Tatsächlich gab es dort aber weder Formulare, die auszufüllen waren, noch sollte es Taschengeld für ihn geben. Das war offensichtlich ein Vorwand, um ihn und die ihn begleitende Sozialarbeiterin zur Behörde zu locken. Er wurde von zwei Polizisten, die dort warteten, festgenommen und zum Flughafen München gebracht, von wo er in den Kosovo abgeschoben wurde.
Alle Hinweise der fassungslosen Sozialarbeiterin auf den Gesundheitszustand des Mannes sowie auf seine Suizidgefahr wurden ignoriert. Sie wurde hinausgeschickt; das hat die „Frankfurter Rundschau“ dankenswerterweise recherchiert.
Meine Damen und Herren, ich bin bestürzt über den erneuten Tabubruch in der Abschiebepraxis Hessens.
Abschiebungen aus dem Krankenhaus sind absolut inakzeptabel, und zwar unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Situation der betroffenen Person. Das gilt erst recht, wenn es sich um einen suizidgefährdeten Patienten handelt.
Ich bin auch über die perfiden Methoden entsetzt, deren sich ein Landratsamt offensichtlich bedient, um einen kranken Menschen aus einer Klinik zu holen. Wenn Behörden so mit Menschen umgehen, wird jedes Vertrauen zwischen Flüchtlingen und staatlichen Institutionen zerstört.
Deshalb frage ich die Landesregierung: Hat diese Vorgehensweise in Hessen System? Werden Menschen unter Vortäuschung falscher Tatsachen zu Ausländerbehörden gelockt, um sie leichter abschieben zu können? Hier erwarte ich deutliche Worte von der Landesregierung.
Jetzt hat das Landratsamt im Wetteraukreis auch noch Strafanzeige gegen den Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen, Bernd Gallhofer, erstattet. Der Mediziner soll gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstoßen haben, als er versuchte, sich für einen Verbleib seines Patienten einzusetzen, und sich an die Öffentlichkeit wandte.
Besonders abstrus ist der Vorwurf, Gallhofer habe in Form einer Beihilfe gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen, weil er versuchte, durch ein Gutachten die Abschiebung zu verhindern. In der Tat: Er wollte diese Abschiebung verhindern, und zwar vollkommen zu Recht. Als verantwortungsbewusster Mediziner ist es doch seine Pflicht, so zu handeln. Ich frage mich, warum sich eine Kreisverwaltung anmaßt, seine medizinische Expertise derart öffentlich anzuzweifeln.
Hier wird ganz offensichtlich versucht, einen Mediziner einzuschüchtern und den Kritiker dieser Abschiebepraxis mundtot zu machen. Was das Landratsamt dort macht, ist absolut inakzeptabel.
Meine Damen und Herren, seit Monaten erleben wir auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik einen Wettbewerb der Schäbigkeiten. Seit das Asylpaket II in Kraft ist, können selbst schwer kranke Personen abgeschoben werden. Gerade habe ich gelesen, dass erst kürzlich in Hamburg ein Afghane jüdischen Glaubens in einer Synagoge vor der Abschiebung Zuflucht gefunden hat. Er sollte nach Afghanistan abgeschoben werden, wohl wissend, was dort Angehörigen religiöser Minderheiten droht. Auch das ist vollkommen inakzeptabel.
Heute diskutiert der Bundestag über eine weitere Verschärfung der Asylgesetze. Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht soll die Rechtsgrundlage für solch überfallartige Abschiebungen ohne vorherige Ankündigung schaffen.
Für Tausende von Menschen, die hier seit Jahren leben, die sich geduldet in Deutschland aufhalten, die einer geregelten Beschäftigung nachgehen, deren Kinder in die Schule gehen, deren Kinder das Herkunftsland ihrer Eltern gar nicht oder kaum kennen, heißt das, dass sie in ständiger Angst leben müssen. Denn jederzeit kann die Polizei vor der Tür stehen, oder sie kann, wie es im vergangenen November bei einer 16-jährigen Schülerin in Karben, übrigens auch im Wetteraukreis, der Fall war, vor dem Klassenzimmer warten. Die Polizei holte das Mädchen damals direkt aus dem Unterricht ab, ließ sie von einer Sekretärin aus dem Unterricht holen und hat das Mädchen abgeschoben. Aber Krankenhäuser, Schulen und Arztpraxen müssen doch geschützte Räume sein, wo sich Menschen ohne Angst vor einer Abschiebung aufhalten können,
sonst drängt man Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus doch aus dieser Gesellschaft; dann zwingt man sie zum Untertauchen und in die Illegalität; und man schürt Misstrauen. Deshalb: Statt auszugrenzen und Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, statt Unsummen an Mitteln und personellen Ressourcen in eine inhumane Abschiebelogistik zu stecken, sollten wir eine gute und schnelle Integration der hier lebenden Geflüchteten besser finanzieren. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Herr Abg. Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in Hessen seit Herbst 2015 über 110.000 Menschen aufgenommen. Hier fanden diese Menschen Obdach und medizinische und soziale Versorgung. All diese Menschen haben – lassen Sie mich das unterstreichen – gute Gründe gehabt, ihre Heimat zu verlassen. Niemand verlässt seine Heimat leichtfertig. Die allermeisten haben dies aufgrund politischer Verfolgung getan, oder weil Bürgerkrieg
herrscht. Aber es kamen auch Menschen, die vor Armut oder anderen widrigen Umständen hierher flohen. Wir GRÜNE fordern seit unserer Parteigründung eine vorausschauende internationale Politik, die mit aller Macht Fluchtursachen bekämpfen muss, und ein neues Einwanderungsgesetz auf Bundesebene, mit dem beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland kommen können
und so eine legale Perspektive erhalten. Dazu benötigen wir für die Geflüchteten, die aus Krisen nach Europa fliehen, weiterhin eine solidarische Europapolitik, damit diese Quote auch dazu beiträgt, Flüchtlinge in der EU gerecht zu verteilen. Aber im Gegensatz zur Linkspartei in Hessen – zumindest in Hessen, denn in Brandenburg und Thüringen weicht das oft ab – fordern wir keine offenen Grenzen und keinen unbegrenzten Zuzug. Das ist unrealistisch und nicht umsetzbar.
Wir haben eine klare Linie: Wir wollen allen politisch Verfolgten und Opfern von Kriegen eine Zuflucht geben. Diese finden sie hier, denn wir wollen und werden all denjenigen helfen, die hier eine Perspektive benötigen. Diese werden sie erhalten, um sich zu integrieren. Die Aktionspläne I und II der Hessischen Landesregierung mit 1,6 Milliarden €, die wir in die Integration von Flüchtlingen investieren, sind dafür ein großes Ausrufezeichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber eines ist auch klar: Das Asylrecht ist kein Instrument für Menschen, die hier Arbeit suchen wollen oder nicht von kriegerischen Konflikten bedroht sind.
Deswegen werden diese Menschen, wenn sie dieses Recht auch nach einer gründlichen rechtsstaatlichen Prüfung mit einer Fülle von rechtsstaatlichen Möglichkeiten nicht erworben haben, das Land wieder verlassen müssen.
Herr Kollege, ich bin noch nicht am Ende. – Die Menschen, die keinen Aufenthaltstitel haben, sind ausreisepflichtig. Auch das gehört zum Asylrecht, so tragisch das für den Einzelnen auch sein mag und so groß die individuelle Betroffenheit ist.
Für die Ausreisepflicht gibt es bis zum Schluss klare rechtsstaatliche Regelungen, da die Ausländerbehörden Abschiebehemmnisse prüfen. Dazu gehört aber wiederum eine Vielzahl von Parametern.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, ganz genau! „Abschiebehemmnisse“ – da kann ich mich nicht beruhigen!)
Frau Wissler, jetzt beruhigen Sie sich doch einmal eine Sekunde; kommen Sie doch einmal von der Palme; zu Ihnen komme ich schon noch.
Dazu gehört eine Vielzahl von Parametern wie unter anderem der gesundheitliche Zustand. Aber diese Parameter werden nicht von der Linkspartei untersucht, sondern von Ärzten und Beamten. Wenn diese Parameter für einen Verbleib nicht erfüllt sind, wie das offensichtlich der Fall war, weil in diesem Fall sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Bundesverfassungsgericht sowie bei einem Amtsarzt widersprochen wurde, all diese Personen aber zu diesem Schluss gekommen sind, dann nehmen wir diese Urteile zur Kenntnis.
Wir nehmen diese Urteile deshalb zur Kenntnis, weil wir eine Gewaltenteilung haben. Das kann für die Betroffenen wiederum zu einem bedauerlichen Ende führen,
Es ist, wenn man das in der Zeitung liest, natürlich besorgniserregend. Dennoch bitte ich in Bezug auf alles Weitere darum, dies so zu machen, wie man es üblicherweise macht, also nicht über Zeitungsartikel zu sprechen, sondern – das schlagen wir vor – die Landesregierung zu bitten, über die einzelnen Behördenvorgänge und über alles andere zu berichten, damit wir den konkreten Fall tatsächlich erst dann bewerten, wenn uns alle Informationen vorliegen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe im Asylkonvent nachgefragt; es konnte mir nur keiner sagen! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt komme ich zum Schluss. Es wird auch im Petitionsausschuss – –
(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe ja gefragt! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Jetzt hören Sie doch noch eine Sekunde lang zu; das geht von meiner Zeit ab; das ist ärgerlich genug. – Ich komme zu dem Schluss: Es ist offensichtlich so, dass Ärzte, Behörden und die Gerichte zu einem anderen Schluss kommen. Trotzdem lassen wir uns das im Innenausschuss noch einmal berichten, übrigens auch im Petitionsausschuss.
Aber, Frau Wissler, wissen Sie, was Linkspopulismus ist? Dass wir genau denselben Fall, also eine psychische Erkrankung, vor vier Jahren gehabt haben – das ist eine abgeschlossene Petition im Plenum – und dass der Beschluss, nach Sach- und Rechtslage zu entscheiden, von allen Fraktionen im Petitionsausschuss, also auch von Ihnen, beim gleichen Sachverhalt mitgetragen wurde. Das wurde im