Herr Siebel, es ist gut, dass Sie dies dazwischengerufen haben. Denn Sie haben scheinbar immer noch nicht verstanden, was das Bundesverfassungsgericht in seine Entscheidungsgründe hineingeschrieben hat. Denn der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion hat sich ausschließlich an die Regelungen des § 17 Aktiengesetz gehalten, wonach eine Beteiligung bis zu 49,9 % möglich gewesen wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich dargelegt, dass es darum geht, welcher mittelbare oder unmittelbare Einfluss auf Rundfunkveranstalter genommen werden kann, wobei dies vollkommen unabhängig von der Regelung des Aktiengesetzes zu sehen ist.
An dieser Stelle hat sich die Landesregierung in dem vorgelegten Gesetzentwurf sehr stark an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes gehalten, um dem gerecht zu werden, was dort festgestellt wurde. Das ist, erstens:
Der Grundsatz der Staatsfreiheit ist auch im Verhältnis zu den Parteien zu beachten. Zwar sind diese nicht dem Staat zuzuordnen; jedoch besteht eine gewisse Staatsnähe der Parteien, …
Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Regelung der Zulässigkeit der Beteiligung von Parteien am Privatrundfunk. Ihm steht es frei, den Parteien die Zulassung zur Veranstaltung vom Privatrundfunk zu verwehren, soweit sie bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder Programminhalte nehmen können.
Herr Siebel, das ist das Entscheidende. Hinsichtlich der Definition dieses „bestimmenden Einflusses“ arbeitet das Bundesverfassungsgericht deutlich heraus, dass das Entscheidende nicht allein der nominale Anteil am Kapital oder an den Stimmrechten, sondern der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte ist.
Der Gesetzgeber ist damit keineswegs darauf beschränkt, manifeste Gefahren für die Rundfunkfreiheit nur im Fall der Mehrheitsbeteiligung auszuschließen. Er kann vielmehr auch indirekte Möglichkeiten abwehren, mit denen Einfluss auf das Programm ausgeübt werden kann.
Das ist es, an dem sich der Gesetzentwurf der Landesregierung orientiert. Ich wiederhole: Das ist ganz anders als bei dem im letzten Sommer von der SPD-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf, der allein Mehrheitsbeteiligungen erfasst hat. Der Gesetzentwurf, den die Landesregierung vorgelegt hat, orientiert sich also genau an den Vorgaben der Karlsruher Entscheidung.
Der Regelungsgehalt, mit dem diese Fragen nun angegangen werden sollen, gilt in dreifacher Hinsicht. Nr. 4 Buchst. a soll zunächst klarstellen, dass Parteien oder Wählergruppen keinesfalls selbst als Rundfunkveranstalter in Erscheinung treten dürfen. Sie können niemals unmittelbar zugelassen werden und damit Teilnehmer sein.
Die unter Buchst.b vorgesehene Regelung mit der Bezugnahme auf das Aktiengesetz mag für einen Nichtjuristen
vielleicht etwas sibyllinisch klingen, aber das soll entsprechend der gebräuchlichen rechtlichen Regelungen beim Rundfunk festgelegt werden. Demnach kann auch einem Unternehmen, das mit einer Partei oder einer Wählergruppe rechtlich mit einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Aktiengesetz verbunden ist, bei dem also eine Partei z. B. mehr als 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte hält, keine Zulassung erteilt werden. Als Stichwort könnte ich jetzt beispielsweise Madsack oder Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft in die Debatte werfen. Ich denke, jeder weiß, was damit gemeint ist.
Buchst. c schließlich umfasst all die Fallkonstellationen, bei denen, gegebenenfalls auch unabhängig von dem rechtlichen Einfluss auf die Gesellschaft, Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, satzungsrechtlicher Bestimmungen oder in sonstiger Weise Einfluss auf Programmgestaltung oder Programminhalte des Antragstellers
genommen werden kann.Wir haben bei den Verschachtelungen, die Gegenstand der Debatte im Sommer letzten Jahres waren, schon festgestellt, dass es dies intensiv gegeben hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Ott-Verlag. Eben wurde schon Klaus Lage genannt. Sie können sich erinnern, dass in den Verträgen die entsprechenden Passus geschwärzt wurden, als ein von der SPD vollkommen „Unabhängiger“ wie Herr Schüren Anteile übernommen hat. Mit diesem Abschnitt wird genau der Regelungsgehalt erfasst, mit dem wir versuchen wollen, eine mittelbare oder unmittelbare Einflussnahme der Parteien auf Rundfunkveranstalter tatsächlich auszuschließen.
Jetzt könnte man sagen, dass dies mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, nämlich dem „bestimmenden Einfluss“, beschrieben worden ist und dass dies möglicherweise zu Schwierigkeiten in der Anwendung führen kann. Das ist bei derartigen – –
Ich komme gleich zum Schluss meiner Rede. – Das ist bei derartigen Begriffen aber nicht zu vermeiden. Insoweit kann ich mich jetzt auch wieder unmittelbar auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehen. Dort werden zur Illustration der indirekten Einflussnahmen, die einem bestimmenden Einfluss gleichkommen, im Wesentlich genau die in dem Gesetzentwurf aufgenommenen Beispiele angeführt.
Dass es nicht möglich ist, alle denkbaren Konstellationen in Zahlenwerten zu erfassen und zu beschreiben, liegt in der Natur der Sache.Aus Sicht der Landesregierung ist eines entscheidend: Wir wollen in Hessen keinen Parteienfunk, sondern wir wollen einen freien Rundfunk haben.
Deshalb muss es ausgeschlossen sein, dass eine politische Partei, mit welchen Mitteln auch immer, Einfluss auf Sendungsinhalte des privaten Rundfunks nimmt. Es wird deshalb die Aufgabe der Landesmedienanstalt in Kassel sein,
bei Anhaltspunkten für einen möglicherweise bestehenden bestimmenden Einfluss von den Auskunftsrechten und Ermittlungsbefugnissen aufgrund des Hessischen Privatrundfunkgesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes Gebrauch zu machen.
In diesem Sinne glauben wir, dass wir in Zukunft einen freien Rundfunk und keinen Parteienfunk haben werden.
Herr Staatsminister Grüttner, herzlichen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält nun Herr Kollege Siebel das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Vorgänge im ZDF bin ich immer wieder tief beeindruckt, mit welcher Unverfrorenheit Herr Staatsminister Grüttner diese Nummer hier abzieht.
Das ist wirklich „klasse“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befassen uns heute mit dem Hessischen Privatrundfunkgesetz, weil die Landesregierung in der vorletzten Legislaturperiode einen offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorgelegt hat.
Herr Staatsminister Grüttner, wenn Sie auf den Gesetzentwurf rekurrieren, den wir in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben: Ich sage einmal, aufgrund der Mehrheitsverhältnisse, die wir hier vorfinden, war ich nahe dran, meiner Fraktion nicht zu empfehlen, unseren Gesetzentwurf wieder einzubringen. Aber wenn Sie so herausfordern, dass es offensichtlich notwendig ist, dieser Landesregierung einen verfassungsgemäßen Gesetzentwurf vorzulegen, dann können wir das im Rahmen der Anhörung des Gesetzentwurfs in der Tat auch machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 12.März 2008 unmissverständlich festgestellt, dass der Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Privatrundfunkgesetzes in dem entsprechenden Paragrafen ungültig ist. Die Landesregierung und die sie damals tragenden Fraktionen waren nach meiner Auffassung von der ideologischen Verblendung getrieben, dass jede auch noch so kleine Beteiligung von SPD-nahen Gesellschaften aus dem Rundfunkbetrieb ausgemerzt werden müsste.
Nun sollte man meinen,dass auch die CDU-geführte Landesregierung aus Fehlern lernen könnte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen aber, dass dies offensichtlich an der Realität vorbeigeht. Der heute vorlie
gende Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung zur Änderung des Privatrundfunkgesetzes missachtet sträflich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Formulierungen sind unausgereift und eine krasse Missachtung des Bundesverfassungsgerichts. CDU und FDP schreiben mit diesem Gesetzentwurf den verfassungswidrigen Zustand mit anderen Mitteln fort.
Richtig ist, dass der Gesetzgeber bei der Begrenzung von Einflussmöglichkeiten politischer Parteien auf den privaten Rundfunk nicht darauf beschränkt ist, nur den nominalen Anteil an Stimmrechten oder an Kapital zu gewichten. Entscheidend ist vielmehr der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung bzw. die Programminhalte – so das entsprechende Urteil. Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2008 unmissverständlich klargestellt, dass es dem Gesetzgeber obliegt, „geeignete und nachvollziehbare Kriterien“ zu entwickeln.
Mit Ihrem Gesetzentwurf haben Sie allerdings Ihre Hausaufgabe schicht und einfach nicht gemacht. Die jetzt getroffene Formulierung im Gesetzentwurf sieht vor:
Ein bestimmender Einfluss ist insbesondere anzunehmen, wenn die politische Partei... Einfluss auf Programmgestaltung und Programminhalte... nehmen kann.
Diese Formulierung genügt nicht, sondern verkehrt den Regelungsbedarf,der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt wurde, in sein Gegenteil. Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2008 dem Gesetzgeber die Möglichkeit zugebilligt, nicht jedweden Einfluss auszuschließen, sondern nur den bestimmenden Einfluss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen wird mit dem Gesetzentwurf nach wie vor der Fehler begangen. Er ist auch in der Formulierung, die Sie vorgelegt haben, nach unserer Auffassung nicht verfassungskonform und muss insofern natürlich verändert werden.
In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch die Gefahr formloser Einflussnahme ausgeschlossen werden soll. Sie schieben jetzt – wie Sie in Ihrer Rede gesagt haben – den Schwarzen Peter an die Landesmedienanstalt weiter, die ohne klare Kriterien an der Hand dann die Entscheidung treffen muss.Dies genau genügt eben nicht dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, denn es hat diese Aufgabe nicht nur als Sache der Länder, sondern als Sache des Gesetzgebers definiert. Da sollten Sie die Begründung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal genau nachlesen.
Es ist eindeutige Aufgabe von uns, dem Landesgesetzgeber, zu bestimmen, welche Grenzen den politischen Parteien durch das Privatrundfunkgesetz zu setzen sind, wogegen wir nicht sind – ganz im Gegenteil. Wenn der Gesetzgeber aber keine geeigneten und nachvollziehbaren Kriterien definiert, entspricht der Gesetzentwurf nicht dem Auftrag aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, weshalb wir uns hier mit dem Gesetz befassen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, politisch steckt die Absicht dahinter, bewusst Unsicherheit zu erzeugen, um bestimmte Verlage über langfristige Verfahren zu einem bequemen Mitgesellschafter in Verlagskreisen zu degradieren. Sie haben es in einigen Zwischenrufen schon zum Besten gegeben. Schon die Art und Weise, wie der Ministerpräsident Roland Koch beim ZDF einen der gro
ßen Angriffe der letzten zehn Jahre auf die Unabhängigkeit der Medien unternommen hat, zeigt, wie diese Landesregierung medienpolitisch agiert.
Mit Ihren Zwischenrufen dokumentieren Sie, Kollege Reif und andere, dass Sie offensichtlich hier an der richtigen Stelle getroffen worden sind. Genau so ist es.