Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 88. Plenarsitzung am heutigen Dienstag, dem 1. November 2011, und heiße Sie herzlich willkommen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich auf eine Veränderung im Hohen Hause eingehen. Unser bisheriger Kollege, Herr Staatsminister a. D. Wilhelm Dietzel, hat mit dem 31. Oktober 2011 sein Mandat als Abgeordneter niedergelegt. Wir werden ihn während der nächsten Sitzung verabschieden können.
Sein Nachfolger ist Herr Abg. Armin Schwarz aus Bad Arolsen. – Herr Schwarz, ich darf Sie bitten, sich kurz zu erheben.
Ich heiße Sie im Hessischen Landtag herzlich willkommen und wünsche Ihnen eine erfolgreiche und zufriedenstellende Zeit.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben am heutigen Tag eines ehemaligen Kollegen zu gedenken. Am 21. Oktober 2011 ist der frühere hessische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Hisserich verstorben.
Karl Hisserich wurde am 30. November 1926 in Homberg an der Ohm geboren. Er machte eine Ausbildung zum Rechtspfleger und war als Amtsrat beim Amtsgericht in Alsfeld tätig. Außerdem war er Mitglied der Gewerkschaft ÖTV und Vorsitzender des Sportkreises Alsfeld im Landessportbund Hessen.
Karl Hisserich war seit 1956 SPD-Mitglied und seit 1960 viele Jahre lang Stadtverordneter und Stadtverordnetenvorsteher in seiner Heimatstadt Homberg an der Ohm. Auf kommunaler Ebene war er darüber hinaus Mitglied des Kreistags Alsfeld, und von 1964 bis 1972 war er dort Erster Kreisbeigeordneter und Mitglied des Kreistages Vogelsberg.
Karl Hisserich gehörte von 1970 bis 1987 als Abgeordneter dem Hessischen Landtag an. In dieser Zeit war er Vorsitzender des Unterausschusses Justizvollzug und gehörte 1979 der 7. sowie 1984 der 8. Bundesversammlung an.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Herrn Karl Hisserich von Ihren Plätzen erhoben haben. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, die Tagesordnung vom 25. Oktober 2011 mit bisher einem Punkt liegt Ihnen vor. Es kommen jetzt noch einige dazu.
Eingegangen ist der Dringliche Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sicherstellung eines dauerhaften Nachtflugverbots am Flughafen Frankfurt, Drucks. 18/4603. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Damit wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 2. Wir können ihn zusammen mit Punkt 1 aufrufen. Dem wird nicht widersprochen? – Dann verfahren wir so.
Außerdem ist der Dringliche Antrag der Fraktion der SPD betreffend Erneuerung des Anti-Lärm-Pakts für die Rhein-Main-Region, Drucks. 18/4607, eingegangen. Ich gehe auch hier davon aus, dass die Dringlichkeit bejaht wird? – Das ist der Fall. Damit wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 3. Wir werden ihn mit den Tagesordnungspunkten 1 und 2 aufrufen. Auch dem widerspricht niemand? – Dann verfahren wir so.
Von der Fraktion DIE LINKE ist ein Dringlicher Antrag eingegangen, betreffend Landesregierung muss sich glasklar zum Nachtflugverbot und Lärmschutz bekennen. Das ist Drucks. 18/4616. Auch hier gibt es keinen Widerspruch gegen die Dringlichkeit? – Das ist so. Dann nehmen wir den Dringlichen Antrag als Punkt 4 auf die Tagesordnung und rufen ihn zusammen mit den Tagesordnungspunkten 1, 2 und 3 auf.
Dann ist noch eingegangen der Dringliche Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend nur Revision schafft Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Rechtsfrieden – Lärmschutzmaßnahmen am Flughafen Frankfurt kontinuierlich fortsetzen und weiterentwickeln. Das ist Drucks. 18/4618. Wird die Dringlichkeit hier bejaht? – Das ist der Fall. Damit wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 5, und er wird zusammen mit den Tagesordnungspunkten 1, 2, 3 und 4 aufgerufen werden.
Damit kommen wir zur Genehmigung der Tagesordnung. Widerspricht jemand der Genehmigung? – Das ist nicht der Fall. Somit verfahren wir entsprechend.
Zur Erleichterung Ihres Geschäfts wurde die Tagesordnung mit den Dringlichen Anträgen noch einmal gedruckt und an Ihren Plätzen ausgelegt.
Herr Kollege Uwe Frankenberger hat sich ganztägig entschuldigt, der Herr Ministerpräsident ab 18 Uhr.
Ich stelle fest, dass wir jetzt handlungsfähig sind. Ich rufe nunmehr offiziell Tagesordnungspunkt 1 auf:
Konsequenzen aus dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 in Sachen Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen
Ich rufe die nun nach der Geschäftsordnung als dringlich erachteten Anträge unter den Tagesordnungspunkten 2 bis 5 mit auf.
Der Herr Ministerpräsident hat mir mitgeteilt, dass er zu Beginn der Debatte das Wort wünscht. – Herr Ministerpräsident, ich erteile Ihnen das Wort. Für Sie ist keine Redezeit vorgesehen. Aber Sie wissen, dass sich die Fraktionen auf eine Redezeit von 20 Minuten je Fraktion verständigt haben. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion hat eine Sondersitzung beantragt, um, ich gebe es einmal frei wieder, zu erfahren, wie die Lan
desregierung – und insbesondere der Ministerpräsident – nach der jüngsten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, nämlich seinem Eilbeschluss, zur Frage des Ausbaus des Frankfurter Flughafens und insbesondere auch zu den Themen, die sich rund um das Nachtflugverbot ranken, steht.
Die Position der Landesregierung und auch die der sie tragenden Parteien ist bekannt. Sie wurde in den Medien vielfach mitgeteilt. Nicht zuletzt bei der Einweihung der neuen Landebahn habe ich diese Position nicht nur öffentlich vorgetragen, sondern auch bekräftigt. Meiner Ansicht nach gibt es auch sonst keine Umstände, die so wären, dass wir sie nicht während unserer turnusmäßigen Sitzung in zwei Wochen miteinander hätten beraten können.
Meine Damen und Herren, bleiben Sie entspannt. – Das ist dann aber eine gute Gelegenheit, die Positionen noch einmal im Landtag vorzutragen und auszutauschen. Deshalb möchte ich ein paar Bemerkungen machen.
Ich will das einmal so einleiten: Die Entscheidung für den Ausbau des Flughafens und der Ausbau waren nicht nur für die Region und für ganz Hessen sehr wichtig, sondern das hat auch massiv Einfluss auf ganz Deutschland. Diese Entscheidung ist von größter Bedeutung.
Der Flughafen ist das Herzstück der wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen und weit darüber hinaus. Es ist mit über 4 Milliarden € die größte private Investition, die es in Deutschland seit vielen, vielen Jahren gegeben hat. Es ist die größte Betriebsstätte, die es in Deutschland gibt. Über 70.000 Menschen finden dort ihren Arbeitsplatz. Meine Damen und Herren, deshalb muss man schon deutlich machen: Hessen und insbesondere das Rhein-MainGebiet gehört zu den führenden Regionen nicht nur Deutschlands, sondern Europas. Diese führende Stellung als Knotenpunkt der Verkehre ist für uns eine große Chance. Diese Chance angemessen und vernünftig wahrzunehmen und die damit verbundenen Belastungen in einem Rahmen zu halten, dass wir zu einem vernünftigen Ausgleich kommen, ist unsere Aufgabe.
Gerade die Logistikwirtschaft spielt hier im Rhein-MainRaum eine überragende Rolle, wenn es um die Frage der Arbeitsplätze und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung geht. Aber das ist kein Naturgesetz. Wir müssen uns immer wieder dem Wettbewerb mit anderen Regionen stellen, die auch nach vorne kommen wollen.
Wenn wir auch in Zukunft einen Spitzenplatz im Wohlstand Europas beibehalten wollen – ich denke, das wollen wir alle –, dann müssen wir nach sorgfältiger Abwägung aller Interessenlagen auch in schwierigen Sachverhalten Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen dann auch vollziehen. Deshalb ist diese Landesregierung wie ihre Vorgängerregierungen der festen Überzeugung, der Ausbau und der Bau einer neuen Landebahn waren und sind notwendig und richtig, meine Damen und Herren.
Wenn wir einmal auf die nahezu bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse nach dem Bau der Startbahn West zurückschauen, die uns allen noch in Erinnerung sind: Als eine Diskussion anhob, ob man nicht doch ausbauen müsse, hat man häufig auf eine Aussage von Herrn Ministerpräsidenten Börner zurückgegriffen, der 1984 nach dem Bau der Startbahn West erklärt hat: Am Flughafen wird nicht mehr weitergebaut.
Man hat ihm und anderen später vorgeworfen, wortbrüchig geworden zu sein. Ich halte diese Vorwürfe für nicht berechtigt. Ich möchte zitieren, was der damalige wirtschaftspolitische Sprecher der damaligen Oppositionsfraktion der Freien Demokraten, Kollege Posch, in der 108. Sitzung des Hessischen Landtags – das war am 29. Oktober 1998 – vor dem Plenum erklärt hat:
Kein Planfeststellungsbeschluss kann Reaktionen auf zukünftige Notwendigkeiten vorwegnehmen. Niemand hier im Hause und anderenorts konnte vor 20 Jahren wissen, welche verkehrswirtschaftlichen Gegebenheiten an der Jahrhundertwende bestehen.
Wir erinnern uns. SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die seinerzeit die Landesregierung stellten, waren sich in der Frage uneinig, ob man bei diesem Flughafen erneut in die Aufgabe eines Ausbaus gehen muss, soll oder kann. Dieser Dissens konnte in dieser Regierung nicht aufgelöst werden. Die Sozialdemokraten waren der Auffassung, dass dieses alte Verdikt nicht mehr gelten könne. Deshalb darf ich den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD Armin Clauss zitieren, der in der gleichen Sitzung Folgendes erklärt hat:
Wer der Region eine Perspektive eröffnen will, muss über den Zaun hinausdenken. – Das ist so. Die Vereinbarung, dass der Zaun die Grenze ist, endet mit dieser Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, wenn wir darüber sprechen, wie sich die Dinge entwickelt haben, gehört dies dazu.