Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

und außerdem weil Kollege Blechschmidt auf seine Ablösung wartet.

(Zurufe von der CDU)

Wenn sich alle beruhigt haben, würde ich vielleicht anfangen. Das wäre gut.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Als Verbindungsglied! – Norbert Schmitt (SPD): Als Vermittler zwischen Waschbär und Kormoran!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Weder dem SPD-Antrag zur Aufhebung der Schonzeit für Waschbären noch dem Antrag der FDP zur Kormoranverordnung können wir zustimmen.

Ich fange einmal mit dem Waschbären an. Niemand geht heute mehr davon aus, dass Waschbären bei uns wieder auszurotten sind. Einige Wissenschaftler sprechen inzwischen sogar schon von einer einheimischen Art. Deshalb geht es jetzt ans Integrieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Die auftretenden Konflikte führen schnell zu Extrempositionen. Allerdings ist der Frontverlauf in dieser Debatte viel unübersichtlicher, als diese beiden Anträge annehmen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Weder Naturschützer noch Jäger haben eine einheitliche Position gefunden, was den Waschbären und auch andere invasive Arten angeht. Dass man die Ausbreitung der Kleinbären mit der Abschaffung der Schonzeit regulieren kann, bezweifeln jedoch beide Gruppen. Es gibt gute Gründe dafür. Untersuchungen gehen davon aus, dass sich die Waschbären schneller vermehren, wenn sie stark bejagt werden. Dann bekommen auch diejenigen Weibchen Nachwuchs, die normalerweise erst nach ihrer Jugend im Folgejahr trächtig geworden wären.

Selbst Jäger, z. B. die Wildland-Stiftung Bayern, die die Aufhebung der Schonzeit in der Rhön gefordert hatte, kamen später zu folgender Erkenntnis. Ich zitiere:

Man kann den Waschbären nicht durch Jagd eindämmen. … Die Eindämmung der flauschigen Raubtiere ist mutmaßlich nur durch natürliche Feinde wie den Wolf, der noch nicht wieder in der Region lebt, oder den Uhu … möglich. Oder die Population erkrankt an Staupe oder ähnlichen Krankheiten, die dann den Bestand verringern.

In Sachsen untersuchte man die Jagdstreckenentwicklung von Raubtieren und stellte fest, dass in einem Verbrei

tungsgebiet die Zahl der Raubtiere über Jahre gleich blieb – sowohl die der heimischen als auch die der Neuankömmlinge.

Untersuchungen zum Fressverhalten der Waschbären bestätigten keines der einschlägigen Vorurteile. Sie fressen nicht in erster Linie Vogelgelege. Sie ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen und wirbellosen Tieren.

(Zuruf von der CDU: Erdbeeren und Kirschen!)

Nur zu 15 % sind ihre Nahrung Wirbeltiere. Aus alldem wird deutlich: Eine invasive Art kann schnell in Verruf geraten, wenn nur auf isolierte Faktoren geschaut wird.

Anders gesagt: Es gibt selten einen Hauptfeind, sondern ein Zusammenspiel von vielen Faktoren, wenn eine Art im Bestand gefährdet ist. Wenn derzeit der Vogelbestand dramatisch zurückgeht, sind Nesträuber nur ein Mosaikstein. Den Vögeln setzen vielmehr Monokulturen, Agrargifte wie das Neonicotinoid oder die Überdüngung und die Versiegelung der Landschaft mit Siedlungen, Industrie und Verkehrswegen zu.

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zum Kormoran, dessen Bestand sich in Hessen halbiert und auf einem niedrigen Niveau eingependelt hat. Natürlich frisst der Kormoran Fisch. Ich nehme an, die Angaben der FDP über die Fischmenge sind sogar richtig. Aber die Fischereierträge in Hessen sind seit vielen Jahren stabil. Das sagen alle Statistiken. Um der Gefährdung entgegenzuwirken, scheint mir viel wichtiger zu sein, die Wasserqualität wieder zu verbessern. 80 % der hessischen Gewässer sind durch Einleitungen belastet.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu kommt, dass immer noch viele Gewässer reguliert sind und Renaturierungsmaßnahmen nötig wären, um Fischen wieder mehr Lebensraum zu geben.

Ökosysteme unterliegen dynamischen Veränderungen durch Klimawandel, Verschmutzung, Versiegelung, Umweltgifte und vieles mehr. Naturschutz ist deshalb eine systemische Aufgabe. Es bedarf vieler paralleler Maßnahmen, um Arten zu schützen. Hier taugt die Hauruckmethode überhaupt nichts.

Es geht um intakte Lebensräume und weniger um die Ausrottung ausgewählter Arten. Aber selbstverständlich wäre es sinnvoll, sich mit invasiven Arten auseinanderzusetzen. Dazu Partner aus der Wissenschaft einzubeziehen halte ich für dringend notwendig.

In Deutschland gibt es immer noch keine amtliche Liste der invasiven Arten, geschweige denn, eine Vorgabe, wie ihnen zu begegnen ist. Ich will nur einmal sagen, dass in Europa 12.000 invasive Arten leben. 37 davon stehen im Verdacht, dass sie eine Gefahr für die biologische Vielfalt oder die menschliche Gesundheit bedeuten. Der Waschbär und der Kormoran gehören nicht dazu. Ein Management auf diesem Gebiet wäre sehr sinnvoll, da man sie sicher nicht alle umbringen kann. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Lenders für die FDP-Fraktion das Wort.

(Abg. Jürgen Lenders (FDP) stellt die Höhe des Rednerpults ein. – Ministerin Priska Hinz: Jetzt aber!)

Das Mikro sollte schon richtig stehen. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele Kollegen finden das Thema, was Waschbären und Kormorane anbelangt, äußerst witzig und komisch. Die Menschen, die einen Waschbären im Haus haben, der dort erhebliche Schäden verursacht, finden das überhaupt nicht komisch.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU) – Unruhe bei der SPD)

Auch diejenigen, die Fischerei betreiben, finden es nicht witzig, wenn Schwärme von Kormoranen bei ihnen einfallen und ihnen die ganze Existenzgrundlage entziehen können.

Der Waschbär ist eine invasive Art. Das per se ist noch nicht das Problem. Das Problem ist, dass er keinen natürlichen Feind hat. Er frisst alles, und die Tiere, die Jungtiere haben, haben einen noch viel größeren Fressbedarf, weil sie ihre Jungtiere auch noch durchkriegen müssen.

In acht von 15 Bundesländern scheint es auch klar zu sein, dass man den Waschbären bejagt. Nur in Hessen haben wir, seitdem die GRÜNEN regieren, eine Jagdverordnung, die das quasi unmöglich macht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Schwarz-Grün bezieht sich in seinem Antrag auf Rheinland-Pfalz. Die dortige Regelung wäre aus unserer Sicht fachlich durchaus tragbar; denn auch dort dürfen Jungtiere das ganze Jahr bejagt werden. Da frage ich mich: Wenn Sie sich schon auf RheinlandPfalz beziehen, warum setzen Sie sich dann nicht dafür ein, dass das auch in der Hessischen Jagdverordnung umgesetzt wird? Es braucht auch keine Einzelfallprüfung, wie das jetzt hier vorgesehen ist. Die EU hat ausdrücklich den Waschbären als invasive Art klassifiziert, und damit können wir ihn auch bejagen.

(Beifall des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Politisch bewertet – – Wir haben fünf Minuten Zeit; das ist nicht viel.

(Unruhe bei der CDU, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zu dem, was wir am Dienstag schon einmal diskutiert haben. Es war viel die Rede davon, was denn der Ministerpräsident auf dem Jägertag gesagt hat. Es geht mehr darum, welchen Eindruck er hat erwecken wollen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Weitere Zurufe von der CDU)

Der Ministerpräsident hat doch bei der Jägerschaft den Eindruck erweckt, es sei Gesprächsbedarf da, und er sei gesprächsbereit, also werde er die Jagdverordnung im Sinne der Jägerschaft ändern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir haben dann aber eine Staatsministerin erlebt, die genau das Gegenteil davon erzählt hat. Sie von der CDU können diesen Widerspruch nicht auflösen. Jedes Mal, wenn

Sie vor Ort sind, erzählen Sie den Jagdverbänden, Sie würden sich einsetzen und deren Interessen vertreten. Dann sind Sie hier im Landtag – das kennen wir auch von der Windkraft –, und dann spielt das alles keine Rolle mehr. Dann überlassen Sie den GRÜNEN das Feld.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Marius Weiß (SPD) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Bei den Kormoranen gilt Ähnliches wie bei den Waschbären. Man darf sich schon einmal fragen: Die Schäden, die die Kormorane verursachen – das hat Kollege Landau richtig gesagt –, sind ein Stück weit auch ein Erfolg von gelebtem Tierschutz. Nur hat sich der Kormoran aber mittlerweile wieder vermehrt, in solch einer großen Population wieder stabilisiert, dass er erhebliche Schäden anrichten kann.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Wir erwarten von dieser Landesregierung keine Wunder.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ein bisschen schon!)

Aber eine Kormoranverordnung, die wirklich dazu dient, eine Bejagung möglich zu machen, ist auch in anderen Bundesländern durchaus möglich. Nur wir haben eine Fischereiverordnung, in der nichts dazu steht. Diese Landesregierung hat, wenn sie noch alle fünf Sinne beieinander hat, ihren Handlungsauftrag. Den müssen Sie wahrnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Kollegin Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.