Protokoll der Sitzung vom 01.02.2012

Herr Innenminister, wir haben da in Hessen keine große Berichterstattung. Da könnte man auch noch ein bisschen nachbessern. In Nordrhein-Westfalen ist vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 die Zahl der Hunde, die sich auf dieser Liste befinden, von 12.000 auf 10.000 zurückgegangen. Bei der Gruppe der betroffenen Hunde, über die wir reden, ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen.

(Alexander Bauer (CDU): Das ist gut so!)

Natürlich ist das gut so. Herr Bauer, ich danke Ihnen für diesen Zwischenruf. Das ist wichtig, denn diese Hunde stellen mit ihrer Beißkraft, mit ihrem Gewicht und mit ihrer Größe ein größeres Gefahrenpotenzial dar. Deswegen brauchen wir einen Rückgang dieser großen Gefahrenpotenziale im Interesse der Menschen. Deswegen ist die Rasseliste auch richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Aber das Problem, das bleibt – darauf werden Sie in der Diskussion sicherlich noch einmal hinweisen können –, ist, dass die meisten Bisse und die meisten Schädigungen durch Schäferhunde und Schäferhundmischlinge zustande kommen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir das Problem mit dieser großen Gruppe – Sie haben von mehreren Hunderttausend Hunden gesprochen –, also Schäferhunden und anderen Mischlingsrassen, angehen.

Deswegen haben wir gesagt: Nicht die Abschaffung dieser Rasseliste ist die Lösung, sondern die Lösung muss sein, wie wir, Herr Innenminister, mit dieser großen Gruppe von großen Hunden mit einer gewissen Schulterhöhe, mit einem gewissen Gewicht, mit einer gewissen Beißkraft umgehen, und wie wir es schaffen, das Gefahrenpotenzial für alle Menschen in diesem Land zu reduzieren. Deswegen bitten wir Sie, diese Rasseliste zu überprüfen und weiterzuentwickeln, auch unter Einbeziehung von Sachverständigen und Experten.

Ich bin mir sicher: Von vier Punkten werden wir in drei Punkten Gemeinsamkeiten finden. Bei dem Chip, der Haftpflichtversicherung und dem Sachkundenachweis sind wir uns einig. Ich glaube, wenn die Rasseliste noch nicht wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Anzahl der Bisse signifikant zurückgeht, dann müssen wir die Hunde, die als gefährlich aufgefallen sind, in dieser Thematik mit bearbeiten. Das bedeutet Weiterentwicklung.

Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir tatsächlich ein gemeinsames Vorgehen finden. Aber ich halte den Schritt der Abschaffung der Rasseliste für ein völlig falsches Signal. Das wird auch dazu führen, dass sich dieses Milieu aufgefordert fühlt, sich genau diese Hunde wieder anzuschaffen. Die waren bisher nämlich abgeschreckt, und das aus gutem Grund. Ich fand, dass das eine richtige Entscheidung war. Deswegen halten wir an der Rasseliste fest, bitten aber um eine Weiterentwicklung der Hundeverordnung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Bauer, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf widmet sich den vierbeinigen Steuerzahlern in Hessen. Verglichen mit der Zahl der Zweibeiner ist das zwar eine kleine Gruppe. Aber auch sie haben Rechte, und ihre Besitzer haben Pflichten.

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass beißkräftige Vierbeiner in Händen gewissenloser Halter zu einer Gefahr für Leib und Leben werden können. Das dürfte im Hause wohl unbestritten sein. Aber gibt es auch Rassen, denen man per se eine besondere Gefährlichkeit unterstellen kann? – Diese Frage gilt es noch näher zu beleuchten.

Immer wieder sorgen doch Beißattacken aggressiver Hunde für traurige Schlagzeilen, vor allem dann, wenn Kinder auf grausame Weise verletzt oder gar getötet werden. Nicht selten ist eine falsche Erziehung des Tieres der Grund für solche Vorfälle. Mitunter wird ein Hund auch ganz bewusst darauf trainiert, Menschen anzugreifen oder zu verletzen.

Umstritten ist aber, ob bestimmte Hunde allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer spezifischen Rasse als so gefährlich eingestuft werden können, dass es gerechtfertigt ist, sie besonderen Regelungen zu unterwerfen. Gleichwohl haben mittlerweile fast alle Bundesländer sogenannte Rasselisten eingeführt. Wir haben in Hessen eine Rasseliste gefährlicher Hunde, die zehn Rassen und Gruppen aufführt. Sie ist nicht unumstritten. Aber ich finde, sie hat sich in der Vergangenheit bewährt.

Viele deutsche Bundesländer führen Rasselisten mit Hunderassen, die rassebedingt als gefährlich aufgeführt werden oder deren Gefährlichkeit vermutet wird. Für solche Listenhunde gelten bestimmte Regelungen. Die Befürworter einer Rasseliste vertreten den Standpunkt, mit der Auflistung von Hunderassen würden gefährliche Hunde besser kontrollierbar und die Sicherheit der Bevölkerung vor Hundeangriffen würde erhöht. Befürwortet werden Rasselisten – das wurde auch schon angesprochen – vom Deutschen Kinderschutzbund oder vom Verein Deutsche Kinderhilfe Direkt e. V.

Meine Damen und Herren, zugegeben, die Rasseliste wird von vielen Institutionen abgelehnt und für nicht zweckdienlich gehalten. Eins ist auch klar: Das Problem aggressiver Hunde ist nur allzu oft am anderen Ende der Leine zu finden. Tierschutzverbände kritisieren zwar, dass die Definition von gefährlichen Rassen wissenschaftlich nicht haltbar sei und sprechen zum Teil sogar von einer Diskriminierung oder Ungleichbehandlung gegenüber nicht gelisteten Rassen. Gleichwohl hat aber das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahre 2004 die Zulässigkeit von Rasselisten ausdrücklich bejaht. Ich darf zitieren:

Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimmt, dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt sind, schließt sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben kann.

So die Richter bei ihrer Urteilsbegründung. – Im Hinblick darauf, welch hohes Gewicht der Schutz des menschlichen

Lebens und der menschlichen Gesundheit hat und angesichts der schwerwiegenden Folgen von Attacken durch Hunde mit einer besonderen Stärke und Beißkraft hat das Bundesverfassungsgericht es ausdrücklich für zulässig erklärt, dass der Gesetzgeber Vorkehrungen gegen den Eintritt von Schädigungen durch Hunde bestimmter Rassen treffen kann.

Wir halten deshalb die Klassifizierung von Gefährdungspotenzialen nach wie vor für zweckdienlich, verschließen uns aber auch nicht einer zeitgemäßen und zweckdienlichen Weiterentwicklung der bisherigen Rasseliste. Da sind wir ganz eng bei den GRÜNEN.

Meine Damen und Herren, die SPD hat als Erweiterung der bestehenden Hundeverordnung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Gesetzentwurf enthält einige Aspekte, über die es sich durchaus zu reden lohnt. Eine allgemeine Chippflicht für Hunde ist bedenkenswert.

In Niedersachsen muss nach dem im Mai letzten Jahres neu verabschiedeten Hundegesetz jeder Hund einen elektronischen Chip, einen sogenannten Transponder, tragen. Dieser beinhaltet Angaben zum Halter. Hiermit kann nicht nur im Schadensfall der Besitzer ermittelt werden. Es kann auch dem Aussetzen von Hunden entgegengewirkt werden. Auch die Eigentümer von Fundtieren sind damit künftig leichter zu identifizieren.

Der geforderte Abschluss einer Haftpflichtversicherung für alle Hundehalter, um auftretende Personen- und Sachschäden zuverlässig abzuwickeln, weist in die richtige Richtung. Nach den jetzigen Angaben haben allerdings bereits 70 % der deutschen Hundehalter eine Haftpflichtversicherung für ihre Vierbeiner abgeschlossen.

Leider ist bei dem Vorhaben der SPD für die hessischen Vierbeiner eine gewisse Regelungswut festzustellen. Wenn sie etwa Kindern unter 14 Jahren verbieten wollen, allein und ohne Aufsicht eines Erwachsenen einen Hund zu führen, dann ist das schlicht lebensfremd.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Stellen Sie sich vor, dass z. B. eine alleinerziehende Mutter krank im Bett liegt und ihre Kinder rausschicken muss. Die Regelung ist einfach lebensfremd. Der Kollege hat gesagt: Wir sollten nicht schwarz Gassigehen in das Gesetz hineinschreiben.

Man muss das nicht weiter mit unsinnigen Regelungen belegen. Aber ich sage trotzdem: Sie haben viele bedenkenswerte Vorschläge. Sie schreiben z. B. in Ihrem § 5 zur allgemeinen Pflicht – Zitat –: „Hunde sind so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgeht.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Meine Damen und Herren, das müsste auch ohne Gesetz die allgemeine, gesellschaftlich verbindliche Norm für alle Hundebesitzer sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum wir von staatlicher Seite die Menschen generell zu einem Sachkundenachweis, also einem Hundeführerschein, zwingen sollten, hat sich mir noch nichts vollends erschlossen. Ich kann mir das nur sehr abstrakt auf absolut freiwilliger Basis vorstellen, und gerade nicht per gesetzlicher Regelung.

Zweitens – das ist viel entscheidender – darf sich eine solche Regelung nicht zu einem bürokratischen Monstrum entwickeln, das die Kommunen belastet.

Drittens – das ist ein entscheidender Aspekt – muss man sich einen solchen Nachweis am Ende auch leisten können. Meine Damen und Herren, es ist nicht die Aufgabe von uns als Gesetzgeber, eine neue Begutachterindustrie aufzubauen, denn das zöge Ihr Gesetz nach sich.

Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf auch von finanziellen Mehraufwendungen. Das geben Sie ehrlicherweise an. Es gibt nämlich zusätzliche Kosten für die Hundehalter. Dann müssen Sie sich auch die Frage stellen lassen, wie sozial das eigentlich ist. Sie schreiben auch, auf das Land kämen Mehrkosten zu. Ich darf aus Ihrem Gesetzentwurf zitieren: „Die erweiterten Reglementierungen verursachen einen allgemein höheren Verwaltungsaufwand.“ Ist es das, was wir in finanziell angespannten und sowieso überreglementierten Zeiten brauchen? – Ich bin der Meinung: Nein, das brauchen wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, in den meisten der übrigen Bundesländer gelten Hundeverordnungen oder Hundegesetze, die sich auf Regelungen in Bezug auf das Halten von gefährlichen Hunden beschränken. In den wenigen Fällen, in denen mehr als das geregelt wird, geht es um eine Chippflicht, wie etwa in Hamburg, Niedersachsen oder Berlin, oder um die eben angesprochene Haftpflicht. Das sind die Punkte, wofür es auch nach unserer Auffassung Regelungsbedarf gibt.

Die Regelungswut muss allerdings ihre Grenzen haben. Es muss notwendig sein, es muss sinnvoll sein, und es muss am Ende auch praktikabel sein. Das werden wir bei den weiteren Beratungen stärker in den Blick nehmen müssen. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Landesregierung hat das Wort. Herr Minister Rhein, Sie dürfen ans Rednerpult kommen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt rund zehn Jahre her, dass sich dieses Haus erneut mit der Frage eines hessischen Hundegesetzes befasst.

(Nancy Faeser (SPD): Sie hätten doch vorher eins vorlegen können! – Vizepräsidentin Sarah Sorge übernimmt den Vorsitz.)

Ja, dazu komme ich noch.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich finde diese Erhitzungszustände des Kollegen Rudolph immer wieder fantastisch, die seit gestern andauern. Ich frage mich nur, was wir morgen früh machen wollen.

(Günter Rudolph (SPD): Ich bin wieder einmal ganz entspannt!)

Im Jahr 2002 ist schon einmal ein Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einem Hundegesetz abgelehnt worden. Ich glaube, er ist damals zu Recht abgelehnt worden. Auf der Basis dessen, was die Abgeordneten Bocklet, von Zech und auch der Kollege Bauer gesagt haben, wird man wahrscheinlich in der Lage sein, diesmal einen gemeinsamen Weg zu finden. Das ist ein sehr positives Signal.

Im Übrigen haben wir bereits damals geprüft, ob ein Hundegesetz sinnvoll ist. Diese Frage haben wir damals verneint. Ich halte auch heute an dieser Auffassung fest; das ist der eine Punkt. Ich glaube, dass Regelungen über das Halten und Führen von Hunden nicht in einem Gesetz, sondern in einer Rechtsverordnung zu treffen sind. Ich halte ein Gesetz in diesem Zusammenhang deswegen nicht für erforderlich und auch deswegen nicht für richtig, weil es einfach so sein muss, dass wir in diesem Bereich schnell und flexibel auch auf Gefahrensituationen reagieren können müssen. Wir müssen auch auf neue Erkenntnisse reagieren können, ebenso wie auf aktuelle und neue Gerichtsentscheidungen.

Ein sehr negatives Beispiel – damals auch der Grund für die entsprechende Reaktion dieser Landesregierung – ist der Vorfall in Hamburg am 26. Juni 2000 gewesen, als ein Schulkind von zwei sogenannten Kampfhunden getötet worden ist. Hessen hat daraufhin sofort Konsequenzen gezogen und konnte direkt reagieren. Wir haben am 5. Juli 2000, zwei Wochen später, sofort eine Kampfhundeverordnung erlassen können; das wäre, wenn wir ein Gesetzt gehabt hätten, nicht möglich gewesen. Das ist für mich ein Zeichen, dass man in diesem Bereich durchaus gut beraten ist, wenn man schnelle Reaktionsmöglichkeiten hat und nicht den langen Weg über ein Gesetz gehen muss.

Frau Dr. Pauly-Bender, ich gestehe zu, dass, wenn eine entsprechende Regelungstiefe erreicht werden soll, man selbstverständlich ein Gesetz braucht; das ist überhaupt keine Frage. Deswegen muss man sich über die Maßnahmen unterhalten, die jenseits dieser Regelungstiefe geregelt werden können. Dennoch – das möchte ich sehr deutlich betonen – nimmt die Landesregierung dieses Thema außerordentlich ernst. Jeder, der heute dazu gesprochen hat, hat auf die Aspekte hingewiesen, warum dieses Thema ernst genommen werden muss – seien es die Sicherheitsgesichtspunkte, die sozialen Gesichtspunkte oder viele andere, die hierbei eine Rolle spielen.

Genau deswegen haben wir erst im vergangenen Jahr eine Expertenanhörung im Innenministerium durchgeführt. Dort haben wir sowohl sehr intensiv Änderungsbedarf diskutiert, aber natürlich auch den möglicherweise bestehenden Optimierungsbedarf erörtert. Deswegen führen wir derzeit, ganz plangemäß, die Evaluierung der Hundeverordnung durch. Das ist der richtige Weg, wie wir vorgehen sollten. Deswegen kommt nach meiner festen Überzeugung der Gesetzentwurf zur falschen Zeit.

(Günter Rudolph (SPD): Ooh!)

Er enthält aber auch handwerkliche Mängel. Sie sagen, Sie hätten das Gesetz von Niedersachsen übernommen. Wenn man ein Gesetz aus einem anderen Land übernimmt, muss man darauf achten, einen Blick auf das dort geltende Organisationsrecht zu werfen und ob es unserem Recht entspricht. Auch darf man die gefahrenabwehrrechtlichen Begriffe nicht durcheinanderbringen – das ist in diesem Gesetzentwurf geschehen; schon allein deswegen kann man ihn so nicht beschließen.

Wir sind aber gut beraten, wenn wir dieses Thema in aller Ruhe, in aller Gelassenheit und in aller Sachlichkeit miteinander im Ausschuss im Rahmen einer Anhörung beraten. Nach dem, was vorgetragen worden ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir einen Weg finden, wie das eine oder andere in diesem Bereich optimiert und verbessert werden kann. – Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.