Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Aktuell sind der offene Vollzug und die Ausführung ausdrücklich vom Weisungsrecht ausgeschlossen. In der Gesetzesbegründung von damals wird dies damit erklärt, dass in diesen Fällen Weisungen erkennbar keinen Sinn machen. Auch weil das Nichtbefolgen von Weisungen einen Widerruf der vollzugsoffenen Maßnahmen begründen kann, ist das jetzt eine relevante inhaltliche Änderung, die weit über das hinausgeht, was Sie in ihrer Begründung darlegen.

Wenn Sie nur die Möglichkeit der elektronischen Überwachung bei der Ausführung erreichen wollen, warum haben Sie das in Ihrem Gesetzentwurf nicht auch so geändert, dass Sie nur diese Rechtswirkung erreichen? Können Sie das nicht besser? Wollen Sie das nicht besser? Machen Weisungen jetzt etwa auch im offenen Vollzug Sinn? Wollen Sie sich um eine Drittbeteiligung bei einer solchen relevanten Änderung herummogeln? Meine Damen und Herren, das nenne ich respektlos und schlechten Stil.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich schließe mit der gleichen Bemerkung wie meine Vorrednerin. Zu einem guten Stil würde es eben auch gehören, dass uns Abgeordneten, dem Gesetzgeber, frühzeitig die Evaluierungsunterlagen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass wir jedes Mal danach fragen müssen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Dr. Wilken. – Das Wort hat Frau Abg. Karin Müller, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kassel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich dachte, dass wir in dieser Plenarrunde einmal wieder das effektivste Gesetz dieser Woche verabschieden, nämlich ganz viele Gesetze und Rechtsverordnungen mit wenig Änderungsbedarf und auch wenig Redezeitbedarf, weil wir meistens die Redezeit nicht ausschöpfen. Das scheint heute nicht der Fall zu sein.

Deswegen gehe ich auch kurz auf meine Vorrednerinnen und Vorredner ein. Frau Hofmann, wenn Sie so erheblichen Änderungsbedarf beim Energiegesetz haben, dann frage ich mich, warum Ihre Fraktion nicht längst eines eingebracht hat. Wir sehen keinen Änderungsbedarf, weil diese Regierung gut arbeitet und in dem Bereich Energie ganz viele Dinge vorangebracht worden sind: Solarkataster, Energieeffizienz, Energieberatung, und es gibt ganz viele weitere Dinge. Da würden meine 7,5 Minuten jetzt nicht ausreichen. Deswegen bin ich gespannt, was Sie noch für Änderungsvorschläge haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dann das Thema Insolvenzverordnung. Es gibt eine kritische Anmerkung. Aber es gibt auch ganz viele positive. Die kritischen Anmerkungen wurden erläutert und teilweise auch aufgelöst. Ich denke, wir können das im Ausschuss auch gerne noch einmal vertieft diskutieren. Aber auch hier gilt: Es ist ein Sammelgesetz. Wenn das Insolvenzgesetz nach Ihrer Vorstellung geändert werden muss, bringen Sie einen Gesetzentwurf ein. Aber üben Sie nicht immer die Fundamentalkritik an dem Sammelgesetz. Das ist einfach der falsche Ort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Nicht erwähnt haben Sie nämlich die positiven Dinge, das Gesetz über die Hessische Rechtsanwaltsversorgung. Dort wurde jetzt festgelegt, dass das Höchstalter von 45 Jahren zur Pflichtmitgliedschaft aufgehoben wurde. Damit waren die Rechtsanwaltskammern Kassel und Frankfurt sehr einverstanden. Dies haben sie sehr positiv begrüßt. Das hätte man auch erwähnen können.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Einverstanden!)

Das machen wir jetzt ziemlich schnell und gehen diese Änderung an. Oder auch bei dem Dolmetschergesetz. Dort wird eine EU-Richtlinie angepasst. Auch das wurde alles positiv bewertet.

Insgesamt denke ich, wir haben weiterhin ein effizientes Verfahren gewählt, indem wir viele Gesetze, in denen es keinen oder wenig Änderungsbedarf gibt, zusammengefasst haben, und ich freue mich auf die weitere Diskussion in dem Ausschuss.

Dort kriegen wir wie immer auch die Anhörungsunterlagen. Es war bis jetzt immer Usus, dass wir nach der Einbringung die gesammelten Anhörungsunterlagen kriegen. – Vielen Dank. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Müller. – Jetzt spricht Kollege Dr. Blechschmidt, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich bekenne vorab, ich bin ein großer Fan von Sammelgesetzen. Das resultiert vielleicht auch aus fünf Jahren Regierungstätigkeit, wo ich den Vorteil kennengelernt habe. Aus Oppositionszeit schaut man etwas kritischer darauf. Herr Wilken hat es getan. Ich will auf den Punkt auch zurückkommen, der mir aufgefallen ist. Ob das jetzt eine Funda

mentalkritik der SPD war oder Punkte, die sie erörtert haben will, lasse ich einmal dahingestellt; denn ich halte das Instrumentarium des Sammelgesetzes für richtig.

(Beifall des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Wir müssen im Parlament aufpassen, wie wir diskutieren und was wir diskutieren, worauf wir Zeit verwenden. Sammelgesetze, wie ich sie bisher verstanden habe – so war das zumindest in den fünf Jahren CDU/FDP der Fall –, sollten effizient sein, nur kleine Änderungen und redaktionelle Anpassungen beinhalten und dem Parlament die Möglichkeit geben, über das zu diskutieren, was wesentlich ist, und die Dinge außen vor zu lassen, die nicht unbedingt im Parlament diskutiert werden müssen. Das sind also Effizienzpunkte.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns das anschauen, sehen wir, aus unserer Sicht tragen sämtliche Punkte – ich habe mir vorab die Rechtsanwaltsversorgung zum Inhalt gemacht; da sind die Kammern beteiligt – dem Rechnung.

Bei einem Punkt ist das nicht der Fall, Frau Müller. Da wäre es gut, wenn ein Vertreter der Regierung darauf eingeht. Vielleicht kann es auch Herr Honka machen. Ich glaube sogar, dass die Ministerin das machen muss. Das ist der Punkt, der von den LINKEN erwähnt wurde. Wir haben hier eine Änderung, die meines Erachtens einem Sammelgesetz nicht zuträglich ist.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der SPD)

Ich möchte den Punkt aus Sicht der Liberalen betonen und vielleicht die Nuance etwas verändern, nicht so drastisch machen, wie der Kollege der LINKEN das getan hat, einfach um zu ermöglichen, dass die Ministerin das klarstellen kann. Wir würden den Punkt in dem Ausmaß, wie er im Sammelgesetz verfasst ist, mittragen, haben aber schon Bedenken, ob er in ein Sammelgesetz hineingehört.

Es geht hier – Herr Kollege Wilken hat es angeführt – um die geplante Änderung des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes, die unserer Auffassung nach keine geringfügige Änderung ist. Hier sollen zukünftig ohne Ausnahme bei sämtlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen Weisungen erteilt werden können. Hier meinen wir, dass in der Tat – der Kollege hat es ausgearbeitet; ich möchte es nochmals betonen – die geplante Neufassung des § 14 Abs. 1 zu weit gefasst ist und vom Sammelgesetz und seiner Begründung nicht getragen ist.

§ 14 Abs. 1 Satz 2 sieht nicht nur, wie in der Begründung dargestellt, die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes vor, wie Sie angeführt haben, sondern sieht acht weitere Punkte vor, dass man den Wohn- und Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis verlassen kann, sich nicht an einem bestimmten Ort aufhalten darf, Kontakt mit bestimmten Personen oder Gruppen zu meiden hat. Das sind nur drei von den acht Punkten. Ich will die anderen nicht zitieren, weil es Gesetzestext ist, der von der Begründung nicht erfasst ist.

Das heißt, wenn man in das Sammelgesetz und in die Begründung schaut, den Wortlaut des § 14 nimmt und sieht, was in Abs. 1 herausgestrichen wird, dann sieht man, dass Abs. 2 immer noch bleibt, der weitaus mehr als die elektronische Überwachung des Aufenthaltsorts beinhaltet. Das ist von der Begründung des Sammelgesetzes nicht erfasst.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der SPD)

Herr Wilken, ich weiß, dass Sie manchmal in der Sprache sehr mächtig sind. Ich will eine liberale Auffassung vertreten und vielleicht der Ministerin die Möglichkeit geben, den Punkt klarzustellen. Wir haben in der Fraktion diskutiert. Es gibt zwei Schlüsse. Entweder hat die Landesregierung nur die elektronische Überwachung, also Nr. 9 des § 14 Abs. 1, auf sämtliche vollzugsöffnenden Maßnahmen ausweiten wollen. Dann ist die geplante Änderung bei Nr. 1 bis 5 unverhältnismäßig. Die Alternative wäre, die Landesregierung – das wäre Ihre Version, nur etwas liberaler vorgetragen – hat es unterlassen, dem Parlament die Begründung für die Öffnung der Nrn. 1 bis 8 mitzuliefern. Ohne eine solche Begründung wäre es aber unzureichend, eine solche umfassende Änderung in einem Sammelgesetz zu verabschieden.

Frau Ministerin, wir haben die Hoffnung, dass Sie diesen Punkt heute klarstellen. Da Sie wahrscheinlich klarstellen werden, dass nur Nr. 9 erfasst ist, wie die Begründung es ergibt, müsste man das andere herausstreichen. Dann würden wir das Sammelgesetz mittragen. Wenn allerdings auch die Nrn. 1 bis 8 erfasst werden sollen, geht das weit über das hinaus, was Sammelgesetze beinhalten.

Abschließend. Wir müssen erstens aufpassen, was wir in den Sammelgesetzen unterbringen. Ich erinnere mich, dass vor 20 Jahren, als ich kommunalpolitisch tätig war, ein für den Hochtaunuskreis und Bad Homburg wesentliches Gesetz einen kleinen Absatz enthielt, der im Landtag diskutiert wurde und zu Riesenauswirkungen geführt hat. In der zweiten oder dritten Lesung wurde gemerkt, dass dieser Absatz absichtlich oder unabsichtlich hineingearbeitet wurde. Ich plädiere dafür, das Instrument Sammelgesetz hochzuhalten und nur das hineinzutun, was geringfügige Änderungen oder redaktionelle Änderungen beinhaltet. Deshalb bin ich gespannt, ob Herr Honka oder die Ministerin Aufklärung geben können, sodass wir wieder zu der guten Kultur des Sammelgesetzes zurückkehren können. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Dr. Blechschmidt. – Die Fragen werden jetzt vom Kollegen Honka beantwortet. Er ist der nächste Redner. Bitte.

(Günter Rudolph (SPD): Das glaube ich nicht!)

Doch, der macht das.

(Günter Rudolph (SPD): Der ist befangen, der kommt aus Offenbach!)

Hochverehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei all dem Lob vom Kollegen Dr. Blechschmidt; weil das noch immer ein Gesetzentwurf der Regierung ist, werde ich nicht versuchen, alle Details und Ihre Fragen im Einzelfall zu beantworten. Ich glaube, dafür – das ist geübte Praxis bei Sammelgesetzen – bekommen wir nach dieser Einbringung die Unterlagen, die die Regierung in ihrer Anhörung eingeholt hat. Dann können wir ganz entspannt über die Fragen nachdenken, die Sie hier aufgeworfen ha

ben, was das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz angeht.

Ein zweiter inhaltlicher Punkt zu dem, was Frau Kollegin Hofmann angesprochen hat: Der freiwillige Polizeidienst ersetzt nicht die Polizei, sondern er ist nach unserer Intention eine Ergänzung. Das war er, das ist er, und das bleibt er. Wenn Sie es immer noch nicht verstanden haben, tut es uns ganz herzlich leid.

(Beifall bei der CDU)

Insofern ist dieser Gesetzentwurf, das Sammelgesetz, an dieser Stelle vielleicht für den einen oder anderen diskussionswürdig. Er ist aber in der absoluten Mehrzahl seiner Punkte ein Weg, effizient damit umzugehen. Auch das Verfahren, das wir haben, Gesetze entweder auf fünf oder auf acht Jahre zu befristen, hat sich bewährt. Gerade die Debatten, die wir an kleinen Punkten dabei haben, zeigen, dass es sich bewährt hat.

In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die Vielzahl der Unterlagen, die wir jetzt noch in Ergänzung erhalten werden, und auf die Debatten im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Honka. – Die Frau Ministerin spricht noch ein Schlusswort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diesen Gesetzentwurf in erster Lesung eingebracht. Herr Kollege Blechschmidt, es ist gute Übung, alle Anhörungsunterlagen und alle Unterlagen dem Ausschuss umgehend zur Verfügung zu stellen. Wir haben Gelegenheit, im Ausschuss über das zu reden, was Sie zuletzt angesprochen haben, ob das den Umfang aus Ihrer Sicht noch umfasst oder nicht. Deswegen schlage ich Ihnen vor, dass wir im Ausschuss diese Debatte im Detail zu den einzelnen Vorschriften führen. Dazu wird Gelegenheit sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Keine weiteren Wortmeldungen.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Rechtspolitischen Ausschuss. Das ist allgemein so gewünscht.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 5 auf: