Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Die Opposition fragt: Wann reagiert die Landesregierung? – Wir haben bereits reagiert, und wir reagieren, meine Damen und Herren,

(Zuruf von der SPD: Nicht ausreichend!)

auf die gestiegenen Herausforderungen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Klassengrößen an den Grundschulen wurden vor wenigen Jahren von 28 auf 25 gesenkt, wir haben an den Schulen eine 105-prozentige Lehrerversorgung im Landesdurchschnitt. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Das sind allein für die Grundschulen 370 zusätzliche Stellen für Förderunterricht – 370 Stellen zusätzlich, die es in keinem anderen Bundesland gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir reagieren auch aktuell: 1.900 zusätzliche Lehrerstellen allein in den vergangenen zwei Jahren für Hessens Schulen. Wir haben das Ganztagsschulprogramm in einem Maße ausgeweitet, wie es das in Hessen vorher nicht gab. Es stehen mittlerweile dreimal so viele Stellen jedes Schuljahr zusätzlich für den Ausbau des Ganztagsschulprogramms zur Verfügung. Wir haben auch hier einen besonderen Schwerpunkt auf die Grundschulen gelegt, meine Damen und Herren.

Inklusion, ja, das ist eine politische Aufgabe, eine gesellschaftliche Aufgabe. Aber wir lassen die Schulen damit nicht allein. Deshalb haben wir ein neues Umsetzungskonzept für Inklusion auf den Weg gebracht, mit dem wir wesentliche Kritikpunkte, die die Schulen äußern, aufgreifen.

Ja, es gibt den Wunsch der Schulen, dass die Förderschullehrkräfte zur Ergänzung der allgemeinbildenden Schule mit ihrem vollen Stundendeputat an der Schule eingesetzt werden sollen. Genau deshalb setzen wir das jetzt mit den inklusiven Schulbündnissen um.

Ja, es gibt den Wunsch, zusätzliche Koordinierungsstunden für die Netzwerkarbeit, die bei Inklusion notwendig ist, zu haben. Deshalb bringen wir mit dem inklusiven Schulbündnis 210 Stellen mehr auf den Weg, unter anderem genau zur Bewältigung dieser Herausforderung.

Natürlich ist Integration etwas, was nicht von selbst gelingt, sondern wobei wir die Schulen unterstützen müssen. Deshalb gibt es den schulischen Integrationsplan, der mit diesem Schuljahr verwirklicht wurde, mit dem die Schulen zusätzliche Klassen bilden können, mit dem wir den Sozialindex noch einmal erhöht haben, mit dem wir die Förderung des Deutschunterrichts unterstützen. Deshalb gibt es die Intensivklassen, über 1.000 Intensivklassen und Intensivkurse.

Sie fragen, wann wir reagieren, und ich sage Ihnen: Wir haben bereits reagiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zum Punkt Sozialindex: von 300 auf 600 und jetzt auf 800 Stellen zur Bewältigung der Herausforderungen vor dem Hintergrund der Zahl der geflüchteten Kinder.

Die Arbeitszeit an den Schulen wird verkürzt. Diese Reduzierung wird zum kommenden Schuljahr wirken.

Herr Kollege Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir reagieren also.

Dann will ich noch zwei Punkte festhalten: Nichts von dem, was die Opposition heute hier gesagt hat, was notwendig wäre, hat sie in den Haushaltsberatungen beantragt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Was? – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist der Unterschied. Sie versprechen allen alles und halten nichts. Wir arbeiten an konkreten Veränderungen. Die müssen teilweise noch wirken. Natürlich bleiben wir auch offen für weiteren Verbesserungsbedarf an unseren Schulen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Das Wort hat Frau Kollegin Faulhaber, Fraktion DIE LINKE.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schwarz, nach Ihrer Rede ist es wieder überdeutlich, warum es so wichtig war, dass die SPD diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wir sind sehr dankbar dafür.

In der Tat sorgt das Kultusministerium schon seit längerer Zeit für Kopfschütteln. In den letzten Monaten ist noch mehr Unverständnis hinzugekommen. Das wird auch irgendwie deutlich, Herr Wagner, wenn Sie hier sagen, es wurden keine Anträge gestellt, was nicht stimmt, zumindest für unsere Fraktion.

(Norbert Schmitt (SPD): Für unsere auch nicht!)

Ich hoffe auch, dass Ihre Einlassungen zu den Eltern eher dem Wahlkampf geschuldet sind. Darüber muss man noch extra diskutieren; denn die Eltern dafür verantwortlich zu machen, geht nicht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich nicht gemacht!)

Das ist auch eine Sache, die mit Chancengleichheit zu tun hat, Herr Wagner.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Eltern haben keine Verantwortung bei Ihnen, oder was? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Man darf nicht vergessen, in was für einer bildungspolitischen Phase wir uns gerade befinden. Die Enquetekommission tagt seit 2014, also etwa drei Jahre. Sie hat zahlreiche Expertinnen und Experten angehört und ist jetzt erst mit ihren Anhörungen fertig geworden. Sie hat mit ihrer redaktionellen Arbeit begonnen, und einen Abschlussbericht wird es wahrscheinlich im Sommer oder im Frühherbst geben.

Meine Damen und Herren, in dieser Enquetekommission steckt geballtes Wissen von vielen Fachleuten und von allen hier anwesenden Fraktionen. Da ist es bemerkenswert, dass in der Bewertung bildungspolitischer Zukunftsaufgaben große Schnittmengen bei den Fraktionen vorliegen. Umso verwunderlicher ist es, dass das Hessische Schulgesetz, also der bildungspolitische Wegweiser dieser schwarzen Landesregierung, unbedingt novelliert und verabschiedet werden soll, bevor dieser Abschlussbericht der Enquetekommission vorliegt. Das ist völlig unverständlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wieso missachten Sie alle Beteiligten, die sich so intensiv mit der Enquetekommission auseinandergesetzt haben? – Aber irgendwie passt es. Es passt zur Ignoranz, Herr Kultusminister, mit der Sie sich selbst und Ihre Arbeit in den Himmel loben und die zahlreichen Brandbriefe von Hunderten von hessischen Lehrerinnen und Lehrern ignorieren.

Auch Sie, Herr Schwarz, werden nicht müde, immer und immer und immer wieder zu wiederholen, es gehe den hessischen Schulen und ihren Beschäftigten so gut wie nie zuvor.

Jetzt frage ich mich nur: Warum gibt es so viele Überlastungsanzeigen? Die Beschäftigten sehen das nämlich ganz anders, und zwar zu Recht. Herr Degen hat die Aufgaben und Herausforderungen ja schon beschrieben, die mittlerweile zum Arbeitsalltag einer Lehrkraft gehören, besonders in den Grundschulen.

Das sind die Folgen, wenn man politische Entscheidungen trifft und deren Umsetzung danach einfach auf die Lehrerinnen und Lehrer abschiebt, ohne dafür die nötige Unterstützung bereitzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das beste Beispiel ist die Umsetzung der Inklusion. Angeblich gibt es sie in Hessen. Praktisch jedoch zeichnet sich ein eher trauriges Bild. Die guten Ansätze des gemeinsamen Unterrichts mit Doppelbesetzungen in den Klassen – zuletzt waren immerhin noch 18 Stunden doppelt besetzt – wurden aus Kostengründen wieder abgeschafft. Heute kann man froh sein, wenn vier Stunden wöchentlich doppelt besetzt sind.

Die Kinder, die trotz Beeinträchtigung an den Regelschulen unterrichtet werden, sind vor allem darauf angewiesen, dass sie eine engagierte Lehrkraft haben, die sehr oft ohne ausreichende Unterstützung inklusiv beschult. Genauso verhält es sich mit den Flüchtlingskindern, insbesondere an Schulen, an denen es keine Intensivklasse gibt.

Ich fasse zusammen: Mitten in der Arbeit der Enquetekommission Bildung und im Novellierungsprozess des Schulgesetzes erreichen das Kultusministerium wöchentlich Brandbriefe aus Darmstadt, aus Offenbach, aus Frankfurt, aus Nordhessen. Was machen Sie, Herr Kultusminister? Was sagt die CDU? Sie gehen gar nicht darauf ein. Keine Reaktion aus dem Haus, das für die Lehrkräfte zuständig ist. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der LINKEN)

Das grenzt an unterlassene Hilfeleistung.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Ja. Es ist unglaublich, sich hinzustellen und zu sagen, es gehe den Lehrerinnen und Lehrern so gut wie nie zuvor.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Daher fordere ich Sie heute erneut auf, sich endlich mit Ihren eigenen Bediensteten auseinanderzusetzen, wie sich das als oberster Dienstherr gehört, Herr Lorz. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Das Wort hat der Kultusminister, Prof. Lorz. Bitte sehr.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Jetzt kommen wir wenigstens einmal zur Sache!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, unsere Grundschulen stehen vor großen und teilweise auch vor neuen Herausforderungen. Das wird niemand bestreiten. Deswegen habe ich auch hohe Achtung vor all dem, was an unseren Schulen geleistet wird.