Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Wach seid ihr wenigstens noch. – Man muss die Bezahlung der Grundschullehrkräfte endlich anpassen, man muss die Pflichtstunden reduzieren, man muss nicht nur Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen holen, sondern vor allem auch für Entlastung sorgen. Dazu braucht es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Schulpsychologen. Würden diese ausreichend eingestellt, würde die Überlastung zu einem großen Teil schon aufgefangen werden.

(Zurufe der Abg. Holger Bellino und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das kann ich Ihnen auch sagen. Natürlich muss man die Stellen schon einmal schaffen und im Haushalt festlegen – unabhängig davon, ob man sie sofort besetzen kann. Das ist nämlich die politische Weichenstellung, die nötig wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe FDP, dass Sie hier die Beibehaltung des Ressourcenvorbehalts fordern, ist ziemlich entlarvend; denn dieser Ressourcenvorbehalt ist das große Stoppschild für die Inklusion in Hessen. Mit solchen Forderungen versucht nun die FDP, jeden noch so kleinen Fortschritt kleinzureden und zu blockieren.

Und noch etwas: Mich verwundert es sehr, dass Sie nur eine Woche nach Verabschiedung des novellierten Schulgesetzes hier so einen Rundumschlag machen. Immerhin war es die FDP, die als einzige Oppositionsfraktion dem Schulgesetz zugestimmt hat.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die Kritik, die Sie jetzt äußern, hätten Sie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wenigstens einmal andeuten können. Das finde ich jedenfalls eine ziemlich seltsame Vorgehensweise. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexan- der Bauer (CDU))

Danke, Frau Faulhaber. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Herr Wagner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere Schulen sind vielfältig herausgefordert – wer will das in einer so komplizierten und vielfältigen Gesellschaft, wie wir sie in Deutschland und in Hessen haben, bestreiten?

Wir stehen vor der Daueraufgabe, mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit zu verwirklichen, damit der Bildungserfolg nicht mehr von dem sozialen Hintergrund der Eltern abhängt.

Wir stehen vor der Herausforderung, die vielen Flüchtlinge, die vor Terror und Gewalt geflohen sind, in unsere Gesellschaft und natürlich in unser Schulsystem zu integrieren. Wir stehen vor der Herausforderung, ein inklusives Schulsystem zu verwirklichen, in dem Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen gemeinsam zur Schule gehen wollen.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Das sind einige der Herausforderungen, vor denen unser Bildungssystem zweifelsohne steht. Alle Parteien in diesem Landtag haben das auch erkannt. Es ist nicht so, dass die Schulen mit diesen Aufgaben alleingelassen würden, sondern wir bringen Verbesserungen auf den Weg, um die Schulen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen.

Ich will hier einiges ansprechen: Wir haben allein in den vergangenen drei Jahren 2.500 neue Lehrerstellen geschaffen, um die Schulen bei der Bewältigung dieser Aufgaben zu unterstützen. Wir haben bei der Integration gesagt, wir schaffen ein systematisches Sprachförderprogramm und Sprachförderunterstützungssystem für die Schulen – mit den Intensivklassen, mit den Intensivkursen, mit InteA. Es ist nicht so, dass wir die Schulen alleinließen, sondern wir unterstützen sie bei der Bewältigung dieser Aufgaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sehen, dass es eine ganz vielfältige Schülerschaft gibt, dass die Bedingungen, die Schülerinnen und Schüler mit in die Schule bringen, sehr unterschiedlich sind. Genau deshalb haben wir ja die Lehrerzuweisung nach Sozialindex auf den Weg gebracht und stocken sie immer weiter auf, weil Schulen, die Aufwendigeres leisten, auch besser un

terstützt werden müssen. Genau das tun wir, genau hier unterstützen wir die Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die FDP sollte ihr Licht dabei gar nicht unter den Scheffel stellen. Auch Sie haben zu Zeiten, als Sie die Kultusministerin gestellt haben, die Schulen unterstützt. Ich darf an die 105-prozentige Lehrerversorgung erinnern, das war ausdrücklich richtig. Sie haben die Klassenhöchstgrenzen gesenkt. Das war ausdrücklich richtig. Warum erwecken Sie dann heute das Bild, dass die Schulen mit all diesen Herausforderungen alleingelassen würden, meine Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der FDP)

Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Sie sollten aber auch zu Ihrer Verantwortung stehen. Wenn Sie heute kritisieren, dass in Hessen zu wenige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet sind, dann fällt das auf Ihre Kultusministerinnen zurück. Wir haben eine durchschnittliche Ausbildungsdauer bei den Lehrern von fünf bis sieben Jahren. Das heißt, Herr Kollege Greilich und Frau Beer als frühere Kultusministerin, die Lehrerinnen und Lehrer, die heute fehlen, hätten Sie in Ihrer Amtszeit ausbilden müssen. Deshalb stehen Sie zu Ihrer Verantwortung, die Sie an dieser Stelle für die schwierige Situation unserer Schulen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Lenders (FDP): Wie lange regieren Sie denn schon?)

Herr Kollege Greilich, Sie kritisieren den bürokratischen Aufwand in den Schulen. Ja, da können und müssen wir besser werden. Aber es war doch die FDP, die den bürokratischen Aufwand für unsere Schulen mit dem Landesschulamt auf die Spitze treiben wollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind wirklich der schlechteste Ratgeber, um über Bürokratie im Bildungssystem zu reden.

(Nicola Beer (FDP): Sie haben es noch immer nicht verstanden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, stehen Sie zu Ihrer Verantwortung für Inklusion. Es waren doch Ihre Ministerinnen, die völlig zu Recht damit begonnen haben, Inklusion in den Regelbetrieb an unseren Schulen zu überführen. Das war eine richtige Entscheidung von Dorothea Henzler, es war eine richtige Entscheidung von Nicola Beer, das zu tun.

Die Rahmenbedingungen, unter denen die Schulen arbeiten, gehen zurück auf die Amtszeit Ihrer Kultusministerinnen. Dass Sie davon jetzt nichts mehr wissen wollen, spricht gegen Sie, aber es spricht nicht gegen Inklusion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist richtig, dass wir die Rahmenbedingungen für Inklusion verbessern müssen. Wir müssen das weiterentwickeln, was Nicola Beer und Dorothea Henzler auf den Weg gebracht haben. Genau das tun wir jetzt auch. Deshalb machen wir die inklusiven Schulbündnisse, deshalb greifen wir die Kritik an der Inklusion auf und versuchen, die Schulen noch besser zu unterstützen.

Ich will das sehr konkret machen. Viele haben uns gesagt, ein großes Problem bei der Umsetzung der Inklusion sei, dass die Förderschullehrkräfte im inklusiven Unterricht an mehreren allgemeinbildenden Schulen im Einsatz seien und somit von Schule zu Schule pendeln müssten. Genau das ändern wir jetzt und sorgen mit den inklusiven Schulbündnissen dafür, dass Förderschullehrkräfte in der Regel mit vollem Stundendeputat an einer Schule sind. Wir unterstützen also unsere Schulen und entwickeln diese Ansätze weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dann sagt die FDP, bei Inklusion wolle sie beides gleichzeitig. Einerseits fordern Sie in Ihrem Antrag, Sie wollen mehr Förderschullehrkräfte im inklusiven Unterricht – das ist ausdrücklich richtig, das bringen wir auf den Weg –, und gleichzeitig wollen Sie im selben Antrag den Ressourcenvorbehalt, also dass die Zuweisung für den inklusiven Unterricht gedeckelt wird. – Das aber passt überhaupt nicht zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Dadurch, dass wir die getrennte Lehrerzuweisung für Förderschulen und für inklusiven Unterricht aufgehoben haben, haben wir überhaupt erst die Voraussetzungen geschaffen, dass mehr Lehrkräfte in den inklusiven Unterricht gehen können, und somit Ihre FDP-Politik an einem entscheidenden Punkt der Umsetzung von Inklusion verbessert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann sagen Sie, das sei jetzt alles so schwierig bei der Umsetzung, und fragen, wie mit der Herausforderung umzugehen sei. Wie gehen wir mit der Situation um, die wir unbestreitbar in ganz Deutschland haben, dass es einen Engpass auf dem Arbeitsmarkt für Lehrkräfte gibt? Die Antwort der FDP darauf, wie man mit Herausforderungen umgeht, ist: Wir lassen es. Wir verabschieden uns von unseren Zielen. Wir versuchen nicht mehr, die Ziele zu verwirklichen. Wir unterziehen uns nicht der Mühe, neue Antworten zu finden. – Wenn es schwierig ist, macht sich die FDP vom Acker und gibt das Ziel der Inklusion auf. Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren. Das ist doch eine Kapitulation der FDP-Bildungspolitik, die Sie heute hier beschrieben haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will Sie einmal fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP – wenn Sie sagen, wenn es schwierig wird, machen Sie sich vom Acker und wollen Inklusion nicht mehr umsetzen, dann wollen Sie nicht mehr, dass Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen gemeinsam zur Schule gehen –: Würden Sie den gleichen Vorschlag machen, wenn wir eine schwierige Situation bei der Abdeckung des Mathe- oder Deutschunterrichts an unseren Schulen hätten? Würden Sie die gleiche Antwort geben, wenn wir einen leer gefegten Arbeitsmarkt für Deutschoder Mathelehrer hätten?

(Wolfgang Greilich (FDP): Haben wir doch nicht!)

Wäre die Antwort der FDP dann, zu sagen: „Dann lassen wir es mit dem Matheunterricht und mit dem Deutschunterricht“? Nein, das würden Sie nicht sagen, sondern Sie würden alles tun, damit wir auch hier eine Unterrichtsversorgung hinbekämen. Und was für den Matheunterricht

und für den Deutschunterricht gilt, das muss unbedingt auch dafür gelten, dass Kinder mit Behinderungen gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen zur Schule gehen. Dass Sie hier einen Unterschied machen, das zeigt, wes Geistes Kind Sie in dieser Debatte eigentlich sind und worum es Ihnen eigentlich geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ja, unsere Schulen sind herausgefordert. Herausforderungen sind dazu da, gelöst zu werden. Herausforderungen sind dazu da, dass wir in der Politik die Rahmenbedingungen verbessern. Es gibt mindestens eine Fraktion, die sagt: Wenn es schwierig wird, machen wir uns vom Acker. – Das sind die Freien Demokraten in diesem Haus. Das ist aber nicht die Politik dieser Landesregierung, das ist nicht die Politik der CDU, das ist nicht die Politik der GRÜNEN. Wir stehen dazu, auch wenn es schwierig wird, und versuchen auch dann, unsere Schulen bestmöglich zu unterstützen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke schön, Herr Wagner. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Greilich, FDP-Fraktion, gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Wagner, ich habe von der linken Seite nichts anderes erwartet, als dass man sagt: Freibier für alle, und wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. – Aber dass Sie als Vorsitzender einer Koalitionsfraktion, der die Realität an den Schulen zur Kenntnis nehmen muss, sich hierhin stellen und versuchen, die Argumentation herumzudrehen, das ist schon bemerkenswert.

(Beifall bei der FDP)

Wenn sich jemand die Welt so macht, wie sie ihm gefällt, dann sind Sie das.

(Beifall bei der FDP)

Es lässt sich relativ einfach beschreiben. Wenn man die Realität beschreibt, dass an den Schulen die Ressourcen nicht vorhanden sind, um Inklusion flächendeckend umzusetzen, dann sagen Sie, man wolle Inklusion nicht. – Nichts aus meiner Rede rechtfertigt diese Interpretation. Das wissen Sie auch selbst. Sie haben natürlich nur versucht, irgendwo einen Popanz aufzubauen.