Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Die Entwicklung ist gut. Sie geht in die richtige Richtung. Wir werden weitere Maßnahmen ergreifen, um den ländlichen Raum zu unterstützen. Das können Sie heute und hier nicht kleinreden.

Herrn Kummer, Sie haben eben versucht, die zu verlagernden Arbeitsplätze in ein Verhältnis zur Gesamtzahl der Beamten in Hessen zu setzen. Ich kann das auf die Schnelle zwar nicht nachrechnen, aber ich will eine andere Perspektive aufzeigen, einen anderen Blickwinkel einnehmen. In Lauterbach bedeutet die Verlagerung eine Verdreifachung der Zahl der Arbeitsplätze.

(Zurufe von der SPD)

Das ist eben der Effekt im ländlichen Raum. Natürlich können Sie das nicht damit vergleichen, was das für Frankfurt hieße. Sie müssen ja immer schauen: Wie ist die gegebene Situation, und welche Veränderungen, Verbesserung treten dadurch ein?

Darüber hinaus hat Finanzminister Schäfer angekündigt, weitere Verlagerungen in Angriff zu nehmen und zu prü

fen. Das heißt, das ist der Beginn einer guten Entwicklung, und es ist auf jeden Fall die richtige Entscheidung, die wir sehr begrüßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Ein letzter Punkt. Besonders für Frauen im ländlichen Raum ist es wichtig, dass wir sichere, qualifizierte Arbeitsplätze haben, bei denen auch Teilzeitarbeit möglich ist. Die Frauen auf diesen Arbeitsplätzen können wir im ländlichen Raum gut gebrauchen. Das hat uns in der letzten Woche der „Equal Pay Day“ gezeigt. Auch hier also ein sehr positiver Effekt für die Frauen im ländlichen Raum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach. – Das Wort hat Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der eben geführten Debatte versucht, gut zuzuhören, und mir ist zu der Maßnahme als solcher kein besonders kritischer Satz aufgefallen. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken. Ob es vor dem Hintergrund notwendig gewesen wäre, den Rest der Redezeit teilweise damit zu garnieren, ganz andere Fragestellungen zu kritisieren und das Begrüßen dieser Maßnahme nicht in den Mittelpunkt zu rücken – –

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie sind doch Kapitalist! – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich stelle doch nur eine Frage. Sie beantworten sie möglicherweise anders als ich. Aber eine Frage wird man doch stellen dürfen.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war der erste Punkt.

(Zurufe von der SPD)

Offensichtlich ist die Maßnahme nicht streitig, sondern wird von den politischen Gruppierungen des gesamten Hauses eher begrüßt.

Zweiter Punkt, der Konsens ist: dass sich das Schicksal der ländlichen Räume insgesamt vermutlich nur teilweise an Wohl und Wehe der Finanzverwaltung in den ländlichen Räumen entscheidet.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Ich glaube, auch darüber sind wir uns einig. Ich kenne sogar den einen oder anderen, der das Näherrücken der Betriebsprüfung an das eigene Umfeld vielleicht eher als Bedrohung als als eine Erleichterung empfindet; aber das sind wahrscheinlich nur Ausnahmen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Trotzdem machen wir im Moment eine Erfahrung. Die hessische Finanzverwaltung stellt so viele Anwärterinnen und Anwärter ein wie noch nie in der Geschichte: 650. Wir haben übrigens auch so viele Bewerberinnen und Bewerber

wie noch nie in der Geschichte. Wir hatten immer 2.600 Bewerberinnen und Bewerber für unsere Stellen; jetzt hatten wir über 3.500. So viel zu der Aussage: Die Finanzverwaltung ist kein attraktiver Beruf. – Die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir sehen auch, dass das Interesse an einer beruflichen Tätigkeit in der Finanzverwaltung in den ländlich strukturierten Räumen in Hessen größer ist, weil viele Menschen sagen: Wenn ich die Möglichkeit habe, hier eine qualifizierte, zum Teil auch eine akademische, Ausbildung zu machen, habe ich die Chance, zu Hause zu bleiben und nicht in die Ballungsräume ziehen zu müssen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist keine neue Erkenntnis! – Norbert Schmitt (SPD): Völlig neu ist das nicht!)

Das führt uns unweigerlich dazu, darüber nachzudenken, wie wir verstärkt qualifizierte Arbeitsplätze in diese Regionen bringen und gleichzeitig Einheiten in einer leistungsfähigen Größenordnung aufrechterhalten oder schaffen, sodass Spezialisierung und gegenseitige Vertretung möglich sind.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist genau das Problem!)

Das versuchen wir gerade, indem wir die Bearbeitung bestimmter Bereiche zentralisieren, z. B. die Grunderwerbsteuer in Lauterbach und die Erbschaftsteuer in Fulda. Herr Kummer, dagegen hat bisher auch keiner geklagt.

(Norbert Schmitt (SPD): Dazu müssen Sie schon etwas sagen! Das ist eine ganz andere Regelung! Das ist ganz interessant!)

Ich weiß nicht, ob Ihnen der § 29a der Abgabenordnung schon einmal begegnet ist, wir können schauen, ob wir da etwas finden, was an der Stelle möglich ist.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Deshalb schauen Sie da einmal nach, und im Anschluss reden wir darüber.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das werden wir in einem ersten Schritt machen. In einem zweiten Schritt werden wir schauen, ob die Verlagerung der Körperschaftsteuerbearbeitung für den Kreis Bergstraße nach Bensheim – jetzt wird es für Herrn Schmitt wieder interessant – Größenordnungen generiert, die auf Dauer eine qualifizierte Sachbearbeitung auch in der Besteuerung großer Unternehmen gewährleisten. Ich bin sehr optimistisch, dass das gelingen kann. Dann wird es möglich sein, weitere 400 Dienstposten in der Fläche zu schaffen.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Wir werden im nächsten Schritt schauen, welche Tätigkeitsprofile wir bisher in den Finanzämtern im Ballungsraum haben, wo wir bei der Generierung qualifizierten Personals für die Zukunft auf mittlere Sicht möglicherweise größere Probleme haben werden, und ob – unter Nutzung gerade dieser Vorschrift – eventuell bestimmte Arbeitsbereiche, die bisher in Ballungsraumfinanzämtern angesiedelt sind, von Finanzämtern außerhalb des Ballungsraums übernommen werden können. – Ich mache einen Strich darunter.

Mit der Umstrukturierung der Finanzverwaltung kann man nicht jedes Problem lösen, aber sie ist jedenfalls mehr als nur ein Zeichen. Sie ist ein Beitrag zu dem, was die öffentliche Hand trotz aller Ressourcenknappheit und trotz aller Bemühungen um eine schlanke Organisationsform tun kann, damit man im ländlichen Raum merkt: Jawohl, der Staat hat gesehen, dass Arbeitsplätze – auch staatliche Arbeitsplätze – in diesen Regionen notwendig sind und am Ende auch einen Beitrag zur Infrastruktur und zur Aufrechterhaltung der Perspektiven von dortigen Menschen leisten. – Nicht mehr, aber auch nicht weniger bedeutet diese Maßnahme.

Ich freue mich, dass die Maßnahme in diesem Hohen Hause offensichtlich ungeteilte Unterstützung findet. Deshalb werden wir weiter daran arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt 46 behandelt.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, teile ich Ihnen mit, dass noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Zuwanderungsrecht, Drucks. 19/4718.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist endlich einmal eine klare Haltung! – Heiterkeit bei der SPD)

Von mir? – Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 59. Wenn dem nicht widersprochen wird, wird er nach Tagesordnungspunkt 45, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 44 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Abschiebungen aus Schule und Psychiatrie sind unmenschlich – für eine humanitäre Flüchtlings- politik) – Drucks. 19/4690 –

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir möchten dieses Thema in der Aktuelle Stunde behandeln, weil vor drei Wochen ein Patient aus der Psychiatrie herausgeholt und abgeschoben wurde. Das ist ein Tabubruch. Das ist unmenschlich. Wir wollen, dass die Landesregierung heute dazu Stellung bezieht.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Ein 32-jähriger Mann aus dem Kosovo, ein Angehöriger der Volksgruppe der Roma, war wegen einer schweren Depression in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum Gießen. Der Kosovokrieg, in dem er als Zwangsrekrutierter erschossene albanische Zivilisten begraben musste, hatte ihn schwer traumatisiert.

Er war allein in Deutschland. Bereits einige Wochen zuvor sind seine Frau und seine zwei kleinen Kinder abgeschoben worden. Nach sieben Wochen Behandlung forderte ihn das Landratsamt auf, in der Ausländerbehörde zu erscheinen. Es hieß, er müsse einige Formulare ausfüllen, die für die Übernahme der Kosten der Klinik und für sein Taschengeld erforderlich seien.

Tatsächlich gab es dort aber weder Formulare, die auszufüllen waren, noch sollte es Taschengeld für ihn geben. Das war offensichtlich ein Vorwand, um ihn und die ihn begleitende Sozialarbeiterin zur Behörde zu locken. Er wurde von zwei Polizisten, die dort warteten, festgenommen und zum Flughafen München gebracht, von wo er in den Kosovo abgeschoben wurde.