Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Ein weiterer Grundsatz des Rechtsstaates ist, dass der Hessische Landtag als unmittelbar vom Volk gewähltes Vertretungsorgan die Exekutive kontrollieren soll, und gerade nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Jetzt will ich einmal zitieren, was hinter mir der Ministerpräsident sagt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt ist er auch mal da!)

Während ich zitiere, es ist Grundsatz des Rechtsstaats, dass wir als Parlament die Exekutive kontrollieren, sagen Sie, das sei völliger Unsinn.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dann haben wir offensichtlich ein noch viel größeres Problem, als es diese Debatte heute Morgen gezeigt hat, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Kasperletheater, diese Regierung! – Zurufe von der CDU – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, natürlich sind die parlamentarischen Freiheitsrechte nicht grenzenlos.

(Zuruf: Aha, jetzt also doch nicht! – Weitere Zu- rufe)

Sie müssen mich schon ausreden lassen.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie alle bitten, sich an die Regeln in diesem Hause zu halten. Das Wort hat die Frau Kollegin Faeser. – Bitte sprechen Sie aber auch zu den Abgeordneten, Frau Kollegin Faeser.

Alle auf der Regierungsbank behalten die übliche Zurückhaltung, wie es sich gehört. Alle im Hause sind wieder lieb und nett. Frau Kollegin Faeser hat das Wort.

Natürlich sind die parlamentarischen Freiheitsrechte nicht grenzenlos und entbinden uns Abgeordnete auch nicht von der Beachtung der Rechte; das ist völlig unstrei

tig, Herr Ministerpräsident. Das ist ein völlig unstreitiger Grundsatz der Verfassung.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Andererseits – darüber reden Sie nicht so gern, Herr Ministerpräsident – ist es so, dass die Abgeordneten im Rahmen der Mandatsausübung auch einem besonderen Schutz unterliegen. Wir hatten gestern eine Debatte – leider nicht über die Immunität –, und ich muss in diesem Zusammenhang diesen Punkt hier wohl nicht mehr allzu genau ausführen, weil die Abgeordneten der Linkspartei in Hessen nicht überwacht werden; es ist auch gut so, dass sie nicht überwacht werden, weil für Abgeordnete ein besonderer Schutz gilt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der gestrigen Ereignisse und der ganzen Woche möchte ich aber schon anregen, ob sich ein Parlament nicht auch darüber Gedanken muss, dass es auf der einen Seite Regelungen zur Immunität gibt und wie es auf der anderen Seite vonstatten geht, wenn es den Schutz der Abgeordneten betrifft, dass also der Landtagspräsident informiert wird und der Hauptausschuss damit befasst ist. Was geschieht denn für den Fall, dass Abgeordnete überwacht werden? – Man wird nicht informiert, es ist nirgendwo geregelt. Vielleicht sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob dazu nicht eine ähnliche Informationspflicht gegenüber dem Landtagspräsidenten oder dem Parlament erforderlich wäre, um diesen besonderen Schutz hervorzuheben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich gehört es auch zu einer wehrhaften Demokratie, dass die Freiheit des Mandats nicht grenzenlos ist. Wenn Anhaltspunkte für eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen, muss eine Überwachung durch den Verfassungsschutz möglich sein. Deshalb sollte die Linkspartei auch nicht zu sehr auf den Verfassungsschutz schimpfen – ich denke hierbei an die NPD-Abgeordneten in Thüringen und Sachsen. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch einmal darüber reden. Natürlich ist es gut, dass der Verfassungsschutz in diesem Sinne die Verfassung schützen kann. Aber Sie sagen jetzt, es sei alles so schön und richtig, und wir sollten uns davor hüten, den Verfassungsschutz politisch zu instrumentalisieren. Das geschieht hier nämlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zurufe von der CDU)

An dieser Stelle darf ich den Freien Demokraten Burkhard Hirsch zitieren: Der Verfassungsschutz ist dazu da, die Verfassung zu schützen, nicht die Regierung.

Frau Kollegin Faeser, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Ich komme gerne zum Schluss, Herr Präsident. – Wir haben heute sehr eindrucksvoll gesehen, dass die beiden Parteien einander brauchen. Der Verfassungsschutz in Berlin hat den LINKEN in der Tat einen großen Gefallen

getan, indem diese Debatte so angeheizt wurde. Dahinter kann man sicherlich viele Fragezeichen setzen. Angesichts der aktuellen rechtsextremen Bedrohungslage finde ich es durchaus berechtigt, ein Fragezeichen hinter das zu setzen, was in Berlin passiert ist. Ich glaube, diese Fragen sind auch angemessen.

Wir werden uns – der Innenminister hat es schon angekündigt –, wenn die Vorgänge durch das BKA untersucht sind, hier sehr genau darüber unterhalten müssen, wie sich der Verfassungsschutz aufstellt und welche Fragen damit verbunden sind. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat der Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten uns in aller Ruhe und Sachlichkeit mit diesem Thema auseinandersetzen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sagt der Richtige!)

Als Erstes lässt sich feststellen, dass das vordergründige Thema dieser Aktuellen Stunde relativ schnell erledigt ist. In der Bundesrepublik Deutschland werden keine Abgeordneten mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht, und in Hessen werden sie nicht einmal vom Verfassungsschutz beobachtet.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist die Unwahrheit! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Das alles wussten wir vor dieser Debatte und vor diesem Antrag; damit ist das Thema erledigt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber das eigentliche Thema, um das es hier geht – und deswegen ist die Unruhe hier offensichtlich auch bei aller Sachlichkeit so groß –, ist die Frage, warum wir diese Aktuelle Stunde überhaupt haben. Wir haben sie deshalb, weil hier von der eigentlichen Frage abzulenken versucht wird, ob die Partei DIE LINKE, die auch von diesen Abgeordneten vertreten wird, verfassungsmäßig oder verfassungsfeindlich ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich muss eines sagen: Sie sind der Linkspartei mit ihrer Aktuellen Stunde dummerweise auf den Leim gegangen, Frau Kollegin Faeser. Sie haben nämlich nicht dieses Thema behandelt, sondern sich stattdessen mit anderen Fragen befasst.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Ich habe auch eine sehr klare Aussage und Distanzierung zu dem vermisst, was Frau Wissler vorhin zum Thema Verfassungsschutz gesagt hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Wissler, es ist genau so, wie Burkhard Hirsch es gesagt hat: Der Verfassungsschutz ist dafür da, die Verfassung zu schützen. – Genau das tut er, und das tut er ganz besonders in Hessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Verfassungsfeindlichkeit als Grund für die Beobachtung einer Partei durch den Verfassungsschutz hat natürlich etwas mit der Frage zu tun, was verfassungsfeindlich ist. Es schadet nicht, wenn man sich hin und wieder einmal mit der Rechtsprechung unseres höchsten Gerichts, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzt. Hierzu gibt das Bundesverfassungsgericht eine klare Definition. Ich zitiere aus dem Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Mai 1975:

Eine Partei, die beispielsweise programmatisch die Diktatur des Proletariats propagiert oder das Mittel der Gewalt zum Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bejaht, wenn es die Verhältnisse zulassen sollten, verfolgt verfassungsfeindliche Ziele, …

(Janine Wissler (DIE LINKE): Können Sie das belegen?)

Das habe ich Ihnen gerade gesagt. Lesen Sie das im Protokoll nach.

Meine Damen und Herren, die Grundfrage ist also schlichtweg: Entspricht die Linkspartei dieser Definition des Bundesverfassungsgerichts? – Dafür gibt es genug Belege, die aus dem Bereich der Linkspartei selbst kommen. Auch von dieser Seite gibt es zahllose Zitate. Viele davon kann man bereits in den Landtagsprotokollen nachlesen.

Ich will aus der Broschüre des Marxistischen Forums vom Januar 2009 zitieren. Dort heißt es:

Es gilt, die DDR zu verteidigen als legitimen, in vieler Hinsicht erfolgreichen Versuch, unter höchst komplizierten Bedingungen eine neue Gesellschaft als Alternative zur kapitalistischen Profit- und Klassengesellschaft zu gestalten.

Etwas weiter heißt es: