Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sage aber auch sehr deutlich: Ein nicht unwesentlicher Teil der Flughafenentgelte entsteht aufgrund der Lärmentgeltspreizung, die wir anders als die FDP ausdrücklich wollen und die in letzter Zeit gewachsen ist. Wir wollen Anreize schaffen, möglichst lärmarm zu fliegen. Damit wollen wir nicht mehr Lärm erreichen, sondern wir wollen Lärm vermindern.

Dass Fraport auch unter diesen Bedingungen weiterhin wettbewerbsfähig ist, zeigt das jüngst bekannt gegebene Beispiel Condor; ich erwähnte es bereits.

Meine Damen und Herren, wenn wir gerade bei den Sozialdemokraten in den Gremien der Fraport AG sind, dann muss ich sagen: Der Kontakt scheint in der Tat nicht so eng zu sein. Im Falle des Oberbürgermeisters von Frankfurt könnte das daran liegen, dass er in den meisten Sitzungen nicht da ist. Aber unser Ex-Kollege und ehemaliger Staatsminister Klemm wäre doch gewiss ein aufgeschlossener Ratgeber mit profunden Kenntnissen, der der SPD weiterhelfen könnte, damit hier nicht so viele falsche Dinge behauptet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das, was in Ihrem Antrag steht, leistet nun wirklich keinen Beitrag zur Problemlösung und nutzt damit weder der Fraport AG noch den dortigen Beschäftigten, noch den Menschen, die um den Flughafen herum wohnen, arbeiten und auch schlafen wollen.

In der Debatte am 3. Mai wurde die SPD-Fraktion – in Gestalt des Herrn Fraktionsvorsitzenden – konkret aufgefordert, wenigstens einen einzigen Lösungsvorschlag zu präsentieren. Doch was geschah daraufhin? Es geschah wieder einmal nichts. Deshalb gebe ich heute erneut die Gelegenheit dazu und frage: Verehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, was wäre denn die im Antrag genannte „echte Initiative“, die Sie von der Regierung einfordern? Was meinen Sie denn mit der „Pflicht“ der Regierung, „Einfluss auf die Unternehmensstrategie“ von Fraport zu nehmen? Warum schwallen Sie wieder nur herum, anstatt Ihre Position klar zu benennen oder in einen Arbeitskreis – nein, wie heißt das jetzt? –, in eine Allianz abzuschieben?

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Irgendwie erinnert mich das an Stamokap vergangener Zeiten, als die Wirtschaft von der Staatsseite her gesteuert werden sollte. Das wundert mich sehr. Verehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, vielleicht können Sie Folgendes mit beantworten. Wo, bitte sehr, ist auch nur ein einziger Beleg für Ihre steile These, der Wirtschaftsminister habe den rechtlichen Spielraum gehabt, den Entgeltordnungsantrag der Fraport abzulehnen? Der Kollege Weiß hat nur gesagt, der Minister hätte dies tun können. Behauptungen sind wohlfeil. Wo sind auch nur Hinweise, geschweige denn, Beweise dafür, dass das möglich gewesen wäre?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, keine Antworten, stattdessen Stimmungsmache, die an den Fakten vorbeigeht.

Wir vernehmen obendrein von der verehrten Sozialdemokratie eine Kakofonie von Aussagen über die Entwicklung des Flughafens. Da gibt es Ortsvereine, Ortsbeiratsmitglieder der SPD im Süden von Frankfurt, da gibt es Bürgermeister und Landräte von der SPD, Parteitagsbeschlüsse und schließlich den Frankfurter Oberbürgermeister und die von ihm mit viel Tamtam berufene Fluglärmbekämpferin Frau Dr. F.

(Zurufe von der SPD)

Aus alledem formt sich ein flughafenpolitisches Patchwork der SPD, das alles und nichts an Aussagen enthält, damit sich jeder wiederfinden kann, ohne dass irgendetwas tatsächlich geschieht.

Meine Damen und Herren, reale Veränderungen überlässt die SPD lieber den anderen. Meckern ist auch viel leichter, als selbst Konzepte zu erarbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Es ist ein durchaus mühsames Geschäft, auf der Grundlage der Realitäten politisch und praktisch so zu handeln, dass die Belastung der Menschen rund um den Flughafen reduziert wird und der Flughafen gleichzeitig seine Wettbewerbsfähigkeit sichern kann. Dafür arbeiten wir in der Koalition. Deshalb gibt es Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, deshalb gibt es Lärmpausen, und deshalb streben wir als Nächstes die Vereinbarung von Lärmobergrenzen an. Da wir Erfolge haben, auch wenn Sie diese miesmachen wollen, werden wir auch motiviert und engagiert weiterarbeiten.

Weitere Maßnahmen stehen an. Als Nächstes soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Lastenausgleichsregelung für besonders lärmgeplagte Kommunen folgen, die in Zusammenarbeit mit dem „Forum Flughafen und Region“ erarbeitet wurde und die wir alsbald in Form eines Gesetzentwurfs einbringen werden. Ich bin sehr gespannt,

Herr Kollege Kaufmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

was die SPD dann wieder zu meckern haben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute auf Antrag der SPD erneut den „Rosenkrieg“ zwischen der Lufthansa und der Fraport – übrigens zwei ehemalige Staatskonzerne, die jeweils ihren Profit gefährdet sehen: die Fraport, weil das Geschäft des Hauptkunden Lufthansa zurückgeht, und die Lufthansa, weil ihr Geschäft wegen der Billigfliegerkonkurrenz zurückgeht, der Fraport gerade den roten Teppich in Frankfurt ausrollt. Beide Un

ternehmen eint, dass sie eines wollen, nämlich mehr Wachstum, mehr Flieger, mehr Passagiere, mehr Profit.

Die Eröffnung der Nordwestlandebahn, die noch mehr Menschen verlärmt hat, und der Bau des dritten Terminals, beide Projekte wurde seitens der Unternehmen mit einem angeblichen Kapazitätsengpass begründet, was mit fragwürdigen Prognosen untermauert wurde, die sich allesamt nicht bewahrheitet haben.

Eines der beiden Unternehmen, die damals Gutachten für den Planfeststellungsbeschluss erstellt haben, ist das Unternehmen Intraplan, das seine eigenen Prognosen zum Flughafenausbau von damals nicht mehr aufrechterhält. Schauen wir uns einmal die Prognosen zu den Flugbewegungen an. Intraplan hat 2007 prognostiziert, dass im Jahre 2020 die Zahl der Flugbewegungen bei 701.000 liegen wird. Diese Zahl hat es bekanntermaßen auch in den Planfeststellungsbeschluss geschafft. Ich brauche an dieser Stelle gar nicht hinzuzufügen, dass wir natürlich der Meinung sind, dass die Region eine Steigerung der Zahl der Flugbewegungen um über 50 % – im Vergleich zu heute – überhaupt nicht verkraften würde. Ich will aber schon darauf hinweisen, dass im letzten Intraplan-Gutachten für 2020 die Zahl der prognostizierten Flugbewegungen auf 526.300 gesenkt wurde. Das sind im Vergleich zu der im Planfeststellungsbeschluss genannten Zahl 25 % weniger. Im letzten Jahr waren es übrigens 462.000 Flugbewegungen, also weniger als im Vorjahr. Das heißt, die Zahl der Flugbewegungen ist seit Jahren rückläufig.

Schon diese Zahlen zeigen, dass die dem Planfeststellungsbeschluss von 2007 zugrunde liegenden Prognosen pure Fantasie waren, dass sie völlig an der Realität vorbeigingen.

Wir haben den Flughafenausbau abgelehnt, weil wir der Meinung sind, dass die Region ein Mehr an Flugbewegungen nicht verkraften würde und dass es um die Gesundheit und um die Lebensqualität der Menschen geht. Wir haben den Flughafenausbau aber auch deshalb abgelehnt, weil es überhaupt keinen Bedarf gibt. Das sehen wir an diesen Zahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb haben wir jetzt die Situation, dass Überkapazitäten geschaffen wurden, die man mit Billigfliegern aufzufüllen versucht. Jetzt sollen Billigflieger die teuer geschaffenen, aber gar nicht benötigten Kapazitäten auffüllen, allen voran Oberfiesling Ryanair.

Das gefällt weder dem Hauptkunden Lufthansa noch den fluglärmgeplagten Anwohnern in der Region. Hier geht es nicht um ein sinnvolles und notwendiges Verkehrsangebot, sondern um das Auffüllen überflüssiger Kapazitäten – auf Teufel komm raus.

Ein grüner Verkehrsminister in dieser Landesregierung genehmigt dann auch noch eine Entgeltordnung, die Ryanair mit Rabatten anlockt und den roten Teppich ausrollt. Herr Minister, diese Entgeltordnung hätten Sie nie genehmigen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lufthansa rümpft jetzt die Nase und zieht symbolisch fünf ihrer 14 „Flaggschiffe“ vom Typ A 380 nach München ab. Hier ist die Lufthansa Mitbesitzer eines Terminals und muss sich nicht mit einem Betreiberkonzern herumärgern.

Ich will darauf hinweisen, dass mit dem Abzug eines Teils der A-380-Flotte auch die Begründung für den Bau des Terminals 3 komplett ad absurdum geführt wird. Die Argumentation der Fraport für den Bau des Terminals 3 war ja, dass man mehr Gebäudepositionen für Großraumflugzeuge brauche, weil sonst immer mehr Fluggäste per Bus vom Rollfeld zum Terminal gefahren werden müssten.

Wir haben vor einiger Zeit eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass im Planfeststellungsbeschluss prognostiziert wurde, dass im Jahre 2020 der Anteil der Flugzeuge der Gewichtsklasse Heavy und Super Heavy ungefähr 36 % betragen werde. 2020 ist gar nicht mehr so weit weg. Aktuell haben wir einen Wert von ungefähr 23,5 %. Dieser Wert war in den letzten Jahren sogar rückläufig.

Auch zu dem Thema „Nutzung der Flugsteige“ hat DIE LINKE eine Anfrage formuliert. Und siehe da: Trotz steigender Fluggastzahlen werden weniger Passagierflüge über eine Vorfeldposition abgefertigt. Dies geht aus der Antwort klar hervor. Das heißt, wir haben überhaupt keinen wachsenden Bedarf. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass der Bedarf an Abfertigungspositionen für Großmaschinen innerhalb von acht Jahren um 25 % steigt. Aufgrund des Abzugs eines Teils der A-380-Maschinen ist der Bedarf sogar noch geringer. Um es direkt zu sagen: Wir könnten den Bau von Terminal 3 jetzt endgültig sein lassen oder ihn zumindest unterbrechen.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Nebenbei bemerkt: Eine solch absurde Situation holt man sich ins Haus, wenn man die Verkehrsinfrastruktur privatisiert. Ein Flughafen sollte unserer Meinung nach keine Rendite für Aktionäre erwirtschaften, sondern ein sinnvolles und bedarfsgerechtes Verkehrsangebot für die Region sicherstellen, und er sollte nicht mit Flughäfen in aller Welt, z. B. mit denen in der arabischen Wüste, um Umsteigepassagiere konkurrieren und sich in einen Wettlauf mit ihnen einlassen.

(Michael Boddenberg (CDU): Der Teil hat mir noch gefehlt! Wer sind denn die Aktionäre des Flughafens? Wissen Sie, wer die Aktionäre des Flughafens mehrheitlich sind? Das sind die Bürger, die oben auf der Tribüne sitzen, Frau Kollegin!)

Herr Boddenberg, ich weiß sehr wohl, wem dieser Flughafen gehört.

(Michael Boddenberg (CDU): Offensichtlich nicht! Sonst würden Sie an der Stelle nicht solch einen sozialistischen Unsinn reden! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Nur, wenn wir sagen, dass Fraport mehrheitlich ein Unternehmen in öffentlicher Hand ist, erzählen Sie, das sei aber privatrechtlich, und wir hätten hier nicht mitzureden. Jetzt, da es Ihnen gerade einmal passt, erklären Sie, die Bürger seien die Eigentümer dieses Flughafens. Überlegen Sie sich also bitte, auf welche Linie Sie sich festlegen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Selbstverständlich, wir machen das nur für die Bürger!)

Sie machen das nur für die Bürger, natürlich. – Ich komme noch einmal auf die Bürger zurück: Der Kostendruck, der durch diesen Wettbewerb entsteht, wird vor allem an

die Beschäftigten am Flughafen weitergegeben. Wir reden immer von Arbeitsplätzen, wenn es darum geht, den Flughafen auszubauen. Aber in Wahrheit werden viele der vorhandenen Arbeitsplätze zusehends prekärer.

(Michael Boddenberg (CDU): Darum kümmern Sie sich doch gar nicht! Sie wollen den Flughafen in Wahrheit schließen! Sie wollen die Landebahn stilllegen!)

Herr Boddenberg, ich weiß, für die CDU ist es eine harte Woche. Dafür habe ich Verständnis. Aber vielleicht können Sie jetzt trotzdem einen Moment lang ruhig bleiben.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Fraport-Tochterfirmen leisten sich einen Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten. Ein guter Teil der Beschäftigten sind Leiharbeiter – denken wir nur an die Bodenverkehrsdienste. Die Gewerkschaft ver.di spricht von einem „zunehmend erbarmungslosen Absenkungswettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten … und den knappsten Personaleinsatz“. Dabei geht es auch um Fragen der Sicherheit.

Im Übrigen war in der „Frankfurter Rundschau“ vor Kurzem zu lesen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bodenverkehrsdienst bereits darum sorgten, wie es um die Sicherheit bestellt wäre, wenn sie für die Abfertigung von Flugzeugen, die bisher in 40 bis 50 Minuten entund beladen worden seien, zukünftig nur noch 25 Minuten zur Verfügung haben sollten. Zu dem Druck auf die Arbeitsbedingungen, der durch die Billigfliegerkonkurrenz entsteht, kommt jetzt als Extrawurst eine beschleunigte Abfertigung in Frankfurt hinzu. Auch das bedeutet Druck auf die Beschäftigten.

Diese ganze Entwicklung zeigt, dass es überhaupt nicht um Arbeitsbedingungen geht. Das, was am Flughafen gerade passiert, bedeutet nämlich eine Verschlechterung der Arbeitsplätze.