Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Mit diesem Auftrag hat auch die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers ihre Arbeit aufgenommen und ihre

Studie zum Umbau der HSVV begonnen. Es ging nur darum, Stellen zu streichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage, die das Beratungsunternehmen für viel Geld zu bearbeiten hatte, war, wie das bewerkstelligt werden kann, ohne dass die HSVV völlig arbeitsunfähig wird. 300 von 1.700 Stellen – das sind immerhin 17 %. Wenn dieselbe Arbeit in Zukunft nicht mehr verwaltet, sondern mit deutlich weniger Personal „gemanagt“ wird, klopft man sich im Ministerium auf die Schulter, weil man wieder einmal sogenannte Effizienzpotenziale gehoben hat. Leidtragende sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet das nämlich eine Arbeitsverdichtung. Die Teams werden verkleinert, die Standorte werden geschlossen – zunächst der Standort in Frankfurt –, aber die Arbeitsanforderungen bleiben bestehen. Unter dem Vorzeichen der Schuldenbremse trifft Ihre Kürzungspolitik einmal mehr die Landesbeschäftigten. Das halten wir für überhaupt nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf den ersten Blick könnte man froh sein, dass dieser umfassende Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen soll. Allerdings fällt dabei auf, dass das Verkehrsministerium keine Arbeitsplatzgarantie für die verbleibenden Beschäftigten abgeben wollte.

Aber auf den zweiten Blick ist das erschreckend. Dass der Abbau von 300 Stellen ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen soll, erklärt sich nämlich daraus, dass das Durchschnittsalter der Mitarbeiter der HSVV bei Mitte 50 liegt. Es ist alarmierend, dass die Überalterung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst so weit fortgeschritten ist, dass praktisch die gesamte heutige Belegschaft der HSVV in zehn Jahren in Rente gehen müsste.

(Zurufe von der Regierungsbank)

Frau Ministerin, mit Mitte 50 ist man selbstverständlich nicht überaltert. Aber auch Sie werden erkennen, dass wir ein Problem haben, wenn die Mitarbeiter einer Behörde im Durchschnitt 56 Jahre alt sind.

Da ich Sie gerade anspreche: Das Problem haben wir auch bei den hessischen Lehrerinnen und Lehrern. Eine Überalterung verursacht Probleme. Frau Ministerin, wenn in den Behörden nicht genug junge Menschen ausgebildet werden, haben wir eben das Problem, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle zu einem ähnlichen Zeitpunkt in Pension gehen. Dann werden einfach Mitarbeiter fehlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zeigt, dass die Personalpolitik der Landesregierung darauf hinausläuft, dass in einigen Jahren verschiedene Bereiche arge Personalprobleme bekommen werden, weil nicht genug ausgebildet und nicht genug eingestellt wird.

Der öffentliche Dienst ist kein Auslaufmodell. Aber Sie wollen ihn dazu machen. Auf welches Gleis Sie das Straßen- und Verkehrsmanagement setzen, ist ebenfalls klar. Eine Spartenorganisation öffnet den Weg zu weiteren Privatisierungen. Zum einen wird sich früh genug zeigen, dass die Auslastung der Sparten nicht immer gleich sein wird. Zum anderen stellt die Haushalts- und Steuerpolitik von Bund und Land die Weichen in Richtung weiterer

Kürzungen. Der nächste Schritt wird dann in Streichungen beim festen Mitarbeiterstamm und der Vergabe von Aufträgen an Dritte bestehen.

Meine Damen und Herren, wir halten die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen für grundfalsch. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass privat eben nicht gleich besser und billiger ist. Wir haben in diesem Bereich ein praktisches Beispiel: das Pilotprojekt der Landesregierung zur Privatisierung der Straßenmeisterei Groß-Umstadt. Es hat gezeigt, dass privat eben nicht gleich besser und billiger ist.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Staatssekre- tärs Steffen Saebisch)

Herr Staatssekretär, ich finde es gut, wenn Sie Pilotprojekte machen, die dazu führen, dass das Weltbild der FDP an der Stelle auf die Wirklichkeit trifft.

Hoheitliche Aufgaben wie die öffentliche Daseinsvorsorge müssen Aufgaben des Staates sein und bleiben. Wir sind der Meinung, dass diese Umstrukturierung weiteren Privatisierungen die Tür öffnet, und das lehnen wir ab.

Meine Damen und Herren, mittlerweile belegt Deutschland bei den Investitionen ins Straßennetz im europäischen Vergleich einen der hinteren Plätze, sowohl im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt als auch pro Kopf der Bevölkerung.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Ich finde es spannend, wenn Sie sich einzelne Studien heraus picken!)

Besonders hoch wird die Differenz zwischen den tatsächlichen Investitionen und dem Investitionsbedarf bei den Landes- und den kommunalen Straßen geschätzt. Herr Müller, Sie sehen das genauso, sonst hätten Sie dieses Jahr kein Schlagloch-Programm aufgelegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schuldenbremse wird dafür sorgen, dass sich der Zustand der Straßen weiter verschlechtert, wenn die öffentlichen Einnahmen nicht merklich erhöht werden. Für den ÖPNV gilt Ähnliches. Die Landesregierung setzt aber auf weitere Kürzungen.

Um ihr das zu erleichtern, ermächtigen Sie das Ministerium, weitere Niederlassungen der HSVV nach Gutdünken zu schließen, also ohne Beteiligung des Parlaments und der Öffentlichkeit. Die Verteilung von Behördenstandorten ist aber für die Regionen in Hessen von großer Bedeutung, und deshalb darf darüber nicht allein im Ministerium unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Staatssekre- tärs Steffen Saebisch)

Herr Staatssekretär, ich kann das verstehen: Sie wollen sich die öffentliche Debatte ersparen. Wir hatten im Landtag gerade eine Debatte über die Schließung von Gerichtsstandorten. Auch dort galt: minimale Einsparung bei maximalem Schaden. Daher kann ich verstehen, dass Sie solche öffentlichen Debatten nicht haben wollen.

Das halte ich aber für falsch. Wir sind der Meinung, über solche Fragen kann nicht im stillen Kämmerlein entschieden werden. Eine Debatte über die Frage, wie man die Strukturen vor Ort aufrechterhält, gehört in den Landtag.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Vorgehen stößt in den betroffenen Gemeinden, beispielsweise in Schotten, auf verständlichen Widerstand. Dort wird befürchtet, dass mit dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen einer der größten Arbeitgeber der Gemeinde mit 80 Arbeits- und Ausbildungsplätzen wegfallen könnte. Herr Staatssekretär, ich will dazu nur sagen: Diese Bedenken haben sich dort offensichtlich nicht verflüchtigt. Allenfalls das Vertrauen der Kommunen in diese Landesregierung hat sich verflüchtigt.

Diese Unstrukturierung bedeutet eine Zentralisierung der HSVV zulasten der Fläche und der Strukturen vor Ort. Dieses Vorgehen stellt auch die Geringschätzung der neuen Behörde unter Beweis, die Sie mit diesem Gesetzentwurf schaffen wollen. Die Regierungsfraktionen geben ihre Kompetenz in dieser Frage – vielleicht ist „Kompetenz“ das falsche Wort, jedenfalls ihr Mitspracherecht – ohne jede Not aus der Hand.

Deshalb können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden dem Abbau von 300 Stellen im öffentlichen Dienst nicht zustimmen. Deutschland hat im Vergleich zu den anderen westlichen Industriestaaten ohnehin einen unterdurchschnittlich großen öffentlichen Sektor.

(Lachen bei der FDP – Jürgen Lenders (FDP): Schauen Sie einmal nach Griechenland!)

Da lachen Sie? Wissen Sie, wie groß er ist? Herr Lenders, nennen Sie doch einmal den Prozentsatz. Sagen Sie, wie viele Beschäftigte im öffentlichen Sektor arbeiten. Ich sage es Ihnen: Es sind 13 %. Das sind mittlerweile weniger als in den USA. In skandinavischen Ländern liegt dieser Anteil bei über 30 %.

(Jürgen Lenders (FDP): Das macht es jetzt besser, oder wie?)

Lachen Sie also nicht. Schauen Sie sich einmal die Statistiken an; dann können Sie bei dieser Frage mitreden.

Wir werden dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Die Landesbeschäftigten sind schon heute, im Vergleich zu anderen Bundesländern, besonders stark belastet. Die Ausdünnung des öffentlichen Dienstes an allen Ecken und Enden hat bereits zu einer deutlichen Arbeitsverdichtung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Jeder weitere Stellenabbau wird diese Belastung verstärken. Sie wollen im Sinne der Schuldenbremse bei den Landesbeschäftigten kürzen. Dem werden wir als LINKE ganz sicher nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Müller, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir jetzt dafür gescholten werden, dass wir die öffentliche Verwaltung zu klein halten, ist mir neu, aber das mag daran liegen, dass Sie bei den LINKEN Mitglied sind und ich bei der FDP.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja, so ist das!)

Wir kriegen von den eigenen Mitgliedern eher die Kritik, dass wir an der Verwaltung arbeiten müssen und sie modernisieren sollen. Ich glaube, genau unter der Über

schrift hätte das Gesetz, das heute eingebracht wird, auch stehen können: „Fit für die Zukunft – moderne Verwaltung gestalten“.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Modernisierung heißt nicht Abbau!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn noch einmal zwei Äußerungen meiner Vorrednerinnen aufgreifen. Zum einen, Frau Wissler, besteht die Straßenbauverwaltung aus 3.250 Stellen und nicht aus 1.700, oder wie viele Sie genannt haben. Da sind 300 Stellen ein Abbau von 9 % und nicht von 17 %. Das ist das eine, nur zur Information. Wenn Sie sich die Zahlen besorgen, dann besorgen Sie bitte auch die richtigen. Das wäre dann hilfreich. Alles andere verwirrt und sind Fehlinformationen.

(Ulrich Caspar (CDU): Mit der Wahrheit nehmen sie es nicht so genau!)

Zum anderen, Frau Müller, die Möglichkeit, die Gültigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen zu verlängern, steht in keiner Weise in einem Widerspruch dazu, Planungsbeschleunigung zu betreiben. Damit wollen wir gerade erreichen, dass keine neuen Planungen erforderlich werden und weitere wertvolle Zeit verstreicht, was zu Kostensteigerungen führt. Auch das muss ich an der Stelle gleich noch einmal klarstellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Meine Damen und Herren, es ist nicht die erste Veränderung in der Straßenbauverwaltung. Wir haben die hessische Straßenbauverwaltung in den letzten zehn, zwölf Jahren zukunftsfähig gemacht und sie – das hat Herr Caspar als Vorredner schon angesprochen – eben auch von den verkrusteten rot-grünen Strukturen befreit. Ich glaube, die Straßenbauverwaltung in Hessen ist mittlerweile eine sehr moderne Verwaltung. Sie wird jetzt weiter reformiert, und das alles unter Beteiligung und Mitarbeit der Betroffenen in der Straßenbauverwaltung. Das ist, wie ich finde, das Entscheidende, wo ich mich auch ausdrücklich allen Komplimenten, die der Straßenbauverwaltung schon gemacht wurden, anschließen und unterstreichen möchte: Die Straßenbauverwaltung hat sich hin zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Unternehmen verändert.

Das muss man sagen: Innerhalb von zehn Jahren ist das ein beachtlicher, bemerkenswerter Vorgang und eine ganz hervorragende Leistung, die eben auch dazu führen kann, dass Verwaltung in der Öffentlichkeit in Zukunft nicht mehr immer nur als Behörden und Ämter gesehen wird, wo alle in den Büros sitzen, sondern dass man erkennt, dass sich hier in den letzten zehn Jahren, gerade in Hessen, vieles verändert und vieles sehr zum Positiven entwickelt hat.