Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Frau Wissler, man kann sich gar nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie am Ende nur Wahlkampf machen wollen. Das bleibt zumindest hängen, wenn man sich anschaut, was Sie auch eben wieder gesagt haben.

Es bleibt dabei: Als Grundlage für ein Zweckentfremdungsgesetz, an das das Bundesverfassungsgericht 1975 strenge Voraussetzungen geknüpft hat, muss eine besondere Gefährdung vorliegen, die anhand statistischen Materials belegt werden muss. Die gesetzlichen Grundlagen, auf denen das alte Gesetz aus den Siebzigerjahren fußte, sind heute überhaupt nicht mehr vorhanden. Es war damals eine Bundesgesetzgebung, die das überhaupt geregelt hat. Dieses Bundesgesetz ist nicht mehr in Kraft. Frau Wissler, es hat sich also seit 2008 überhaupt nichts mehr an der Geschäftsgrundlage geändert. Dieses Gesetz wäre in Teilen verfassungswidrig, wenn man es in Kraft setzen würde.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Es würde auch in Teilen die energetische Sanierung behindern. Sie haben eben die drei Monate angesprochen. Um ein Haus energetisch sanieren zu lassen, müssten Sie es räumen lassen; diese Möglichkeit müssten Sie auch einräumen. Die drei Monate wären ein totales Fehlsignal, damit würden Sie es nicht hinbekommen. Das Gesetz ist inhaltlich falsch. Es ist überhaupt keine gesetzliche Grundlage mehr für Ihren Gesetzentwurf vorhanden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abg. Wissler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Lenders, Sie waren so schnell fertig, ich habe das Gefühl, dass Sie es eilig haben.

(Jürgen Lenders (FDP): Ich komme wieder!)

Ich möchte zu Ihren Ausführungen ein paar Bemerkungen machen. Herr Lenders, der erste Satz war schon falsch. Es stimmt einfach nicht, dass wir 2008 eine krachende Niederlage erlitten haben. Wir hatten noch nicht einmal eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf. Wenn Sie sich erinnern: Es gab 2008 die Auflösung des Hessischen Landtags. Der Gesetzentwurf ist zwar eingebracht worden, danach aber der sogenannten Diskontinuität zum Opfer gefallen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Erzählen Sie doch bitte nichts, was überhaupt nicht stimmt. Sie hätten sich wenigstens die Plenarprotokolle anschauen und nachlesen können, was damals passiert ist.

Jetzt zur energetischen Sanierung. Das ist natürlich ein scharfes Argument. In unserem Gesetzentwurf steht ganz klar drin, dass grundloser Leerstand bekämpft werden soll. Wenn es triftige Gründe gibt, eine Haus leer stehen zu lassen, z. B. aufgrund energetischer Sanierung, dann schreibt das Gesetz überhaupt nicht vor, dass die Kommunen in irgendeiner Form tätig werden müssen.

Es handelt sich um ein Rahmengesetz. Es ist ein Gesetz, das den Kommunen ein Instrument an die Hand gibt, das die Kommunen aber nicht nutzen müssen. Das heißt also, wenn die Menschen vor Ort der Meinung sind, dass sie keinen Wohnraummangel haben, dann brauchen sie dieses Gesetz überhaupt nicht anzuwenden. Es geht genau um die Städte und Gemeinden, die eine ganz angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt haben. Die sollen die Möglichkeit haben, gegen unbegründeten Leerstand vorzugehen und auch die Zweckentfremdung von Wohnraum, beispielsweise die Umwidmung in Gewerbe- und Büroräume, zu verhindern.

Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, warum dieses Gesetz, das 35 Jahre lang eine sinnvolle Regelung war, nun verfassungswidrig sein soll. In Bayern ist dieses Gesetz auch Realität. Sie haben das leider in Ihrer verkürzten Rede nicht ausgeführt.

Aber Ihre Redezeit ist jetzt zu Ende.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es gibt kein vernünftiges Argument gegen diesen Gesetzentwurf. Deswegen halte ich es für absolut richtig, dieses Gesetz in Hessen in Kraft zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Vorredner wünscht keine Erwiderung. Wir können fortfahren in der Rednerliste. – Herr Milde, Sie haben das Wort für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich dachte, Rot-Grün würde auch etwas zu diesem Gesetzentwurf sagen. Es geht aber auch, dass wir gleich dazu Stellung nehmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sozialistische Schwesterpartei!)

Ich muss Herrn Kollegen Lenders recht geben in der Feststellung, dass dieser Gesetzentwurf, der in der Tat 2008 nicht mehr zum Zug kam, einzig und allein dem OBWahlkampf geschuldet ist. Frau Wissler, auch mit den Argumenten, die Sie eben gebracht haben, streuen Sie Ihrer Klientel in Frankfurt Sand in die Augen. Sie erreichen mit diesem Gesetzentwurf überhaupt nichts, das haben auch die Stellungnahmen, die damals eingegangen sind, ergeben. Da hat Kollege Lenders vollkommen recht. Der Bedarf für ein solches Gesetz ist einfach nicht vorhanden.

Ein solches Gesetz greift massiv in das im Grundgesetz verankerte Recht auf Grundbesitz ein. Man kann es nur rechtfertigen, einzugreifen, wenn ein erheblicher Bedarf besteht. Was ist denn passiert, seitdem wir das Gesetz in Hessen aufgehoben haben? Wir haben 2007/2008 eine Anfrage dazu gemacht. – Das nur zu Ihren Zahlen, damit Sie Ihrer Klientel darüber einmal die Wahrheit sagen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer ist denn meine Klientel?)

Viele sind es nicht, aber sagen Sie es wenigstens denen. – Zu der Zeit, als es in Hessen noch das Gesetz gegen Wohnraumzweckentfremdung gab, sind in Frankfurt ca. 80 bis 90 Wohnungen pro Jahr in Büroraum umgewandelt worden. Nach Ihrer Theorie hätte man ja denken können, dass, nachdem das Gesetz ausgelaufen ist, diese Zahlen explodiert sind. Wie viele waren es? Es waren 80 bis 90, also scheinbar genauso viel. Jetzt kommt es aber: Umgekehrt wurden 80 bis 90 Wohnungen von Büroraum in Wohnraum umgewandelt. Diese Zahl ist heute ungefähr genauso. Das heißt, es hebt sich jedes Jahr in etwa auf.

Da will ich Ihnen einmal klar sagen: Dann, wenn Wohnraum gebraucht wird, Wohnraum zu schaffen und notfalls auch Büroraum in Wohnraum umzuwandeln, benötigt eine Flexibilität im Markt. Wenn man das in der Praxis verwirklicht, dann ist das doch gut so, und das wollen wir auch in Zukunft so haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dann möchte ich Ihnen noch etwas zur Praxis sagen. Das haben wir Ihnen schon damals gesagt, und das steht auch in der Pressemitteilung. Das haben wir auch bei der Aufhebung des Gesetzes damals deutlich gemacht. Wenn Sie heute Wohnraum in Büroraum umwandeln wollen, müssen Sie prüfen, ob das der Markt überhaupt von den Mietpreisen hergibt. Kollege Lenders hat darauf hingewiesen und Sie, Frau Wissler, Gott sei Dank auch, dass wir 1,5 bis 2 Millionen m2 an leer stehendem Büroraum in Frankfurt haben.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Hier wäre man froh, wenn man das nutznießend für sich selbst und für die Mieter in Wohnraum umwandeln könnte. Das ist gar nicht so einfach.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben die umgekehrte Situation. Ihr Gesetzentwurf greift völlig ins Leere. Das brauchen wir nicht. Dann handelt es sich auch noch um einen Eingriff in Grundrechte.

Dazu will ich Ihnen auch noch sagen: Wenn tatsächlich umgewandelt wird, geht das ganz normal nach dem Baurecht. Sie müssen einen Bauantrag stellen, wenn Sie Wohnraum in Büroraum umwandeln wollen. Dafür müssen Sie alle Nachweise erbringen, die dafür notwendig sind. Das sind z. B. Stellplatznachweise. In den allermeisten Bereichen Frankfurts können Sie das gar nicht machen. Das ist völlig unwirtschaftlich. Deswegen sind die Zahlen auch so, wie ich sie genannt habe. Das findet einfach nicht statt, weil der Markt das wirtschaftlich nicht hergibt.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ein Spekulant wäre verrückt, wenn er das im Moment versuchen würde. Deswegen brauchen wir das Gesetz nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich ist es so: Als wir im Jahr 2004 die Verordnung aufgehoben haben, haben einige Bürgermeister – es waren ja nicht mehr viele Kommunen in der Verordnung drin, und es waren im Wesentlichen die Ballungszentren sowie noch einige mittelgroße Städte und Zentren – gesagt, dass sie es nie angewendet haben, aber dass sie es gern als Druckmittel im Markt behalten hätten.

Jetzt verstehe ich den Bürgermeister, der weiß: Wenn da einer kommt, dann kann ich ihm das Gesetz vorhalten, und dann ist das ganz gut. – Aber um es als Druckmittel im Markt zu behalten, schaffen wir keine Gesetze. Deswegen darf man auch nicht in Grundrechte eingreifen. In der Praxis – das habe ich Ihnen erläutert – ist es auch niemals notwendig gewesen.

Lassen Sie uns deswegen wirklich von einem solchen Gesetz Abstand nehmen. Die Bayern haben dieses Gesetz auch seit vielen Jahren. Sie überlegen eher, ob das sie das Gesetz noch brauchen. Es wird noch in zwei bis drei Regionen Bayerns angewendet, und zwar genau mit dem Argument, das ich auch genannt habe. Es fehlt einzig und allein einer, der verfassungsrechtlich dagegen klagt. Ich bin sehr sicher, dass die Grundrechte dort dann den größeren Ausschlag geben als der Minibedarf, der darüber hinausgeht.

Ich will Ihnen noch etwas sagen, worüber Sie bei RotGrün und den LINKEN einmal genauer nachdenken sollten. Nach dem alten Gesetz war es in der Praxis so, dass dann, wenn zu Hause im privaten Bereich Büroraum benötigt wurde, weil sich Freiberufler selbstständig gemacht haben oder weil gerade die Hausfrau oder der Hausmann zu Hause ein Büro einrichtet, oder weil die alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater ein Büro einrichtet, vom Bauamt Menschen vorbeigekommen sind, die mit dem Zollstock durch den Keller gelaufen sind und geguckt haben, ob das noch rechtens ist. Ein solches Gesetz braucht Hessen nicht. Wir wollen Freiheit und Flexibilität. Den meisten Wohnraum gibt es dann, wenn man den Menschen Freiheit gibt.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, in Hessen Wohnungen zu bauen, und wir brauchen keine Gängelung, sodass wir dann weniger haben. Deswegen ist es gut, dass dieses Gesetz abgeschafft wurde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Schaus für DIE LINKE das Wort.

Herr Milde, Sie haben davon gesprochen, dass wir diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, weil es um den OBWahlkampf geht. Das ist völlig falsch.

(Widerspruch bei der CDU)

Frau Wissler hat schon darauf hingewiesen, dass dem nicht so ist.

(Lachen und anhaltende Zurufe von der CDU)

Ich will Ihnen genau sagen, was der Grund war.

Ein kurzes Lachen habe ich zugelassen. Aber bitte nicht lange lachen.

Unsere Begründung ist – und das will ich Ihnen klipp und klar sagen –: Sie haben letztes Jahr im Ausschuss und auch im Plenum, nachdem Sie die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft haben, die zum 30.06. letzten Jahres ausgelaufen ist, erklärt, dass Sie als Landesregierung bzw. als Regierungskoalition ein Wohnraumförderungsgesetz vorlegen. Jetzt haben wir mehr als ein Jahr auf ein Wohnraumförderungsgesetz gewartet.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Nein, das stimmt nicht!)