land zur Verfügung hat, optimal einsetzen. Dabei müssen wir sicherstellen, dass die Qualität für die Bürgerinnen und Bürger erhalten bleibt. Das ist kein einfacher, das ist ein schwieriger Prozess.

Man kann sagen, dass das, was die Liga in diesem Abwägungsprozess in der Anhörung vorgeschlagen hat, unmöglich ist. Aber das sind die Menschen, die es vor Ort umsetzen sollen. Von daher haben wir das, was wir gemacht haben, auch nicht in Gutsherrenart gemacht, sondern wir haben in der Diskussion mit der Liga versucht, herauszufinden: Welche Veränderungen können wir im Landtag an dem Gesetzentwurf vornehmen, um den Bestand der Strukturen über dieses eine Jahr hinaus, in dem sich die Finanzierung reduziert hätte, sicherzustellen?

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin froh, dass wir diese Lösung gefunden haben. Diese Lösung stellt den Übergang sicher. Es ist eine Lösung, mit der auch die Beratungsstellen hervorragend leben können. Ich glaube, wenn der Landtag den Gesetzentwurf mit dem Änderungsantrag mit breiter Mehrheit beschließt, dann hat er für die Konfliktberatungsstellen etwas Vernünftiges getan. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die Landesregierung spricht Herr Sozialminister Grüttner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schwangerschaftskonfliktberatung stellt an diejenigen, die diese Beratung vornehmen, hohe Ansprüche, weil sie Menschen begegnen und ihnen Ratschläge geben müssen, die sich in einer ausgesprochenen Gewissensnot befinden. Diese Arbeit verdient unsere Anerkennung, sie verdient unseren Respekt, und sie verdient auch unsere Förderung. Sie verdient unsere Förderung in dem Sinne, wie es der Gesetzentwurf vorschreibt – und möglicherweise auch darüber hinaus.

Wir debattieren momentan nicht über die inhaltliche Arbeit von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, sondern wir diskutieren darüber, ob sie auskömmlich finanziert sind und ob die Berechnungsgrundlagen an dieser Stelle stimmen.

Es gibt einen Änderungsantrag, der auf der Grundlage des Berechnungsmodus und einer sehr kompliziert vorgetragenen Berechnung des Abg. Spies im Ausschuss, die kein Mensch verstanden hat, darstellt, dass man gesetzlich verpflichtet ist, 80 % des Personalanteils zu fördern.

Wenn Sie die Unterlagen durchschauen, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegen, dann sehen Sie, dass folgende Differenzierungen vorgenommen werden, um einen Personalkostenanteil zu errechnen: 10 % der Kosten z. B. eines Arztes nach E 14, 80% der Kosten eines Sozialarbeiters nach E 10 – das sind 90 % –, plus 25 % Verwaltungskostenanteil für die Tätigkeit von Verwaltungskräften, die zu den Personalkosten noch dazugerechnet werden müssen. Demnach gehen wir schon einmal von einer Grundlage aus, dass deutlich mehr als 100 % und davon 80 % zu bezahlen sind. Die Rechnung, die an dieser Stelle im Änderungsantrag aufgemacht worden ist – man müsse an dieser Stelle den Anteil von 80 % auf 90 % erhöhen, damit man einschließlich der 10 % auf 100 % kommt –, läuft einfach in die Irre. Sie ist schlicht und einfach falsch. Sie ist falsch gerechnet, weil falsch gedacht. Denn es sind die Gesamtkosten, die zugrunde gelegt werden, und deren Basis sind schlicht und einfach 115 %.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir, das kann sein, dass Sie das jetzt auch nicht verstanden haben. Das gestehe ich Ihnen zu, weil das relativ kompliziert ist. Aber ich gehe davon aus, dass Sie den Änderungsantrag, den Sie unterschrieben haben, verstanden haben.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann ist es ja in Ordnung – dann sehen Sie, dass Sie 100 % plus 25 %, also 125 % unterschrieben haben – und wir reden heute nur von 115 %.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch!)

An dieser Stelle ist es relativ einfach, Klarheit zu schaffen und auf dieser Grundlage eine entsprechende Berechnungsmethode vorzunehmen. Das ist der erste Punkt.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der zweite Punkt. Natürlich haben wir uns nicht nur mit der Frage „Wie gehen wir mit der Verwendung der Mittel um?“ befasst, sondern Grundlage war ein Rechnungshofbericht, der uns vorlag. In diesem Rechnungshofbericht wurde die Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen

untersucht und festgestellt: Im Vergleich zu den Beratungsstellen in allen anderen Ländern fördert das Land Hessen am meisten: in diesem Jahr mit 79.000 € pro Beratungsstelle. Um einmal andere Zahlen zu nennen: In Baden-Württemberg sind es 60.000 €, in Bayern 42.000 €, in Brandenburg 51.000 €, in Hamburg 52.000 €, in Niedersachsen 56.000 €, in Nordrhein-Westfalen 48.000€, im Saarland 49.000 €, in Sachsen 52.000 €, in Sachsen-Anhalt 56.000 €, in Schleswig-Holstein 47.000 € und in Thüringen 43.000 €.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin SchulzAsche?

(Minister Stefan Grüttner: Selbstverständlich!)

Herr Minister, da Sie gerade die Pauschalen der anderen Bundesländer vorgelesen haben: Könnten Sie bitte auch dazu sagen, welche zusätzlichen Unterstützungsleistungen es in den jeweiligen Bundesländern gibt, beispielsweise durch Stiftungen?

(Petra Fuhrmann (SPD): Personaleinsatz!)

Frau Abgeordnete, an dieser Stelle kann ich nicht vortragen, welche Möglichkeiten der Zustiftungen geleistet werden. Aber das steht auch den Beratungsstellen in Hessen frei.

(Widerspruch der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn Sie es jedoch im Hinblick auf kommunale Unterstützung sehen, unter dem Gesichtspunkt, was Kommunen noch zusätzlich an die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zahlen, dann kann ich Ihnen das sagen. In Bayern beispielsweise kommt noch zu den 42.000 €, die das Land bezahlt, ein Aufschlag von rund 30 %; wenn Sie das addieren, liegen Sie noch immer unter 60.000 € pro Beratungsstelle. Wir streiten uns auch nicht wie in anderen Ländern, beispielsweise in Niedersachsen: Dort wurde die Eingruppierung der Sozialarbeiter streitig gestellt, und sie wurden deutlich niedriger eingruppiert als hier in Hessen.

In Niedersachsen sagen die Träger, ohne dass es dort einen kommunalen oder einen anderen Zuschuss gibt – das ist also absolut vergleichbar –: Mit den rund 56.000 €, die wir bekommen, liegen wir bei einer Förderquote von 76 %, und streiten wir mit dem Land Niedersachsen, dass wir 80 % ausfinanziert bekommen. – Wenn Sie die hessischen Zahlen dagegensetzen, sehen Sie, dass wir schon zum jetzigen Zeitpunkt deutlich über den 80 % liegen.

Sie haben doch genau wie ich an der Anhörung teilgenommen. Genau wie ich haben Sie beispielsweise die Protestschreiben von Donum Vitae bekommen, die ich durchaus ernst nehme. Darin hieß es – das hat Frau Fuhrmann schon gesagt –: Wir müssen sofort Insolvenz anmelden, wir müssen zumachen.

Wenn dann aber in der Anhörung der Vertreter von Donum Vitae, die Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten, selbst sagt: „Auf der Grundlage der Bezuschussung, die uns das Land Hessen zum jetzigen Zeitpunkt gewährt, waren wir in der Lage, uns ein Polster zu erarbeiten, und

dieses Polster wird uns möglicherweise zwei, vielleicht auch drei Monate helfen, über die Runden zu kommen“, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann reden wir also nicht von einer 80-%-Finanzierung, dann reden wir dort von einer 100-%-Finanzierung, inklusive Polster. Ich finde, das geht nicht.

(Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Selbstverständlich, Herr Roth. Sie müssen sich die Anhörungsunterlagen einmal genau zu Gemüte führen. – Mir tut es leid um Donum Vitae, aber wir werden uns das ganz genau ansehen müssen. Deswegen bin ich für den Änderungsantrag der Fraktionen sehr dankbar.

(Petra Fuhrmann (SPD): Über welchen?)

Denn auf der einen Seite wird dadurch der Anpassungsrhythmus abgemildert und für das nächste Jahr eine deutlich höhere Förderung als 80 % vorgenommen. Denn ohne die 5.000 €, die pro Beratungsstelle draufgelegt werden, wären die 80 % schon erreicht. Es gibt dort aber einen zweiten Punkt: dass wir endlich einmal in die Bücher hineinschauen können. Denn bei jeder Nachfrage bei den Trägern der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen wegen einer Einsichtnahme in die Rechnungsunterlagen wurde uns gesagt, die seien gerade nicht greifbar.

Hier wollen wir schon intensiv der Frage nachgehen, die auch in der Anhörung gründlich dargestellt worden ist: Welche anderen Felder müssen bei der Schwangerschaftskonfliktberatung – die durchaus vielfältig ist – mit berücksichtigt werden? Dazu gehören auch Eheberatung, Familienberatung und einiges andere. Das ist nicht ausschließlich Schwangerschaftskonfliktberatung. Aber natürlich wollen wir auch sehen, welche Leistungen von den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen übernommen werden, die ursprüngliche Leistungen der kommunalen Träger sind.

Ich sehe Ihre wissenden Gesichter. Wir haben uns schon unmittelbar nach der Anhörung unterhalten und darüber auseinandergesetzt: Es war schon sehr interessant, das Leistungsspektrum zu sehen, die Darstellung, was Schwangerschaftskonfliktberatung aus der Sicht der betroffenen Verbände oder Träger alles beinhaltet. Dabei muss man aber sehr wohl fragen: Ist das eine Leistung, die nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz zu erbringen ist – oder ist das allgemeine Lebensberatung, die letztendlich Aufgabe des kommunalen Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträgers ist, mit Sicherheit aber nicht der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle?

Herr Minister, Entschuldigung, gestatten Sie mir die Bemerkung, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.

Das ist in Ordnung. Deswegen werde ich jetzt auch gleich sagen, wie es weitergeht.

Entschuldigung, ich muss Sie nochmals unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Fuhrmann?

Aber dann überziehe ich meine Zeit noch mehr.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Ihre Entscheidung!)

Frau Fuhrmann, selbstverständlich können Sie fragen.