Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Das von der FDP favorisierte Modell ist ein einmaliger Freibetrag von 500.000 € pro natürliche Person für den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum. Das hört sich im ersten Moment ganz interessant an. Jedoch wird die Administration dieser Regelung nicht ganz einfach, weil man herausfinden muss, ob die jeweilige Person in ihrem gesamten Leben deutschlandweit schon einmal eine Immobilie erworben hat und ob diese Immobilie dann auch zu Wohnzwecken selbst genutzt wird.

Besonders zielgenau ist dieses Modell zudem ebenfalls nicht. Denn ein genereller Freibetrag für den Ersterwerb einer Immobilie – so wie von Ihnen gefordert – würde nicht nur jungen Familien zugutekommen. Er würde auch all

denjenigen zugutekommen, die zum ersten Mal ein Eigenheim kaufen wollen – und zwar alters- und bedarfsunabhängig, also auch dem Millionär, für den die Steuer überhaupt keine Erwerbshürde darstellt.

Jedoch habe ich auch gerade im Sinne der Generationengerechtigkeit und einer damit einhergehenden konsequenten Haushaltskonsolidierung die Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass die Einführung eines solchen Freibetrags in Hessen Mindereinnahmen von ca. 400 bis 500 Millionen € zur Folge hätte. Nach dem von Ihrer Partei geforderten Freibetragsmodell würden sich ausweislich der von Ihnen angeführten Gutachten Steuerausfälle von etwa 41 % ergeben. Ich denke, auf diese Einnahmen kann das Land nicht einfach ohne Weiteres verzichten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch ein weiteres Problem treibt mich um. Der Preis für ein Eigenheim oder Grundstück wird bekanntlich in erster Linie von Angebot und Nachfrage bestimmt. Gerade im Ballungsraum gibt es ein begrenztes Angebot, aber auch eine sehr große Nachfrage. Entsprechend hoch sind die Preise für Immobilien. Dort ist es in der Tat für Normalverdiener nicht ganz einfach, sich ein Eigenheim zu leisten. Das Gutachten geht jedoch davon aus, dass bei Einführung eines Freibetrags – also sicherlich auch in unserem Rhein-Main-Gebiet – die Wohnimmobilienpreise steigen würden, da die Verkäufer den Steuervorteil schlichtweg einpreisen könnten. Es besteht also die Gefahr, dass wir erhebliche Steuerausfälle zu verzeichnen haben, sich aber gerade für diejenigen, denen wir damit helfen wollen, also die jungen Familien mit begrenztem Budget, unter dem Strich nicht viel ändert.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns als CDU-Fraktion gibt es bei der Erhebung der Grunderwerbsteuer noch ein ganz anderes Problem, das von unserem Finanzminister, Dr. Thomas Schäfer, bereits auf der Finanzministerkonferenz vorgebracht wurde. Es geht dabei um die großen Immobiliengeschäfte, die sogenannten Share Deals, bei denen mit Tricksereien die Steuer am Fiskus vorbeigeschummelt wird.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

Auf Initiative unseres Finanzministers soll hier Abhilfe geschaffen werden. Die Gestaltungsmodelle sollen geprüft und die Steuertricksereien müssen verhindert werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut!)

Man geht hier von einem Steuerausfall von ca. 1 Milliarde € im Jahr aus durch die vielen großen Immobilientransaktionen, die am Staat vorbei vollzogen werden. Aus unserer Sicht ist hier eine konsequente Besteuerung aller Grundstücksübertragungen nicht nur gerecht, sondern sie würde jede Menge Steuereinnahmen bringen. Diesen finanziellen Spielraum könnte man dann nutzen, um beispielsweise die Grunderwerbsteuer wieder insgesamt zu senken oder gezielt die Förderung von jungen Familien beim Eigenheimerwerb vorzunehmen. Das ist für uns der bessere Weg. Wir möchten aber gerne noch einmal mit Ihnen darüber diskutieren und hoffen auf konstruktive Beratungen im Ausschuss. – Danke.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollegin Arnoldt. – Das Wort hat Abg. Kummer, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinem Vortrag zunächst einmal an den Antragsteller wenden und mit einer Aussage an die FDP beginnen: Plagiatsvorwürfe – sie wiegen schwer. – Sie können jetzt ein Schild hochheben mit der Aufschrift: Das ist Ironie. – Oder aber auch: Gehen der Hessen-FDP die Ideen aus? Wie ist es anders zu erklären, dass Sie einen Musterantrag Ihres Parteivorsitzenden aus dem Hans-DietrichGenscher-Haus heute hier eingebracht haben?

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Den die Generalsekretärin vorbereitet hat!)

Wir müssen den Antrag, der möglicherweise auch noch in 15 anderen Parlamenten beraten werden muss, heute hier beraten.

(Florian Rentsch (FDP): Das gibt es ja gar nicht!)

Nun zum Antrag selbst. – Sehr geehrter Herr Dr. Hahn, in Punkt 1 Ihres Antrags versuchen Sie,

(Unruhe bei der FDP – Glockenzeichen des Präsi- denten)

einen Zusammenhang zwischen der Wohnungseigentumsquote einerseits und der Höhe der Grunderwerbsteuer andererseits darzustellen. Meine Damen und Herren, das ist unzulässig. Das ist zudem falsch. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Einen solchen Zusammenhang gibt es nicht.

Lieber Herr Kollege Hahn, zu Punkt 2 Ihres Antrags. Da der Hessische Landtag die Höhe der hessischen Steuer, nämlich der Grunderwerbsteuer, selbst beschlossen hat, ergibt es aus meiner Sicht keinen Sinn, hier zu beschließen – das schlagen Sie uns vor –, dass festgestellt wird, dass die Steuer in Hessen 6 % betrage. Das wissen wir. Dass haben wir schlichtweg hier im Landtag miteinander beschlossen. Das brauchen wir also nicht noch einmal festzustellen. Ich finde, es ist ziemlich sinnentleert, Tatsachen zu beschließen.

Nun zu Ihrer Statistik: Fast die Hälfte aller Bundesländer – es sind in der Tat sieben – erhebt eine 6-prozentige oder sogar eine höhere Grunderwerbsteuer.

Zu Punkt 3 Ihres Antrags. Meine Frage an die FDP: Worauf gründet sich Ihre Behauptung, dass selbst genutztes Wohneigentum vor Altersarmut schützt?

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sagt sogar der Willi!)

Wenn man bedenkt, dass auch selbst genutztes Wohneigentum unterhalten werden muss und dort Energiekosten anfallen, und wenn man das alles einmal zusammenrechnet, dann kommt man möglicherweise zu dem Ergebnis, dass das kein großer Unterschied zu einer Miete ist, die ansonsten anfallen würde.

Ich habe aber eine bessere Idee, wie man gegen Altersarmut vorgehen kann, und zwar nicht durch eine Senkung des Grunderwerbsteuersatzes, sondern durch höhere Löhne und Gehälter,

(Beifall bei der SPD)

durch daraus resultierende höhere Renten und durch ein höheres Rentenniveau insgesamt, das sich daraus ergeben würde.

(Michael Boddenberg (CDU): Dazu bitte einen konkreten Vorschlag! Wie machen wir das?)

Kolleginnen und Kollegen, zu Punkt 3. Wo ist denn der Beweis für die Behauptung, dass durch diese 6-prozentige Steuer die Kosten so steigen, dass es jungen Familien schwerfällt, in die eigenen vier Wände zu ziehen? Wo ist der Beweis für diese Behauptung?

Sinnvoller wäre es, dass wir uns nicht mit den 6 % auseinandersetzen, sondern mit den 100 % der Kosten, die für Wohneigentum zugrunde gelegt werden müssen. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir bei den 100 % kostendämpfend wirken könnten.

Ihre Erkenntnis – das haben Sie selbst gesagt – resultiert aus einem Auftragsgutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft. Insoweit verwundert mich das Ergebnis dieses Auftragsgutachtens nicht. Sie schlagen einen Freibetrag von 500.000 € vor. Da stellt sich für mich die Frage nach dem dahinter stehenden Menschenbild. Welche jungen Menschen, welche jungen Familien denken darüber nach, in einer Größenordnung von 500.000 € eine Immobilie zu erwerben?

(Florian Rentsch (FDP): Bis zu 500.000 €!)

Was ist mit Ehegatten? Wird der Freibetrag zweimal gewährt? Was ist mit Grundstücksgemeinschaften, Herr Dr. Hahn?

Die Kollegin hat die Frage vorhin schon beantwortet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bei Steuergesetzänderungen kann ich es partout nicht leiden, wenn derjenige, der das beantragt, noch nicht einmal eine Berechnung vorlegt, welche steuerlichen Auswirkungen das hat.

(Beifall bei der SPD)

Welche Steuermindereinnahmen auf das Land Hessen zukommen, hat Frau Arnoldt ausgerechnet. Ich hätte dies vom Antragsteller erwartet.

Im Übrigen hat die von der FDP geforderte Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Hotelübernachtungen gezeigt, dass die Zimmer in den Hotels dadurch nicht günstiger geworden sind. Dies wäre auch bei der Grunderwerbsteuer der Fall. Das hat Ihnen Frau Arnoldt in ihren Ausführungen bestätigt.

(Michael Boddenberg (CDU): Das war ein Mittelstandsförderprogramm!)

Wir müssen andere Wege gehen, um junge Menschen, junge Familien direkt zu fördern, und zwar durch unbefristete Arbeitsverhältnisse,

(Beifall bei der SPD)

durch sichere Arbeitsplätze, durch kostenfreie Bildung bereits in der Krippe und in der Kita, durch ein auskömmliches Einkommen, durch eine Gleichstellung von Frauen und Männern sowie durch bezahlbaren Baugrund. Wir

müssen die Städte und Gemeinden in die Lage versetzen, eine Bodenbevorratungspolitik zu machen, die es ermöglicht, jungen Menschen und jungen Familien kostengünstig Baugrund zur Verfügung zu stellen. Das wäre der bessere Weg hin zur Generationengerechtigkeit und zur Förderung des Wohnungsbaus bei jungen Menschen und bei jungen Familien.

Aus alldem ergibt sich das gleiche Ergebnis, das bereits Frau Kollegin Arnoldt vorgetragen hat: Der Antrag muss abgelehnt werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Kummer. – Das Wort hat Frau Abg. Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den Zwischenruf von Herrn Kollegen Rentsch haben wir erfahren, dass dies ein Musterantrag ist, den die FDP im gesamten Bundesgebiet stellen wird.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber in Hessen verfasst!)

Das ist auch gut. – Es ist aber auch kein Verbrechen, solche Musteranträge zu stellen. Das machen wir schließlich alle. Daher sollten wir uns das auch nicht gegenseitig vorwerfen.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber wir haben die besten Muster!)