Protokoll der Sitzung vom 03.04.2014

In der Europäischen Union diskutieren wir zurzeit sehr intensiv – und ich glaube, inzwischen wurde es auch beschlossen – eine europäische Datenschutzgrundverordnung. Es geht darum, den Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger ordentlich zu organisieren und die Datenschutzniveaus anzugleichen. In Deutschland haben wir ein relativ hohes Niveau. Zur gleichen Zeit aber späht der englische Geheimdienst, also ein Mitglied dieser Europäischen Union, die Bürgerinnen und Bürger in Europa aus. Meine Damen und Herren, das geht überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, man kann schon fast sagen, wegen anderen Dingen gibt es Vertragsverletzungsverfahren in der Europäischen Union. Wegen mancherlei, das nicht richtig läuft, zieht man vor den Europäischen Gerichtshof. Ich würde mir einmal wünschen, dass in solchen Fällen einmal ein Vertragsverletzungsverfahren in Gang gesetzt wird oder dass deswegen der Europäische Gerichtshof angerufen wird. Es geht nicht, dass ein Mitglied der Europäischen Union – und das ist England – mit seinen Geheimdiensten europäische Bürgerinnen und Bürger ausspäht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten von CDU und SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wenn man darüber redet, dann hat das nichts damit zu tun, dass man die Terrorgefahr erhöht. Herr Clemens Binninger sagt das heute im „FAZ“-Interview sehr deutlich. Er sagt: „Ich halte einen solchen uferlosen Ansatz … für falsch“ – nämlich das Sammeln von allen möglichen Daten. In Bezug auf Terroranschläge in Amerika sagt er:

Es waren Informationen da, aber sie wurden falsch bewertet, nicht weitergegeben, übersehen oder nicht zusammengeführt. Diese Schwachstellen schließt man nicht,

jetzt gut zuhören –,

indem man die Datenmenge vergrößert.

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zu Schluss.

Wir müssen mit unseren persönlichen Daten besser umgehen. In Deutschland haben wir ein hohes Datenschutzniveau, aber die Verbündeten müssen sich auch an Recht und Gesetz, an unsere Grundrechte und Werte halten. Das verlangen wir von Verbündeten und Freunden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der CDU und der SPD sowie der Abg. Janine Wissler und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Hahn, FDPFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vor der Klammer zu sagen: Die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag begrüßt, dass es die europäische Zentrale des Militärs der Vereinigten Staaten künftig in Wiesbaden gibt. Das ist für uns überhaupt kein Problem, sondern ein Standortvorteil. Darauf hat auch der Kollege Heinz schon hingewiesen. Das wollte ich noch einmal vor der Klammer sagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Liberale und auch ich als ehemaliger hessischer Justizminister haben von Anbeginn an die Intransparenz und die Verschleierung in den Vereinigten Staaten angegriffen und aufgezeigt. Im Juli des vergangenen Jahres habe ich im Namen der Hessischen Landesregierung in einem sehr ausführlichen Schreiben den Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Frankfurt am Main gebeten, Auskunft über die Fragen zu geben, die uns zu einem Großteil noch heute interessieren, nämlich: Sind entsprechende Maßnahmen von hessischem Boden aus durchgeführt worden, und wenn ja, wo?

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, leider haben wir darauf keine präzise Antwort bekommen. Auch die Verhaltensweise der amerikanischen Regierung in den letzten Wochen macht deutlich, dass man weiterhin in einem Prozess der Intransparenz und Verschleierung versucht, von solchen Informationen Abstand zu nehmen und sie nicht in die Öffentlichkeit zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Liberale halten das für falsch.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberale fordern ausdrücklich die Hessische Landesregierung auf, den im vergangenen Jahr begonnenen Prozess mit großem Engagement fortzusetzen und vielleicht wieder aufleben zu lassen.

Wir haben – und darauf sind wir Liberale stolz – ein sehr gutes Verhältnis mit den Amerikanern im Rhein-Main-Gebiet und in Hessen und mit dem Generalkonsul. Auf der anderen Seite bedeutet dieses gute Verhältnis natürlich auch Lieferverpflichtungen. Es muss einmal geliefert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn diese Daten von hessischem Boden aus aufgenommen worden sind, dann sollte das auch deutlich gesagt werden.

Der Untersuchungsausschuss, der am gestrigen Tag in Berlin seine Arbeit aufgenommen hat, hat eine schwere, eine besondere Aufgabe. Obwohl ich seit 25 Jahren in Untersuchungsausschüssen erprobt bin, kann ich mir nicht recht vorstellen, wie man das mit einem ausländischen Geheimdienst – oder vielleicht sogar mit mindestens zweien – organisieren will. Aber ich wünsche den Kollegen in Berlin alles Gute, denn klar muss immer sein: Intransparenz und Verschleierung ist keine Maßnahme zwischen Verbündeten,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

zwischen Verbündeten der Europäischen Union und Verbündeten der NATO. Als ein vielleicht winziges kleines Zeichen des kleinen Fingers sehen wir, dass nun angeboten worden ist, hier in Wiesbaden im Headquarter die Stelle des Chefs des Stabes – immerhin die zweitwichtigste Persönlichkeit, wenn man die militärischen Strukturen kennt – mit einem Deutschen zu besetzen. Vielleicht ist das der Ausweg für Helden, wie der Ministerpräsident das manchmal so gerne sagt, um doch aus der bisherigen Intransparenz und Verschleierung herauszukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, enttäuscht sind wir von der Bundesregierung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer nicht?)

Die Bundesregierung tut erkennbar auf diesem Feld eigentlich nichts.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt fange ich einmal bei den Dingen an, die innenpolitisch gelöst werden müssen. Kaum an der Regierung wollen die Schwarzen und die Roten die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das nicht auch eine Bedrohung der Bürgerrechte?

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Hat das Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich festgeschrieben, dass das eine Bedrohung der Bürgerrechte

ist? Wieso machen das denn die Sozialdemokraten und die Christdemokraten? Lieber Herr Kollege Beuth, manchmal habe ich den Eindruck, es gibt da einen Wettlauf der Innenminister der Länder, an dem sich die Schwarzen und die Roten beteiligen. Als Ingo Wolf Innenminister war, hat er schon versucht, diesen Wettlauf zu bremsen.

Zweite Bemerkung. Wieso wird eigentlich beim Thema Tempora, Großbritannien, Vertragsverletzungsverfahren nur geredet und nichts getan? Am 03.07. des vergangenen Jahres haben wir, die Liberalen, habe ich in einem „FR“Artikel deutlich darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, dass Freunde innerhalb der Europäischen Union und der NATO – wir sind doppelt befreundet und doppelt vertraglich mit dem Vereinigten Königreich verbunden – in Deutschland abhören.

(Beifall bei der FDP)

Dafür gibt es Regelwerke, das sogenannte Vertragsverletzungsverfahren. Erstmals wurde das am 3. Juli öffentlich gefordert – bis heute wird nichts getan.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine letzte Bemerkung – ich sehe, die Uhr läuft gerade ab. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass es eine Weltdatenschutzkonferenz gibt. Der Datenschutz ist, genauso wie der Klimaschutz, nur weltweit zu organisieren. Also bitte in die Puschen – diejenigen, die regieren, sind jetzt in der Verantwortung. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Staatsminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich für die Hessische Landesregierung feststellen: Freunde und Verbündete bespitzeln sich nicht gegenseitig.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Daher verurteilen wir die im Sommer bekannt gewordenen Aktivitäten gegen Bürgerinnen und Bürger oder gar gegen Regierungsmitglieder. Von unseren Freunden und Verbündeten erwarten wir in diesem Zusammenhang eine nahtlose Aufklärung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Hessische Landesregierung will ich aber auch feststellen: Frau Kollegin Wissler, Ihre Auffassung, die Abschaffung der Geheimdienste sei ein Beitrag zur Demokratisierung unserer Gesellschaft, teilen wir nicht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Schade eigentlich!)

Auch Geheimdienste sichern unsere Freiheit und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das möchte ich hier einmal feststellen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Insbesondere bei Ihnen, Frau Kollegin Wissler, ist der latente Antiamerikanismus deutlich geworden,

(Lachen und Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Hören Sie einmal dem Kollegen Frömmrich zu!)

dem zumindest ich nichts abgewinnen kann.

Meine Damen und Herren, mit großem Interesse habe ich den Antragstext für die Aktuelle Stunde gelesen, der beginnt mit: „Bürgerproteste unterstützen“. Man braucht Bürgerproteste nicht an jeder Stelle zu unterstützen, aber das, was unsere Gesellschaft ausmacht, ist, dass bei uns Bürgerproteste möglich sind. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)