Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Nein, das stimmt nicht!)

Doch, das stimmt. Darauf haben wir gewartet. Das war so. – Jetzt haben wir gesagt: Jetzt ist es genug, jetzt muss das Thema Wohnungsbau, weil sich die Situation immer weiter verschärft, auch hier angesprochen werden.

Ich nenne ein zweites Argument, Herr Milde. Wenn Sie von Eingriff in das Eigentum sprechen,

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ein Grundrecht auf Eigentum!)

dann will ich an dieser Stelle nur daran erinnern, dass in unserem Grundgesetz auch die Verpflichtung des Eigentums besteht. Insofern ist es sehr wohl zulässig, dass es bei zugegebenermaßen unterschiedlicher Betroffenheit der Städte – da gibt es wahrscheinlich in Frankfurt eine andere Situation als in einer kleinen Stadt in Nordhessen – aber möglich sein muss, auch verhältnismäßig in dieses Eigentum einzugreifen, wenn ein öffentliches und allgemeines Interesse vorliegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Milde, bitte schön.

Herr Schaus, vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, darauf noch einmal einzugehen. Erstens will ich Ihnen sagen: Da Frau Wissler gesprochen hat, die nicht für den Wohnungsbau zuständig ist, sondern da Sie für den Wohnungsbau zuständig sind,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

muss ich wirklich sagen: Klar, es kann sein, dass das weit hergeholt ist, dass Frau Wissler für sich hier Wahlkampf machen will. Es war wahrscheinlich reiner Zufall, dass Frau Wissler hier gesprochen hat.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Aber dann möchte ich Ihnen auch Folgendes sagen. Sie haben das Wohnraumförderungsgesetz angesprochen. Es ist richtig, wir werden dieses Wohnraumförderungsgesetz in den nächsten Wochen oder jedenfalls noch vor der Sommerpause in den parlamentarischen Geschäftsgang übergeben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): In den nächsten Wochen oder vor der Sommerpause?)

Ja, in jedem Fall in den nächsten Monaten. Möglicherweise im März oder im April. Aber es wird in jedem Fall noch vor der Sommerpause in den Geschäftsgang kommen. Dann ist das Jahr auch ungefähr vorbei. Das kann ich Ihnen sagen. Aber eines kann ich Ihnen heute schon versprechen, Herr Schaus: Dieser Bereich der Wohnraumzweckentfremdung wird in diesem Gesetzentwurf auf gar keinen Fall auftauchen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Siebel für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Fraktion, die den Gesetzentwurf eingebracht hat, durchaus einen weiten Bogen über die Wohnungspolitik in Hessen gespannt hat und dann diesen Gesetzentwurf, der sich insbesondere mit dem Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum befasst, eingebracht hat, will ich am Anfang auch ein paar Bemerkungen machen, die durchaus auch an das anschließen, was Herr Milde eben zum Ausdruck gebracht hat.

Wir haben uns hier im Parlament in einem einstimmig gefassten Beschluss darauf verständigt, dass wir die Hessische Landesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf zur Förderung von Wohnraum in Hessen vorzulegen. Wenn ich mich recht erinnere, sind in dem Beschluss auch ein paar Eckpunkte festgelegt, wohin die Reise gehen soll.

Ich glaube, dass wir, weil dort die wesentlichen Teile der Beseitigung der Probleme, die wir momentan unstrittig haben, niedergelegt sind, an dieser Grundidee festhalten sollten. Die Probleme, die wir haben, rühren im Wesentlichen daher, dass wir in den letzten Jahren eine Entwicklung haben, und zwar durchaus auch im Unterschied zu der Zeit, als wir noch die Verordnung zur Wohnraumzweckentfremdung auf der Basis des Bundesgesetzes in Hessen hatten, sodass sich die Situation der Notwendigkeit der Schaffung von Wohnraum verändert hat.

Das hat Frau Wissler unter anderem anhand der Tatsache ausgeführt, dass wir einen Bedarf an Neubau von Sozialwohnungen haben. Sie kennen die Untersuchungen des Instituts Wohnen und Umwelt, das für den gesamten Bereich in Hessen festgestellt hat, in welchen Jahren welche Wohnungen aus der Zweckbindung herausfallen. Ich glaube, es ist unstrittig, dass entweder die Wohnungen, die jetzt aus der Sozialbildung herausfallen, neu gebaut werden sollten oder dass die Sozialbindungen zurückgekauft werden sollten. Das ist ein fachlicher Streit, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Das ist eine Herausforderung, vor der wir alle stehen und die wir bewältigen müssen.

Außerdem stehen wir vor der Herausforderung, dass es durchaus unterschiedliche Entwicklungen in Nordhessen und in der Metropolregion gibt. Auch darauf müssen wir mit unseren wohnungsbaupolitischen Maßnahmen – den Förderprogrammen des Landes Hessen – entsprechend reagieren.

Ferner stehen wir vor der Herausforderung: Wie können wir vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Wohnraum schaffen, der auch den Bedürfnissen alter

Menschen entspricht? Momentan werden, ich glaube, 0,5 % der Wohnungen pro Jahr altengerecht umgebaut. Im Hinblick auf den angestrebten Endstand von 20 % altengerechten Wohnungen müssten eigentlich pro Jahr 2 bis 3 % umgebaut werden. Das sind die wirklichen Herausforderungen, vor denen wir bei der Lösung der Wohnraumfrage stehen.

Die Fraktion DIE LINKE hat sich jetzt eines Problems angenommen, des Verbots der Zweckentfremdung. Das ist in der Tat ein Problem. Ich gebe dem Kollegen Milde da recht: Im Vergleich zu den Erfahrungen, die wir im Jahr 2004 in diesem Bereich gemacht haben, handelt es sich hierbei in der Tat nur um einen kleinen Ausschnitt.

Ich kann nur über die Erfahrungen referieren, die in meiner Heimatstadt Darmstadt damit gemacht worden sind. Das weiß ich insbesondere deshalb so genau, weil ich damals in einem Viertel gewohnt habe, in dem der Versuch unternommen worden ist, Wohnungen in Büros, vor allem in Anwaltskanzleien, umzuwandeln. Das ist ein Gründerzeitviertel, in dem das Vorhandensein repräsentativer Büros durchaus angemessen ist. Es gab einen entsprechenden Druck von Anwälten und Ärzten, Wohnraum umzuwandeln. Damals ist an der einen oder anderen Stelle auch eine Umwandlung vorgenommen worden.

Es ist nicht einfach, so etwas zu verhindern. Das hat etwas mit dem Baurecht und durchaus auch etwas mit einem Eingriff in die Grundrechte zu tun. Im Einzelfall kam es in der Tat zu schwierigen Situationen. Aber dieser Vorgang hat dazu geführt, dass die vielfältige Wohnstruktur, die auch durch das Vorhandensein von gemischtem Gewerbe gekennzeichnet ist, im Kern erhalten blieb. Deshalb glaube ich, dass der Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE, dass dies auch etwas mit Stadtentwicklungsaspekten zu tun hat, richtig ist.

Andere Teile der Begründung sind, glaube ich, eher als problematisch anzusehen. Ob das Verbot der Wohnraumzweckentfremdung ein probates Mittel ist, um Spekulanten das Handwerk zu legen, weiß ich nicht. Das betrifft auch den Sprachduktus. Ich glaube, dem Kapitalismus wird durch diesen Gesetzentwurf nicht das Rückgrat gebrochen. Meiner Ansicht nach wird in dem Gesetzentwurf ein bisschen der Eindruck geweckt, als ob das so wäre.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ich denke, es ist sinnvoll, zu diesem Gesetzentwurf eine ordentliche Anhörung durchzuführen. Es sind ein paar Argumente genannt worden; unter anderem ist auf die Wirkung hingewiesen worden. Das muss analysiert werden, auch vor dem Hintergrund dessen, was in den Kommunen dazu gesagt wird.

Ich halte es für richtig – das entspricht auch dem Verfahren auf der Grundlage bundesgesetzlicher Regelungen –, dass in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, dies über eine Satzung in den Kommunen zu regeln. Dann können nämlich die Kommunen im Einzelfall darüber entscheiden, welche Bereiche davon betroffen sind. In dem Fall handelt es sich um ein Stadtentwicklungsinstrument und nicht um ein Regelungsinstrument. Das ist richtig. Deshalb müssen auch die Vertreter der Kommunen etwas zu dem Gesetzentwurf sagen.

Ich bin sehr gespannt auf die Beantwortung der Frage, inwieweit dort Ausgleichszahlungen zu leisten sind. In dem Gesetzentwurf wird auf die Vergleichsmieten Bezug genommen, aber nicht auf die Kommunen, die Mietspiegel

haben. Ich würde es für richtig halten, wenn sich in den Kommunen, die Mietspiegel haben, die Ausgleichszahlungen daran orientierten.

Insofern glaube ich, dass es lohnend ist, zu diesem Gesetzentwurf eine Anhörung durchzuführen, ihn bewerten zu lassen und sich dann anzuschauen, was man davon umsetzen kann. Aber – ich will das noch einmal sagen – der Kern dessen, was wir im Hinblick auf die Schaffung von Wohnraum zu regeln haben, muss im Rahmen eines hessischen Gesetzes zur Förderung des Wohnraums realisiert werden. Darauf warten wir; darauf sind wir sehr gespannt. Ich hoffe, dass wir damit die eigentlichen Probleme, die wir zu bewältigen haben, lösen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Dieser Gesetzentwurf reiht sich in die Vielzahl von wohnungspolitischen Initiativen ein, die die Opposition in diesem Landtag bereits ergriffen hat. Das macht einmal mehr deutlich, dass die Landesregierung ein ständig größer werdendes Problem, nämlich den wachsenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum im Ballungsgebiet, mit Schulterzucken quittiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Milde, ich finde, deshalb sollten gerade Sie ein wenig kleinere Brötchen backen, wenn Sie Initiativen der Opposition bewerten. Begrifflichkeiten wie „der bereits genannte Gesetzentwurf aus der sozialistischen Asservatenkammer“ verbieten sich meines Erachtens, wenn man selbst nichts hinbekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein bisschen weniger Schaum vor dem Mund würde Schwarz-Gelb nicht nur, aber besonders in der Wohnungspolitik guttun.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wo ist eigentlich der Ministerpräsident?)

Herr Minister Posch, auch ich kann Ihnen die Frage nicht ersparen, wann Ihr mit großem Getöse angekündigtes Wohnraumförderungsgesetz endlich kommt. Wo ist der Ersatz für die Fehlbelegungsabgabe, den Sie uns seit dem Sommer versprochen haben? Es liegt immer noch nichts vor. Was die Einlassung des Kollegen Milde betrifft, muss ich sagen: Ich bin nicht sicher, ob er die Sommerpause 2012, die Sommerpause 2013, die Sommerpause 2014 oder einen noch späteren Zeitpunkt gemeint hat, als er gesagt hat, es werde vor der Sommerpause kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie wenigstens heute ein paar Sekunden Ihrer wertvollen Redezeit nutzen würden, um diese Frage endlich zu beantworten. Dann schichten wir einmal ein bisschen ab und nehmen noch mehr Schaum heraus.

Aufgrund des Eindrucks, den die gestrige Debatte über die Nassauische Heimstätte hinterlassen hat, muss ich leider ein bisschen daran zweifeln, dass es in diesem Haus überhaupt ein grundsätzliches Einvernehmen darüber gibt, dass der hessische Wohnungsmarkt einen ordnungspolitischen Rahmen braucht. Wenn ich an die Beiträge der beiden Kollegen Caspar und Lenders in der gestrigen Debatte zurückdenke, muss ich sagen: Es ist wichtig, dass dieser Grundkonsens hier festgestellt wird.

Was will man mit diesem Gesetzentwurf in der Substanz? Alles, was man will, ist, die Kommunen zu ermächtigen – nicht zu verpflichten –, gegen Wohnungsleerstand und gegen die Umwandlung von Wohnraum in Büroraum vorzugehen. Das ist übrigens exakt die gleiche Haltung wie die – das hat Kollege Milde auch eingeräumt –, die Ihre Parteifreunde, nämlich Hildebrand Diehl, der damalige Oberbürgermeister von Wiesbaden, und Petra Roth, die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, im Jahr 2004 eingenommen haben, als Sie gegen deren erklärten Willen das Zweckentfremdungsverbot aufgehoben haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute soll exakt die gleiche Position Sozialismus sein? Ich bitte Sie, das ist doch lächerlich.

Der Wohnungs- und Immobilienmarkt erfordert unsere Aufmerksamkeit auch deshalb in besonderem Maße, weil das Bauland nicht beliebig vermehrbar ist. Hessen ist ein Bundesland mit hoher Bevölkerungsdichte, und der Bevölkerungsdruck verschärft sich, weil sich die Menschen und die Arbeitsplätze stetig zunehmend im Rhein-MainBallungsraum konzentrieren.

Diese Flächen- und Nutzungskonkurrenz führt zwangsläufig zu steigenden Mieten. Ohne staatlichen Eingriff könnten es sich bald nur noch Wohlhabende leisten, in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in Frankfurt oder in Wiesbaden zu wohnen.

Wir wollen das nicht. Deshalb sind für uns solche Eingriffe dort, wo sie notwendig sind, ein Teil des ordnungspolitischen Rahmens und damit auch ein Teil der sozialen Marktwirtschaft.