Es lässt sich relativ einfach beschreiben. Wenn man die Realität beschreibt, dass an den Schulen die Ressourcen nicht vorhanden sind, um Inklusion flächendeckend umzusetzen, dann sagen Sie, man wolle Inklusion nicht. – Nichts aus meiner Rede rechtfertigt diese Interpretation. Das wissen Sie auch selbst. Sie haben natürlich nur versucht, irgendwo einen Popanz aufzubauen.
Wir wollen Inklusion, aber wir wollen Inklusion schrittweise so umsetzen, wie die zusätzlichen Ressourcen bereitgestellt werden können. Das ist der entscheidende Punkt. Da sind Sie eben ausgewichen, weil Sie nicht gesagt haben, wie das passieren soll, wie Sie die Probleme an den Schulen lösen wollen, wie Sie dafür sorgen wollen, dass die Lehrer nicht mehr unter der Last zusammenbrechen, die Sie heute durch die Forderung nach flächendeckender Umsetzung der Inklusion bringen.
Ich habe Ihnen die Umfragen genannt. Wenn die Mehrzahl der Lehrer sagt, sie können mit den heutigen Mitteln Inklusion nicht umsetzen, und wenn Sie sagen, wer diese Tatsache beschreibt, wolle keine Inklusion, dann legen Sie in
weil Sie dafür sorgen, dass die Menschen zu dem Ergebnis kommen: Das funktioniert nicht. – Aber das wollen wir gerade nicht. Deswegen wollen wir nicht etwa die Aussetzung der Inklusion – das wissen Sie auch ganz genau –, sondern wir wollen, dass schrittweise, Stück für Stück umgesetzt wird, so wie wir die Ressourcen aufbauen können. Dafür haben wir in der letzten Legislaturperiode gestanden, dafür stehen wir auch heute. Sie versuchen es mit der Brechstange.
Herr Kollege Greilich, während Ihrer Regierungsverantwortung waren die Ressourcen für Inklusion gedeckelt, also begrenzt. Das nannte man Ressourcenvorbehalt. Sie haben also mutwillig dafür gesorgt, dass der Inklusion nicht genügend Stellen zur Verfügung gestellt wurden. Jemand, der eine solche Politik gemacht hat,
auf deren Grundlage viele Elternwünsche für Inklusion abgelehnt wurden, ist nicht sehr glaubwürdig, wenn er jetzt auf einmal so tut, als sei er für mehr Ressourcen für Inklusion. Herr Kollege Greilich, der ist nicht sehr glaubwürdig.
Sie fragen, wie wir Inklusion umsetzen wollen. Das will ich Ihnen sagen. Wir haben gesagt: Für den inklusiven Unterricht steht künftig die gesamte sonderpädagogische Ressource, die wir im Schulsystem haben, zur Verfügung, also nicht nur das, was sich die FDP als schmales Kuchenstück ausgesucht hat, sondern die gesamte Ressource. Wenn sich Eltern für den Förderort allgemeine Schule entscheiden, fließt die Ressource von den Förderschulen in den inklusiven Unterricht. Wenn sie es nicht tun, bleibt sie in der Förderschule. Das ist eine konkrete Verbesserung zu dem Umsetzungskonzept, das Ihre Ministerinnen zu verantworten haben.
Sie fragen, wie wir Inklusion konkret umsetzen wollen: indem wir dafür sorgen, dass Förderschullehrkräfte mit vollem Stundendeputat an der allgemeinen Schule sind, und nicht das fortsetzen, was Ihre Ministerin zu verantworten hatte, dass sie immer nur mit zwei oder drei Stunden vorbeigeschaut haben und dann wieder weg waren. Das ist eine konkrete Verbesserung für die Umsetzung der Inklusion.
Wir wollen Inklusion verbessern, indem wir mit den inklusiven Schulbündnissen 210 Stellen obendrauf legen, damit Netzwerkarbeit gemacht werden kann, damit die Schulen im Verbund arbeiten können.
Das sind allein drei konkrete Maßnahmen – für mehr reicht leider die Redezeit nicht –, wie wir Inklusion verbessern.
Sie, Herr Kollege Greilich, und die FDP wären glaubwürdig, wenn Sie auch Vorschläge für eine bessere Umsetzung der Inklusion machen würden. Wenn Sie aber sagen, es ist Ihnen zu schwierig, und Sie machen sich vom Acker, dann erreichen Sie gerade einmal gar nichts.
(Turgut Yüksel (SPD): Und wer war Staatssekretär? – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Du nicht! – Nancy Faeser (SPD): Nette Antwort!)
Meine Damen und Herren! Es läuft in der Tat nicht rund an den hessischen Schulen. Ich will zu Beginn sagen, ich bin der FDP dankbar, dass auch sie den Punkt Überlastung auf die Tagesordnung setzt, dass das nicht ein Thema ist, das nur wir anbringen; denn hier gibt es wirklich viel zu sagen.
Meine Damen und Herren, es macht mich nachdenklich, wenn ich verfolge, wie sich gerade in den letzten Tagen die schwindende Akzeptanz für inklusive Beschulung, aber auch für Ganztag und andere Projekte bei Lehrkräften niederschlägt. Das macht mich nachdenklich, es sollte uns alle nachdenklich machen.
Ich will auch vorweg sagen, dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass wir hier über die Belastungssituation sprechen werden. Wir Sozialdemokraten warten auf die Beantwortung einer Großen Anfrage genau zu dem Thema: Belastungen und Befristungen in der Arbeitswelt Schule. Auch das wird uns sicherlich bald wieder beschäftigen.
Ich will zum Antrag der FDP sagen: Das sehe ich ähnlich wie die Kollegin Faulhaber. Bei der Analyse bin ich erst einmal nahe bei der FDP. Da haben Sie wirklich den Finger in die Wunde gelegt. Bei den Schlussfolgerungen bin ich aber nicht in allen Punkten mit Ihnen einer Meinung.
Da muss ich sogar dem Kollegen Wagner zur Seite springen. In der Tat ist es so: Die Behindertenrechtskonvention ist 2009 in Kraft getreten. Im gleichen Jahr 2009 ist die schwarz-gelbe Landesregierung – es war nicht nur Gelb, es war auch Schwarz – hier in Verantwortung gekommen. Da waren fünf Jahre Zeit, nachdem die Konvention in Kraft getreten ist, sich darauf vorzubereiten, wohl wissend, dass wir einen Mehrbedarf an Lehrkräften für Förderschulen, für Inklusion haben werden.
Ich will aber auch sagen, es ist nicht nur Aufgabe des Kultusministeriums gewesen. Es war sicherlich auch Aufgabe des Wissenschaftsministeriums, unter schwarzer Verantwortung dafür zu sorgen, dass mehr Lehrkräfte an den Universitäten ausgebildet werden.
Man hätte genauso das Lehrerbildungsgesetz so ändern können, dass inklusive Grundkompetenzen Bestandteil der Lehrerausbildung für jedwedes Lehramt sind. Auch das ist unter Schwarz-Gelb in Hessen nicht passiert.
Nun sind aber dreieinhalb Jahre seitdem vergangen, und damit kommt der Ball wieder zur grünen Partei. Leider ist auch in den letzten dreieinhalb Jahren in Sachen Ausbildungskapazitäten, bis es jetzt wirklich eklatant wurde, in Hessen nichts geschehen.
Meine Damen und Herren, die Überlastungsanzeigen sprechen eine deutliche Sprache, die Brandbriefe, aber auch die Frankfurter Erklärung vom 21. März, die die Arbeitsgemeinschaft der Direktorinnen und Direktoren an beruflichen Schulen, der Interessenverband hessischer Schulleiter und die Vereinigung der Schulaufsichtsbeamten in Hessen zusammen mit der GEW verabschiedet haben. Die haben sehr deutlich gesagt, dass die ausgeweiteten Aufgaben von Schulleitungen, von der Schulaufsicht, genauso aber auch von den Lehrkräften unter den aktuellen Ressourcenbedingungen nicht verantwortlich umzusetzen sind.
Es gibt einen Mehraufwand für Inklusion, einen Mehraufwand für Ganztag, einen Mehraufwand für Seiteneinsteiger. Es gibt die Personalentwicklung, das Personalmanagement, Qualitätsentwicklung, Beschwerde- und Konfliktmanagement, vieles Weitere mehr, was einfach notwendig ist, um die Kooperation mit allen an Bildung Beteiligten ordentlich zu organisieren. Dafür fehlt es in der Tat an den ausreichenden Ressourcen in Hessen.
Meine Damen und Herren, der Lehrermangel verstärkt die Belastungssituation noch mehr. Kollege Schwarz hat viel von Stellen gesprochen, die geschaffen wurden. Das wollen wir zum Teil gar nicht in Abrede stellen. Daran konnten wir mitarbeiten.
Aber wenn Sie nicht die Lehrkräfte haben, die diese Stellen besetzen können, und dann auf Pensionäre zurückgreifen, ist das nicht in Ordnung. Dann bringt jede Stelle am Ende nichts.
In der Tat brauchen wir eine umfassende und auch schonungslose Bestandsaufnahme der Handlungsfelder von Schulleitungen, von Schulaufsicht und von Lehrkräften, um die Kernaufgaben zu identifizieren, sie mit einem Stundenkontingent, mit Bedarfen zu hinterlegen, sie in ihrer Wertigkeit anzuerkennen und mit einem zeitlichen Rahmen zu versehen. Deswegen haben sowohl die Liberalen als auch die Sozialdemokraten hier schon mehrfach beantragt, eine entsprechende Studie zu initiieren, wissenschaftlich neutral zu schauen: Wie ist der aktuelle Lehrkräftebedarf? Ist die Grundunterrichtsversorgung, die auf welcher Formel von wann auch immer basiert, überhaupt noch zeitgemäß?
Das haben Sie abgelehnt. Das haben CDU und GRÜNE abgelehnt. Das zeugt davon, dass Sie offenbar Angst haben, was dabei rauskommen könnte.
Wir können den Schulen nicht immer mehr Aufgaben aufbürden, ohne entsprechende Unterstützungs- und Entlas
tungssysteme zu etablieren. Dazu muss ich sagen: Das hat nicht nur etwas mit den Aufgaben zu tun, die hier beschlossen werden. Das hat natürlich auch etwas mit verändertem Erziehungsverhalten und mit den anderen Sozialisationsbedingungen der Schülerinnen und Schüler sowie mit einer anderen Medienwelt zu tun. All das gehört dazu. All dem muss Rechnung getragen werden.
Jetzt will ich noch etwas zu dem sagen, was die Vertreter der GRÜNEN und der CDU gesagt haben. Vermutlich wird das auch der Staatssekretär sagen. Es ist eigentlich immer wieder das Gleiche. Sie verweisen meistens auf Zahlen aus dem Jahr 1999. Das ist fast 20 Jahre her. Sie argumentieren mit statistischen Mittelwerten und mit irgendwelchen Allzeithochzahlen.
Aber all das sagt doch nichts über die einzelne Schule aus, bei der drei, vier oder fünf Lehrerstellen nicht besetzt sind und die die Fachkräfte nicht bekommen. All das sagt nichts über die wirklichen Bedingungen vor Ort aus. Das ist nicht realitätsnah.
Meine Damen und Herren, verstecken Sie sich nicht weiter hinter Zahlen und juristischen Klarstellungen. Finden Sie endlich die Kraft – das wäre ein konsequenter Schritt –, ein Lehrerbildungsgesetz zeitnah auf den Weg zu bringen, mit dem die Herausforderungen angepackt würden und das die Rahmenbedingungen dafür schaffen würde, die Lehrkräfte für alle Herausforderungen unserer Zeit fit zu machen.
Ich spreche heute nach Herrn Kollegen Wagner. Er konnte gar nicht fragen, was die Sozialdemokraten eigentlich wollen. Ich glaube, bei dieser Frage sind wir sehr klar aufgestellt. Das Wesentliche ist natürlich, den Lehrermangel zu beseitigen. Wir sind mit den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE die Einzigen, die in den letzten Jahren nicht schuld daran sind, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht in ausreichender Zahl ausgebildet wurden. Der Lehrermangel muss beseitigt werden, und zwar mit dem aktuellen Weiterbildungsprogramm, mit Anreizen und mit einem Programm, das es für Lehrkräfte attraktiv macht, an diesen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen.
Wir brauchen eine Reform der Lehrerausbildung. Das habe ich schon gesagt. Ich will da noch einmal auf die Frage zurückkommen, wie zeitgemäß unsere Lehrerausbildung ist. Ich habe das hier schon mehrfach gesagt: In sechs Semester für das Grundschullehramt können Sie nicht all das packen, was heute bei so einem Studium an Wissen notwendig ist. Wir brauchen eine Erhöhung der Studiendauer. Optimalerweise sollte es für alle Lehrämter zehn Semester betragen. Das würde am Ende auch bedeuten, dass alle Lehrämter gleich bezahlt werden. Das hat Frau Kollegin Faulhaber schon gesagt.