Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – Drucks. 18/5190 –
Es ist eine Redezeit von 7,5 Minuten vereinbart. Ich erteile Frau Wissler zur Einbringung des Gesetzentwurfs das Wort. Frau Wissler, Sie haben es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur eine Vorbemerkung: Meine Damen und Herren von CDU und FDP, manchmal sagt das Nichtzulassen einer Debatte mehr aus als eine ganze Debatte.
Bezahlbarer Wohnraum ist insbesondere im Rhein-MainGebiet ein knappes Gut. In Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt und anderswo mangelt es an Wohnungen, die sich junge Familien, Studierende, Rentnerinnen und Rentner und die wachsende Zahl der Geringverdiener leisten können. – Diese Einschätzung stammt nicht von uns, sondern das ist die Einschätzung eigentlich aller Einrichtungen und Experten, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
Dieser Mangel schlägt sich insbesondere in Frankfurt in zu hohen Mieten nieder. Die Mieten sind pro Quadratmeter am höchsten bei Wohnungen bis zu 30 m2, also vor allem bei Singlehaushalten – und die machen in Frankfurt mehr als 40 % aller Haushalte aus.
Meine Damen und Herren, in solch kleinen Wohnungen leben vor allem Rentnerinnen und Rentner, Studierende und Alleinerziehende. Mit anderen Worten: Es werden die, die ohnehin wenig haben, bei der Miete noch besonders zur Kasse gebeten.
Dabei wissen wir, heutzutage ist die Miete nur die halbe Miete, denn die Nebenkosten, vor allem die für Energie, steigen unablässig und machen bei vielen Haushalten die sogenannte zweite Miete aus.
Meine Damen und Herren, der Wohnraummangel macht sich auch anhand des geringen Wohnraums pro Kopf bemerkbar. Hessenweit ist der Durchschnitt 42,8 m2 pro Person; in Frankfurt sind es gerade einmal 36,4 m2. In den Städten des Rhein-Main-Gebietes leben die Menschen also in recht beengten Verhältnissen, zumal diese Zahlen Durchschnitte darstellen.
Gleichzeitig laufen die Sozialbindungen vieler Wohnungen aus. Jahr für Jahr fallen in Hessen mehr Wohnungen aus der Bindung, als neue mietpreisgebundene zur Verfügung gestellt werden. Und auch darüber müssen wir an dieser Stelle reden: Die unerträgliche Verlärmung der Region durch den Frankfurter Flughafen wird zusätzlich Tausende Häuser und Wohnungen unattraktiv und viele unbewohnbar machen.
Die Industrie- und Handelskammer Rhein-Main sah schon vor einigen Jahren die Region vor einer „großräumigen Umschichtung und Neusortierung der Bevölkerung“. Die „Gefahr der Gettoisierung“, schrieb die IHK 2008, werde „deutlich zunehmen“, weil Bezieher mittlerer und unterer Einkommen immer mehr in die Randgebiete abgedrängt werden, wo sie die Mieten noch bezahlen können.
Nun ist Wohnungsknappheit in Deutschland kein neues Problem. Wohnungsbaupolitik war deshalb jahrzehntelang ein zentrales staatliches Handlungsfeld.
Es gab sogar einmal eine Zeit, als sogar die FDP noch verstand, dass man nicht alles dem Markt überlassen darf, weil das bei der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu krassen Notlagen und Obdachlosigkeit führen kann. Deshalb wurden in den Fünfziger- und Sechzigerjahren milliardenschwere Programme für den Wohnungsbau aufgelegt, gerade auch für den sozialen Wohnungsbau.
Bis heute zeugen unsere Innenstädte davon. Auch der Bestand öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften stammt zu einem guten Teil aus dieser Zeit. Es war 1972 eine Bundesregierung aus SPD und FDP, die ein umfangreiches Gesetzespaket zur Verbesserung der Wohnraumsituation verabschiedet hat.
Teil davon war die Möglichkeit für die Bundesländer, Regelungen zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu treffen. Damals herrschte die Einsicht vor, dass Menschen erst einmal Wohnraum brauchen, bevor sie in Geschäfte, Büros und Werkstätten gehen können. Meine Damen und Herren, diese Regelung blieb 35 Jahre lang in Kraft und bewährte sich.
Mit der Föderalismusreform II ist die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich auf die Länder übergegangen. Hessen hinkt hier hinterher. CDU und FDP haben kein Gesetz zur Wohnraumförderung vorgelegt. Das Ver
bot der Wohnraumzweckentfremdung halten Sie offenbar für überflüssig, weil nach Ihrer Lesart der Statistiken ausreichend Wohnraum vorhanden ist. Meine Damen und Herren, aber nach Ihrer Lesart gibt es auch sonst nirgendwo in Hessen Probleme.
Als wir diesen Gesetzentwurf in dieser Woche vorgestellt haben, hat Herr Milde für die CDU ein Pressemitteilung herausgeben, in der uns vorgeworfen hat, Vorschläge aus der „sozialistischen Asservatenkammer“ vorzulegen. – Herr Milde, unsere „sozialistische Asservatenkammer“ ist der Bayerische Landtag. In diesem Fall trifft der Vorwurf des Sozialismus Ihre Kollegen aus der CSU.
(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit des Abg. Jür- gen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Bayern hat nämlich im Jahr 2007 unter einer CSU-Alleinregierung ein eigenes Gesetz verabschiedet, das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Der zuständige Staatssekretär, Herr Heike, erklärte dazu – ich darf zitieren –:
Bayern will mit diesem neuen Landesgesetz zur Regelung der Zweckentfremdung von Wohnraum eine weitere durch die Föderalismusreform gewonnene Kompetenz für die Wohnungspolitik nutzen, um insbesondere auf die Mangelsituation bei der Wohnraumversorgung in den Ballungsräumen flexibel reagieren zu können.
Unser Gesetzentwurf, den wir jetzt in den Landtag eingebracht haben, orientiert sich im Wesentlichen an dem bayerischen Gesetz zur Wohnraumzweckentfremdung
sowie an der Wohnraumerhaltungssatzung der Stadt München. Denn wir halten Bayern in vieler Hinsicht für mit dem Land Hessen vergleichbar. In vielen Gebieten dort haben wir gar kein Problem mit Wohnraummangel; dafür gibt es aber auch Ballungsräume, in denen akuter Wohnraummangel besteht.
ohne weitere rechtliche Verpflichtung... bei Wohnungsmangel nach eigenen wohnungspolitischen Vorstellungen tätig werden und dabei die Bedürfnisse und regionalen Unterschiede der Wohnungsmärkte... berücksichtigen. Ob nun im Gemeindegebiet ein Wohnraummangel besteht und was man dagegen tun kann, können nach unserer Meinung die Verantwortlichen vor Ort am besten beurteilen.
Jetzt frage ich mich, was der Herr Staatssekretär Heike aus dem CSU-geführten bayerischen Innenministerium mit der Presseerklärung von Herrn Lenders anfangen würde, der die Regelungen dieses Gesetzes als „verfassungswidrig“ bezeichnet hat.
Ich möchte auch daran erinnern, dass diese Regelungen gegen Wohnraumzweckentfremdung ab 1972 immerhin 35 Jahre lang geltendes Bundesrecht waren. Herr Milde und Herr Lenders, jetzt frage ich Sie: Waren diese Regelungen jetzt eigentlich verfassungswidrig? Oder waren sie sozialistisch? Immerhin haben sie 35 Jahre lang hier gegolten.
Meine Damen und Herren, Wohnen ist ein Menschenrecht. Insbesondere in Frankfurt wird bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Das können Sie nicht wegreden.
Wir haben 2 Millionen m2 leer stehende Bürofläche geschätzt, aber viel zu wenige bezahlbare Wohnungen. Ein Verbot der Wohnraumzweckentfremdung wird dieses Problem alleine nicht lösen. Aber es schützt den Wohnraumbestand dadurch, dass Leerstand zu Spekulationszwecken unterbunden wird. Wir wollen den Gemeinden Interventionsmöglichkeiten für den Fall einräumen, dass Wohnungen länger als drei Monate leer stehen.
Wir sind der Meinung, wir brauchen niedrigere Mieten. Solange die Nachfrage aber viel höher bleibt als das Angebot, werden die Mieten hoch bleiben. Deswegen braucht eine effektive Wohnungspolitik noch mehr als das Verbot von Wohnraumzweckentfremdung. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Vorschläge, die Sie in der nächsten Zeit einbringen werden.
Ich komme zum Schluss. Das Verbot der Wohnraumzweckentfremdung ist ein Element, ein Baustein für eine aktive Wohnungspolitik. Es ist ein Element, das sich 35 Jahre lang bewährt hat. Es ist zudem haushaltsneutral umzusetzen.
Ich möchte mich des Vorwurfs des Wahlkampfs auch an dieser Stelle erwehren. Wir haben schon 2008 einen solchen Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag eingebracht, damit das Gesetz, das 2006 ausgelaufen ist, weil es von der damaligen Landesregierung nicht verlängert wurde, wieder in Kraft gesetzt wird.
Ich bin der Meinung, es gibt überhaupt kein vernünftiges Argument gegen das Gesetz. Deswegen bitte ich Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich freue mich auf die Anhörung. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frau Kollegin hat es bereits ausgeführt, wir haben diese Debatte schon im Jahr 2008 geführt. Auch damals haben Sie zumindest in der Anhörung eine herbe Niederlage erfahren müssen.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das stimmt überhaupt nicht, das Gesetz ist der Diskontinuität zum Opfer gefallen!)
Es hat sich daran auch nicht viel geändert. Es gibt überhaupt keinen Grund für dieses Gesetz, weil in Frankfurt mittlerweile deutlich mehr Büroflächen zur Verfügung stehen, Leerflächen bei den gewerblichen Immobilien vorhanden sind, sodass die Triebfeder, die zu diesem Gesetzentwurf führen soll, überhaupt nicht vorhanden ist. Das ist der signifikante Unterschied zwischen Frankfurt und München.
Frau Wissler, man kann sich gar nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie am Ende nur Wahlkampf machen wollen. Das bleibt zumindest hängen, wenn man sich anschaut, was Sie auch eben wieder gesagt haben.