Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Mitglieder der Regierung Bouffier fordern den Ausstieg aus der Kohleverstromung – Wirtschaft und Verbraucher zahlen die Zeche) – Drucks. 19/4850 –

Das Wort hat der Abg. René Rock, Seligenstadt, FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meiner Rede einen kleinen persönlichen Beitrag voranstellen. Mein politischer Mitstreiter in einer anderen Fraktion, Kollege Peter Stephan, ist mir zugetragen worden, hält heute die letzte Rede an dieser Stelle, zur Energiepolitik. Er wird es wahrscheinlich nachher hier verkünden. Jetzt bin ich in der schwierigen Situation, dass ich vor ihm reden darf. Trotzdem möchte ich dir, lieber Peter Stephan, an dieser Stelle bei allen inhaltlichen Auseinandersetzungen, die wir haben, ausdrücklich zurufen, dass wir hier fast zehn Jahre gemeinsam Politik gemacht haben, in unterschiedlichen Rollen.

Auch wenn wir inhaltlich das eine oder andere Mal heftig gestritten haben, hat das keine Auswirkungen auf unsere persönliche Beziehung und unseren persönlichen Respekt voreinander. Darum: Vielen Dank von mir für die Zusammenarbeit, auch für die kontroverse Zusammenarbeit, und alles Gute auf deinem weiteren Weg. Es geht immer weiter, und das Leben hat immer viel für einen übrig, auch außerhalb dieses Hauses. Von daher viel Erfolg und viel Glück auf deinem weiteren Weg von mir an dieser Stelle.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt ist es bei meinem Lieblingsthema, der Energiepolitik, ein bisschen schwierig, wieder den richtigen Einstieg zu

bekommen, weil man doch eine gewisse persönliche Stimmung hat.

(Zurufe der Abg. Angela Dorn und Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will es trotzdem probieren, und ich denke, auf dem Weg dahin wird mir das auch gelingen. Wir haben das schöne Thema Energiepolitik heute zur Diskussion gestellt, und der Anlass ist nicht überraschend.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Der Anlass ist die politische Haltung unserer grünen Partei hier in Hessen, aber auch des grünen Wirtschaftsministers zur Energiepolitik in Deutschland. Was ist passiert? – Die Energiepolitik in Deutschland hat die wirtschaftliche Vernunft verlassen. Sie hat eigentlich fast komplett die Vernunft verlassen, und sie ist auf einem ideologischen Weg, sie hat mittlerweile – man kann fast sagen – religiöse Züge. Jeder, der sich mit der Energiepolitik intensiv auseinandersetzt, kann den Eindruck gewinnen, dass hier mittlerweile jenseits von Rationalität unter Ausblendung von allen möglichen Fakten immer weiter ein falscher Weg vorangetrieben wird, und die Hohepriester dieser Politik sind nun einmal die Kollegen von der grünen Fraktion. Sie sind darauf auch noch stolz. Deshalb werden Sie sich auch gern meiner Kritik stellen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Frage ist eine andere Frage. Meine Frage ist nicht: Was hat Tarek Al-Wazir in Düsseldorf wieder von sich gegeben zum Thema Energiepolitik? Doch, da habe ich auch eine Frage, Herr Al Wazir: Waren Sie das eigentlich als hessischer Minister, waren Sie das als grünes Parteimitglied? Waren Sie das – wie Frau Löhrmann –: zuerst mit dem Dienstwagen um die Ecke, parken und dann mit dem Elektroauto weiterfahren?

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Wie waren Sie in Düsseldorf? In welcher Rolle, und was haben Sie dort eigentlich genau getan? Haben Sie Wahlkampf gemacht? Am 14. Mai ist ja da zufälligerweise Landtagswahl. Haben Sie versucht, an dieser Stelle grünen Wahlkampf zu unterstützen? Das würde mich schon noch einmal interessieren. Aber eigentlich interessiert mich die Haltung der hessischen CDU, ganz speziell der Landesregierung.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aber mittlerweile – das ist ja seit der Kommunalwahl in Hessen überall zu hören – gibt es auch massive Absetzbewegungen in der hessischen Union, was die Energiepolitik dieser Landesregierung angeht. Da würde ich Sie, den Redner der CDU, aber auch den zuständigen Vertreter der Hessischen Landesregierung, schon bitten zu beantworten: Ist das, was in Düsseldorf am 29.04. geäußert worden ist, die Linie der Hessischen Landesregierung? Oder ist das eine Einzelmeinung?

(Beifall bei der FDP)

Ich denke, jedem, der sich rational mit der Energiepolitik in Deutschland auseinandergesetzt hat, ist aufgefallen, dass wir irrsinnige Summen, 25 Milliarden €, an Subventionen allein über das EEG ausgeben, eigentlich ohne nennenswerte Erfolge bei der CO2-Einsparung. Alle, die sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, wissen, dass wir im

europäischen Kontext keine Tonne CO2 einsparen. Wir haben mittlerweile annähernd 30.000 Windräder in Deutschland installiert.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wir haben keine Speicher, die Trassen liegen brach. Alle wissen, dass es gigantische Probleme gibt. Dennoch gibt es eine Partei in Deutschland, die die Augen zumacht und einfach weitermacht und immer weitere Forderungen stellt. Das ist einfach nicht mehr nachvollziehbar.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die FDP!)

Die Rede von Tarek Al-Wazir kann ich hier wahrscheinlich vorsprechen. Aber mich würde einmal interessieren: Ist das die Haltung der hessischen CDU, und ist das die Haltung der Hessischen Landesregierung?

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist eine gute Frage! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das sind die Fragen, die wir stellen, und da erwarten wir eine klare Antwort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Angela Dorn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Rock, da haben Sie ja ein echtes Megathema aufgespießt. Die grünen Minister stehen für einen verbindlichen Kohleausstieg. Wenn die CDU das vorher gewusst hätte, dass sie mit so einem Koalitionspartner koaliert, wo ist dann die Neuigkeit in Ihrer Aktuellen Stunde, Herr Kollege?

(Heiterkeit bei der CDU – Beifall bei dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber ich diskutiere gerne über die Düsseldorfer Erklärung. Es ist eine bemerkenswerte Erklärung. Sie ist aus meiner Sicht auch sehr wichtig. Warum ist sie wichtig? – Herr Kollege Rock, auch wenn Sie immer wieder die Augen davor verschließen: Wir werden unser Klimaschutzziel 2020 verfehlen. Wir haben 2016 nicht, wie es richtig wäre, in Deutschland eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes gehabt, sondern einen Anstieg. Wir waren früher einmal Klassenbester beim Thema Klimaschutz. Wir sind mittlerweile in der Versetzung gefährdet. Wir haben höchsten Handlungsbedarf, und deswegen ist es wichtig, sich über den Kohleausstieg Gedanken zu machen, Herr Kollege Rock.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Folgen dieser globalen Überhitzung sind dramatisch. Wir merken es schon hier und jetzt, und wir werden es noch viel stärker merken mit Dürre, mit Überflutungen. Vor allem im globalen Süden werden wir es noch merken. Wenn wir uns heute die Flüchtlingszahlen anschauen, wenn wir heute die Herausforderungen spüren – das wer

den noch ganz andere werden, die uns mit der Klimakatastrophe passieren würden. Insofern müssen wir jetzt handeln.

Es ist außerdem auch so: Je länger wir warten, desto schwieriger und teurer wird es. Deswegen heißt es, sich heute akut Gedanken zu machen. Wir müssen heute handeln, sonst ist es zu spät.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Ursache für den Anstieg, den wir 2016 wieder hatten, ist vor allem der Verkehr. Deswegen haben wir – das war sehr weise – im Klimaschutzplan vor allem den Verkehr in den Mittelpunkt gerückt. Aber, Herr Kollege Rock, auch wenn Sie immer wieder versuchen, das Gegenteil zu zeigen: Fakt ist, die Kohlekraft ist mit verantwortlich. Es ist so, dass die Klimaschutzfortschritte, die man durch die erneuerbaren Energien eigentlich hat, zunichte gemacht werden durch die Überkapazitäten an Kohlekraft.

Herr Kollege Rock, Sie müssen sich auch einmal mit der Materie beschäftigen. Wir haben im Moment das Problem, dass Braunkohlemeiler auch dann weiterlaufen, wenn viel erneuerbare Energie im Netz ist.

(René Rock (FDP): Welche Rolle spielt das EEG, dass das so ist?)

Sie laufen auch dann weiter, wenn gerade die Börsenstrompreise sehr niedrig sind, weil sie durch frühere Subventionen enorm billig sind. Das ist das Problem. Wir exportieren Strom aufgrund dieser Überkapazitäten durch Kohlekraft und verhageln damit unsere CO2-Bilanz. An dieses Thema müssen wir heran.

Sie sehen das auch an Expertenmeinungen. Beispielsweise Energy Brainpool, ein Strombörsenspezialist, zeigt ganz deutlich: Man könnte bis zu 36 Kohlekraftwerke vom Netz nehmen, ohne dass es ein Problem bei der Stromversorgung gäbe. – Herr Kollege Lenders, Sie müssen auch einmal Expertenmeinungen lesen und nicht nur immer die eigene Community befragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Hier gibt es ein enormes Potenzial. Wir könnten die Klimaschutzziele 2020 noch erreichen. Wir könnten unsere Erde aus unserem deutschen Beitrag heraus schützen. Wir brauchen einen verbindlichen Kohleausstieg. Natürlich wäre das eine Herausforderung, keine Frage. Aber vor allem wäre es eine wirtschaftliche Chance. Die erneuerbaren Energien – schauen Sie einmal weltweit, Herr Kollege Rock – sind längst auf dem Vormarsch. Das ist der Markt der Zukunft. Sie denken immer, Sie wären die Partei des Mutes, und suggerieren sich das immer wieder selbst. Bei diesem Thema sind Sie die Partei der Verzagtheit, die Partei der Angstmacher.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Das ist Wirtschaftspolitik der Siebzigerjahre. Schauen Sie einmal, wohin weltweit die Investitionen gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Längst haben weltweit die Investitionen in erneuerbare Energien die in fossile überstiegen. Aber in Deutschland erleben wir gerade einen Markteinbruch bei erneuerbaren Energien auf 77 %. Wir verlieren den Anschluss an die

Weltspitze. Das dürfen wir doch nicht zulassen. Wenn die Wirtschaftspartei FDP das zulässt, dann wundere ich mich besonders.

Schauen Sie sich einmal um: In Norwegen ist der Pensionsfonds ausgestiegen aus der fossilen Energie. Schauen Sie nach Großbritannien, schauen Sie nach Frankreich – nach Frankreich nicht so sehr wegen der Atomkraft, sondern wegen der Kohlekraft. Oder schauen Sie sich den Wertverfall von RWE-Aktien und E.ON-Aktien an. Was würden Sie heute einem Nachbarn raten, wo er investieren soll? Sie würden ihm doch auch raten, dass er besser in erneuerbare Energien investieren sollte, weil das die Zukunft ist. Sie können doch nicht Ihrem Nachbarn das eine raten und im Land genau das Falsche machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Rock, immer wieder diese Debatte um Strompreise und das EEG. Ich finde es eine absurde Situation.