Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht – Drucks. 19/5015 –

Der Gesetzentwurf wird eingebracht vom Sozialminister, Herrn Staatsminister Stefan Grüttner. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. Januar 1992 trat das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige in Kraft. Noch im gleichen Jahr wurde das Hessische Ausführungsgesetz zum Betreuungsgesetz auf den Weg gebracht. Nach mehreren Novellierungen läuft es am Ende dieses Jahres ab und tritt damit außer Kraft.

Ein kurzer Blick zurück. Die Ablösung des seit Langem in Kritik stehenden Vormundschaftsrechts galt als Jahrhundertreform. Der Bundesgesetzgeber schuf eine völlig neue Rechtsvertretung für Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund einer Behinderung oder Erkrankung ihre Rechte nicht selbstständig wahrnehmen können. Zielsetzung wurde eine persönlich durchgeführte rechtliche Vertretung, die sich ausschließlich am Wohl des betreuten Menschen sowie dessen Wünschen und Lebensentwurf orientiert. Jedem Betreuten wurde mit Beginn der Reform ein eigener aktiver Interessenvertreter zugeordnet. Man wollte damit weg von den mit Fällen überlasteten Amtsvormündern, die angesichts der hohen Fallzahlen nicht mehr in der Lage waren, die Betroffenen persönlich zu begleiten.

Für den Fall, dass keine Angehörigen die Betreuung übernehmen können, wurde festgelegt, die rechtliche Vertretung vorrangig von Erwachsenen, die sich freiwillig sozial engagieren, wahrnehmen zu lassen. Damit gelang ein wichtiger Fortschritt im Interesse der Betroffenen, gleichzeitig aber auch eine Rückbesinnung auf das klassische bürgerliche Ehrenamt.

Wenn das der Fall ist, dann ist es natürlich eine permanente Aufgabe, entsprechende Betreuerinnen und Betreuer zu gewinnen, zu qualifizieren, zu schulen. Es bedarf auch eines hohen Maßes an persönlichem Einsatz im Hinblick auf die Verantwortlichkeiten, die ehrenamtliche Betreuer an dieser Stelle wahrnehmen. Umso notwendiger ist es, die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer auf ihre Aufgaben qualifiziert vorzubereiten.

Um zu gewährleisten, dass alle Betreuungsvereine die rechtlichen und qualitativen Voraussetzungen erfüllen, regelt das vorgelegte Ausführungsgesetz das Verfahren zur Anerkennung der Betreuungsvereine. Zuständig hierfür sind die Regierungspräsidien. Dem Sozialministerium obliegt die Fachaufsicht. Zurzeit gibt es in Hessen 53 anerkannte Betreuungsvereine.

Weiterhin sieht das Ausführungsgesetz das Sozialministerium als überörtliche Betreuungsbehörde vor. Diese soll in Zusammenarbeit mit den Betreuungsbehörden auf lokaler Ebene, den Betreuungsvereinen und Betreuungsgerichten darauf hinwirken, dass eine ausreichende Anzahl von Betreuerinnen und Betreuern zur Verfügung steht. Dabei sollen sowohl Betreuerinnen und Betreuer als auch Personen, die eine Vollmacht erhalten haben, in ihre Aufgaben eingeführt und fortgebildet werden.

Ferner ist die überörtliche Betreuungsbehörde zuständig für die Beratung und Unterstützung der Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine, für die überregionale Fortbildung von Betreuerinnen und Betreuern, für das Verfahren zur Anerkennung sowie die Förderung von Betreuungsvereinen.

Vor diesem Hintergrund regelt der vorliegende Gesetzentwurf einen ganz wesentlichen Bereich, der in unmittelbarem Zusammenhang mit unseren Mitmenschen steht, die

entsprechende Unterstützung brauchen. Ich denke, dass wir im Ausschuss eine konstruktive und gute Diskussion zu diesem Gesetzentwurf haben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Minister, herzlichen Dank für die Einbringung des Gesetzentwurfs. – Wir eröffnen die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege René Rock, Fraktionsvorsitzender der FDP und aus Seligenstadt.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Vorort von Froschhausen!)

Richtig.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von der FDP: Schöner als Froschhausen! – Gegenruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD): Dazu gehört nicht viel!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zwischen die Kernstadt Seligenstadt und den Ortsteil Froschhausen passt kein Blatt Papier.

(Beifall des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Da ist alles in Ordnung. Das will ich hier nur einmal vorwegschicken. Aber aus der Kommunalpolitik wieder zurück in die Landespolitik.

Der Minister hat darauf hingewiesen: Das Betreuungsrecht ist ein wichtiges Recht. Das ist eine kluge Weiterentwicklung gewesen. Es ist notwendig, jedes Jahr neue ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen.

Die Landesregierung nimmt das Thema ernst, das kann man nicht in Abrede stellen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass in den letzten Haushaltsberatungen zusätzliche Mittel eingesetzt worden sind, um auch Betreuungsvereine, die in Probleme geraten sind, zu unterstützen. Hier wird genau hingeschaut. Es besteht, glaube ich, großer Konsens, dass die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer ein wichtiger Fokus der Landespolitik ist.

Ich selbst bin im Ehrenamt für das Deutsche Rote Kreuz tätig und kann dazu sagen, dass wir jetzt im letzten Landkreis, in dem wir noch keinen Betreuungsverein hatten, einen solchen auf die Beine gestellt haben. Der Antrag auf Genehmigung liegt beim Regierungspräsidium. Demnächst können wir in allen Landkreisen wieder einen Betreuungsverein darstellen.

Mir liegt besonders am Herzen, noch einmal deutlich zu machen, wie die Herausforderungen für ehrenamtliche Betreuer aussehen. Ehrenamtliche Betreuer haben in der komplexen rechtlichen Umwelt, in der sie tätig sind, Regeln zu beachten. Wichtig ist, dass ehrenamtliche Betreuer rechtlich auf den neuesten Stand gebracht werden; denn nichts ist schlimmer, als etwas zwar gut gemeint zu haben, dann aber das eine oder andere nicht beachtet zu haben und in Teufels Küche zu kommen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Darum ist es sehr wichtig, dass sich ehrenamtliche Betreuer auch des rechtlichen Umfelds, in dem sie tätig sind, bewusst sind und dass sie immer auf dem neuesten Stand

sind. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass sie organisatorisch unterstützt werden und das Handling einer gesetzlichen Betreuung nahegebracht bekommen. Auch das tun Betreuungsvereine.

Auch darf man nicht unterschätzen, wie hoch die psychische Belastung für Angehörige sein kann, die Verwandte, enge Verwandte betreuen und all dem ausgesetzt sind, was Demenz und andere Themen vielleicht nach sich ziehen. Auch diesbezüglich unterstützen Betreuungsvereine die ehrenamtliche Tätigkeit, die nicht hoch genug einzuschätzen ist, mit ehrenamtlichem Umfeld, aber auch mit professioneller Unterstützung.

An meiner Rede erkennt man schon, dass es hier wenig Kritik gibt. Ich kann mir auch vorstellen, dass das hier alles einstimmig vonstattengeht.

Zwei kleine Punkte müssen wir im Ausschuss wohl noch erläutert bekommen. Zum einen ist das die Frage, warum ein Örtlichkeitsprinzip vorgesehen werden soll. Ich komme aus einer Gemeinde, die an der Landesgrenze liegt. Warum kann man nicht auch einen Betreuungsverein aus einem anderen Bundesland nutzen? Man sollte erläutern, warum die Festlegung eines Örtlichkeitsprinzips im Gesetz notwendig sein soll.

Als jemand, der bei einem freien Träger, bei einem gemeinnützigen Verein tätig ist, sage ich außerdem: Gemeinnützigkeit ist natürlich ein hohes Gut. Warum dieser Aspekt aber sozusagen ein Ausschlussgrund werden soll, muss man im Ausschuss vielleicht noch darlegen; das ist mir nicht sofort zugänglich gewesen.

Aber das sind minimale Bereiche, über die wir noch diskutieren sollten und für die es wahrscheinlich stichhaltige Erklärungen gibt, die sich dann vielleicht schon aus den Unterlagen der Regierungsanhörung ergeben können.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb zusammenfassend: Oft wird ja über Streit im Hessischen Landtag gesprochen. Ich glaube, hierüber gibt es keinen Streit. Wir sind uns einig, dass diese ehrenamtliche Tätigkeit unterstützt werden muss. Wir müssen sehen, wie man sie am besten unterstützen kann – die Aktivitäten vor Ort, die Betreuungsvereine, die dort engagierten Menschen, die hauptamtlich und ehrenamtlich Betreuer fördern und unterstützen.

Dabei haben Sie, Herr Minister, die Freien Demokraten an Ihrer Seite. Das muss weiter vorangetrieben, das muss unterstützt werden. Darum glaube ich, dass wir diese Debatte sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum in großem Konsens weiter führen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Claudia Ravens- burg (CDU))

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mich den Worten des Vorredners anschließen, wenn es darum geht, dass wir alle den größten Respekt vor den Menschen

haben, die draußen im Land ehrenamtlich betreuen, und dass wir diese Arbeit unbedingt unterstützen müssen.

(Beifall der Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))

Die Frage ist allerdings, in welcher Form wir das tun sollen, wie es sinnvoll und richtig ist und was genau notwendig wäre.

Den Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, haben wir vor allem deshalb vorliegen – damit hätte er beinahe schon in das Sammelgesetz von vorhin gepasst –, weil die Regelung ausläuft und wir uns dieses Gesetzes deshalb annehmen müssen. Was man aber tatsächlich alles hätte tun können und müssen, um die Betreuung und insbesondere die Situation der Betreuungsvereine in diesem Land zu verbessern, bearbeitet dieser Gesetzentwurf nicht wirklich gründlich.

Da gibt es schon noch ein paar mehr Anforderungen dahin gehend, wie die Arbeit aussehen sollte und müsste, als das, was hier aufgeschrieben ist. Es gibt eine große Debatte, die bundesweit geführt wird und dort auch geführt werden muss. Dort wird zurzeit auch überprüft, ob die Art und Weise, wie man die Qualität der Betreuung sicherstellt und wie man Berufsbetreuer bezahlt und entlohnt, denn die richtige ist. Die Frage ist auch, ob man das Thema an dieser Stelle nicht hätte insgesamt angehen sollen und müssen, aber nicht deshalb, weil es jetzt sozusagen turnusgemäß dran ist.

Wenn es schon turnusgemäß dran ist, dann sollten wir wirklich genau hinsehen, wie wir mit der Betreuung, den Entgelten und auch der Finanzierung der Betreuungsvereine umgehen. Wollen wir das von der jeweiligen Kassenlage abhängig machen? Oder sollten wir nicht sagen: „Es ist tatsächlich eine Notwendigkeit, dass wir sicherstellen, dass es überall Betreuungsvereine gibt und geben kann, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage vor Ort“?

Ich bin ja froh, wenn ich jetzt höre, dass wir nun auch noch auf dem letzten weißen Fleckchen einen Betreuungsverein bekommen. Wenn damit tatsächlich ganz Hessen abgedeckt wäre, würde mich das freuen. Ganz sicher bin ich mir an dieser Stelle aber nicht. Ich glaube, es gibt noch kreisfreie Städte, in denen Betreuungsvereine fehlen; da müssten wir gegebenenfalls nachschauen.

Es ist schon eine wichtige Position, diese Ansprechpartner vor Ort zu haben. Dann müssen wir schauen, wie sie ausgestattet sind und was sie für das Geld, das sie haben, leisten müssen. Wenn wir über 4.000 ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer regelmäßig beraten wollen, dann muss auch die Möglichkeit vorhanden sein, das tatsächlich gut und professionell zu tun. Die Betreuungsvereine müssen dann entsprechend ausgestattet sein.

Diese ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer betreuen nicht immer nur einen Menschen. Die Sachverhalte, um die es da geht, sind häufig sehr kompliziert. Der Laie hat nicht den juristischen Background. Er kennt auch häufig nicht die Zusammenhänge, die da notwendig und hilfreich sind. Er braucht deshalb Ansprechpartner, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

In der Umsetzung heißt das auch, dass der Mensch, wenn er denn Betreuer ist, nicht nur einmal in seinem Leben einen Rat und einen Ansprechpartner braucht. Es geht also nicht: Sie kriegen eine einführende Grundausbildung, und dann ist es fertig. – Vielmehr ist das ein kontinuierlicher

Prozess. Das heißt, die Ansprache aus dem Betreuungsverein wird mehr oder weniger regelmäßig in Anspruch genommen.

Deshalb müssen wir das absichern, wenn wir die Betreuerinnen und Betreuer tatsächlich nicht verlieren wollen. Das Gegenteil sollte sogar der Fall sein. Sie sollten sagen, dass das eine Aufgabe ist, die Spaß macht. Sie sollen in ihrem Umfeld sagen: Ich werde durch den Betreuungsverein weiterhin gut begleitet. Ich übernehme mich mit der Betreuung nicht. – Denn es sollten am Ende nicht alle des Umfeldes abgeschreckt sein und sagen: Um Gottes willen, so etwas mache ich auf keinen Fall.