Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Sie müssen sich beeilen, etwas Entsprechendes vorzulegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Wirtschaftsminister Posch.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will ein paar Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf machen und insbesondere auf den Sachverhalt hinweisen, dass ab 2014 eine schrittweise Reduzierung in Aussicht gestellt worden ist und das Auslaufen im Jahr 2019 feststeht. Insoweit will ich auch auf die Verantwortlichkeit hinweisen.

Das ist das Ergebnis der Föderalismusreform. Verehrter Herr Kollege Frankenberger, Sie können sich nicht aus der gemeinsamen Verantwortung für die Föderalismusreform verabschieden, indem Sie ausschließlich auf die Verantwortung auf Landesebene hinweisen, dies entsprechend zu kompensieren. Das war das Ergebnis der Föderalismusreform.

In der Zielsetzung sind wir uns einig, das nach 2014 so zu gestalten, dass unsere Verkehrsinfrastruktur darunter nicht leidet. Dies ist meine allgemeine Bemerkung. Darüber werden wir in Zukunft noch häufig diskutieren müssen.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, man muss klipp und klar sagen: Das, was Sie vorschlagen, kostet die Kommunen 20 Millionen €. Das ist das Ergebnis der von Ihnen vorgeschlagenen Quotierung, und dabei werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der FDP)

Das gibt mir Anlass, eine allgemeine Bemerkung zu machen. Von Ihnen brauchen wir keine Nachhilfe in Sachen Verkehrsfinanzierung. Wer die Verkehrsfinanzierung seinerzeit auf 39 Millionen € zurückgefahren hat, der hat damals die Grundlage dafür geschaffen, dass wir heute in erster Linie erhalten müssen und nicht neu bauen können. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Müller, Sie weisen darauf hin, dass zunächst die Erhaltung notwendig ist. Wenn Sie die Mittel damals nicht so zurückgefahren hätten, dann müssten wir heute nicht diesen Erhaltungsaufwand betreiben. Dann könnten wir den Kommunen viel mehr Geld geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, den ich ansprechen möchte. Wenn wir an diese Frage herangehen, dann müssen wir auch die anderen Fragen berücksichtigen; denn es geht auch um Wohnraumförderung, Hochschulbau und Bildungsplanung. Es macht keinen Sinn, ausschließlich diesen einen Bereich herauszugreifen.

Ich will das noch einmal wiederholen, weil das immer wieder geleugnet wird. Auf der einen Seite fordern Sie die Stärkung des ÖPNV im ländlichen Raum. Auf der anderen Seite unternehmen Sie nichts, damit der ÖPNV im ländlichen Raum stattfinden kann. Aber ohne eine ver

nünftige Verkehrsinfrastruktur findet ÖPNV in drei Viertel der Fläche Hessens überhaupt nicht statt. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Kommunen das nicht wegnehmen und schon gar nicht neue Subventionstatbestände einführen, indem wir den Ankauf von Fahrzeugen fördern. Das ist ein Anachronismus. Wir haben gezeigt, dass das nicht notwendig ist.

Die Landesregierung wird, wie zugesagt, rechtzeitig die Weichen stellen, um die kommunale Infrastruktur in der Weise zu fördern, wie wir es politisch und haushaltsmäßig für verantwortlich halten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist die Aussprache beendet. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in zweiter Lesung inklusive der Abstimmung über den Änderungsantrag.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/5188, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, dass der Änderungsantrag bei Zustimmung von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD und der Fraktion DIE LINKE gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt worden ist.

Wir stimmen über den Gesetzentwurf in zweiter Lesung ab. Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf bei Zustimmung durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung der SPD und Ablehnung durch die Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

a) Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Neuregelung des Wohnens mit Pflege und Betreuung in Hessen – Drucks. 18/5180 zu Drucks. 18/2512 –

b) Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Hessisches Betreuungs- und Pflegegesetz (HBPG) – Drucks. 18/5181 zu Drucks. 18/ 3763 –

hierzu: Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP – Drucks. 18/5201 –

Berichterstatter zu beiden Gesetzentwürfen ist der Abg. Tipi. Er hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Stimmen der Fraktion DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Herr Präsident, ich darf zum zweiten Gesetzentwurf berichten: Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD,

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP, Drucks. 18/5141, in zweiter Lesung anzunehmen. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Ich eröffne die Aussprache bei einer Redezeit von 7,5 Minuten. Das Wort hat Frau Abg. Müller (Schwalmstadt), SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor nunmehr eineinhalb Jahren hat meine Fraktion einen Entwurf für ein Wohn- und Pflegeeinrichtungsgesetz in den Hessischen Landtag eingebracht. Diese Initiative war nötig, da das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform I in die Zuständigkeit der Länder übergegangen ist. Mit unserem Entwurf vollziehen wir aber keineswegs nur das Bundesgesetz nach. Vielmehr haben wir die Gelegenheit genutzt, ein Reformgesetz vorzulegen, das neue Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Pflegebereich aufnimmt und die Achtung der Würde pflegebedürftiger Menschen in den Mittelpunkt stellt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir orientieren uns mit unserem Gesetz an der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen und dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Es dauerte Monate, bis sich die Regierungsfraktionen in der Lage sahen, einen eigenen Entwurf vorzulegen. Dieser war dann allerdings mit heißer Nadel gestrickt und musste in vielen Punkten geändert werden. Die Koalition musste einen umfangreichen Änderungsantrag folgen lassen, um zu versuchen, wenigstens die gröbsten Schwachstellen ihrer Vorlage nachzubessern.

Nach mehrmaligem Verschieben der Ausschussberatung zu Ihrem Gesetzentwurf haben Sie den letzten Änderungsantrag vor nicht einmal vier Wochen eingebracht. Meine Fraktion und ich finden, dass ein solch unmotiviertes Verfahren der Bedeutung des Themas Pflege nicht gerecht wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Vizepräsident Lo- thar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Pflegebedürftige Menschen, Seniorinnen und Senioren erwarten zu Recht, dass das Thema Pflege mit Weitsicht und Sorgfalt bearbeitet wird. Die Anhörung des Sozialpolitischen Ausschusses hat unseres Erachtens eindeutig gezeigt, dass die Expertinnen und Experten dem Entwurf der SPD-Fraktion den Vorzug gaben. Dies wird mit dem Blick auf einige wesentliche Regelungen der Gesetzentwürfe verständlich.

Die SPD differenziert die verschiedenen Wohn- und Einrichtungsformen entlang des Leistungsangebots, das sie zur Verfügung stellen. Wir sehen Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot vor, also die klassischen Senioren- und Pflegeheime, welche mit eingeschränktem Leistungsangebot, z. B. Wohngruppen und Seniorenresidenzen, und neue Wohnformen wie selbst organisierte Wohngemeinschaften.

Mit dieser Einteilung bilden wir die Vielschichtigkeit der Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen ab und ermög

lichen abgestufte und passgenaue Regelungen für die verschiedenen Wohn- und Einrichtungsformen. Die, meine Damen und Herren, werden in Zukunft immer wichtiger.

Eine solche Differenzierung anhand des Leistungsangebots fehlt im Entwurf der CDU und der FDP. Dafür bezieht er den gesamten Bereich der ambulanten Pflege ein. Das halten wir für problematisch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die mangelnde Differenzierung könnte in der Praxis dazu führen, dass besonders Initiativen für neue Wohnformen eher behindert als unterstützt werden. Die im Koalitionsentwurf vorgesehene Möglichkeit der Befreiung von gesetzlichen Vorschriften ist statt einer Hilfe ein weiteres bürokratisches Hemmnis. Die Einbeziehung des ambulanten Bereiches wiederum deutet auf ein antiquiertes Verständnis von pflegebedürftigen Menschen und deren Selbstbestimmung hin.

(Beifall bei der SPD)

Die Koalitionsfraktionen greifen mit dieser Regelung in einen Bereich ein, der der Wahlfreiheit der betroffenen Menschen vorbehalten sein sollte. Für die SPD ist klar, dass wir diejenigen, die ihre Pflegeleistungen ambulant selbst wählen können, mit Informationen und Beratung unterstützen. Wir wollen den ambulanten Bereich aber nicht mit bürokratischen und zu weit gefassten Regelungen überziehen.

(Beifall bei der SPD)

Auch das behindert am Ende die Weiterentwicklung moderner und frei gewählter Pflege- und Betreuungsformen – eine Einschätzung, die von vielen Fachleuten geteilt wird.

Selbstverständlich müssen in einem verantwortlichen Gesetzgebungsprozess der Wunsch nach Selbstbestimmung und der Schutz von Menschen, die von Hilfe abhängig sind, miteinander verzahnt werden. Der Koalitionsentwurf verfällt bei diesem Vermittlungsversuch leider allzu oft in nicht sachgerechte Bevormundung. Warum z. B. sehen Sie vor, dass ambulante Pflegedienste es anzuzeigen haben, sobald sie in einer Wohnung mehr als zwei pflegebedürftige Menschen versorgen? Warum sollte dies der Pflegedienst tun müssen?

Die Regelung entmündigt diejenigen, die in freier Wahl ihre Pflegeleistungen selbst bestimmen, sie nötigt einen Dienstleister, Informationen über seine Kunden preiszugeben, und dient mitnichten einer auf Vertrauen und Transparenz begründeten Pflege. Zudem wird die Regelung der Wirklichkeit nicht gerecht. Was ist, wenn die Dienste wechseln? Was, wenn mehr als zwei pflegebedürftige Personen zusammen wohnen, diese aber unterschiedliche ambulante Dienste beauftragt haben?

Diese Leerstellen und offenen Fragen im CDU/FDP-Entwurf zeigen eines: Es wird immer noch von der stationären Einrichtung aus gedacht. Die Erfordernisse neuer Wohnformen und die konsequente Förderung der Selbstbestimmung scheinen hier noch nicht angekommen zu sein.

Die SPD-Fraktion hat aus den genannten Gründen ganz bewusst darauf verzichtet, den ambulanten Bereich mit regeln zu wollen. Was neue Wohnformen anbetrifft, so setzen wir auf Ermöglichung und Unterstützung. Wenn sich etwa Seniorinnen und Senioren zusammentun, um gemeinsam zu leben und auch ihre Pflege zu organisieren, so sieht unser Gesetzentwurf spezielle umfangreiche Bera

tungsangebote vor. Wir kommen damit dem Informationsbedürfnis von immer mehr älteren Menschen nach solchen Wohnformen nach. Diese werden in Zukunft, wie ich es eben erwähnt habe, immer wichtiger und größere Bedeutung erlangen.